| # taz.de -- Verbraucherschützerin über Digital-Gesetze: „Das ist absolut at… | |
| > Das EU-Parlament stimmt diese Woche über eines von drei Gesetzespaketen | |
| > zur Regulierung von Internetplattformen ab. Für Lina Ehrig geht das in | |
| > die richtige Richtung. | |
| Bild: Wer Google, Facebook, Instagram nutzen möchte, muss den Bedingungen der … | |
| taz: Frau Ehrig, [1][die EU arbeitet an drei großen Gesetzespaketen zur | |
| Plattformregulierung.] Werden wir in Zukunft alle über unterschiedliche | |
| Messenger hinweg kommunizieren können, also von Signal zu Whatsapp zu | |
| Threema? | |
| Lina Ehrig: Sie spielen an auf eines der drei Gesetze, nämlich den Digital | |
| Markets Act, kurz DMA. Die Position des EU-Parlaments dazu sieht | |
| tatsächlich vor, dass es möglich sein soll, Nachrichten | |
| messengerübergreifend zu senden. Ob das bei den abschließenden | |
| Verhandlungen durchkommt, müssen wir allerdings sehen – die EU-Kommission | |
| und der Rat der Mitgliedstaaten sind hier deutlich zurückhaltender. | |
| Fänden Sie es wünschenswert? | |
| Ja, aus Nutzer:innensicht ist das absolut attraktiv. Es wäre allerdings | |
| wichtig, es so umzusetzen, dass kleine Plattformen nicht benachteiligt | |
| werden. Wenn ein Whatsapp oder ein Facebook-Messenger zur Interoperabilität | |
| verpflichtet wird – super. Aber Anbieter wie Signal oder Threema, die ein | |
| datenschutzfreundliches Modell aufgebaut haben, die würden wir da nicht in | |
| die Pflicht nehmen. Wobei sie sich natürlich trotzdem auf freiwilliger | |
| Basis beteiligen könnten. | |
| Die drei Gesetzespakete, der DMA, der Digital Services Act (DSA) und der | |
| Data Governance Act, sind aktuell in der Abschlussphase oder kurz davor – | |
| und das nur ein gutes Jahr nach der Ankündigung. Das ist schon eine | |
| ungewöhnliche Geschwindigkeit. Stimmen auch die Inhalte? | |
| Ja, zusammenfassend kann man sagen, dass die Inhalte in die richtige | |
| Richtung gehen. Wichtig ist zunächst einmal die Basis: Die Kommission und | |
| teilweise auch schon das Parlament und der Rat haben festgestellt, dass | |
| große Onlineplattformen über Jahre hinweg ihre Marktmacht benutzt haben, um | |
| Verbraucher:innen zu beeinflussen und unternehmerische Wettbewerber | |
| auszubremsen, um ihre eigene Marktmacht weiter auszubauen. Und darauf bauen | |
| die Entwürfe für die neuen Regeln auf | |
| Und wo hakt es? | |
| Es gibt einiges an Nachbesserungsbedarf. Ein Beispiel: Es muss viel stärker | |
| unterschieden werden nach der Art der Plattform. Bei einem Unternehmen, das | |
| Waren verkauft, sind andere Regeln nötig als bei einem, das Menschen | |
| vernetzt und Videos und Textnachrichten anzeigt. Bei Ersterem geht es um | |
| Produktsicherheit, darum, dass keine gefährlichen oder illegalen Waren | |
| auffindbar sind oder dass Verbraucher:innen erkennen können müssen, wer | |
| als Händler auftritt. Bei Letzterem geht es um Meinungsfreiheit, die | |
| Freiheit von manipulativen Algorithmen und die Fragen: Was muss, was darf | |
| gelöscht werden? Was muss stehen bleiben? Und wie sind die Betroffenen zu | |
| informieren? Da hat das EU-Parlament schon ein paar mehr Ideen als die | |
| Kommission. | |
| Und zwar? | |
| Es soll zum Beispiel weitergehende Transparenzpflichten für die Plattformen | |
| geben und möglich sein, legale, aber dennoch bereits entfernte Inhalte zu | |
| flaggen, also zu kennzeichnen, wie wir das so ähnlich schon aus dem | |
| Urheberrecht kennen. Diese müssen dann unverzüglich wiederhergestellt | |
| werden. Aber was zum Beispiel noch fehlt, ist eine Verpflichtung, dass | |
| Nutzer:innen erst mal angehört werden müssen, bevor ihr Inhalt entfernt | |
| wird. | |
| Gehen wir doch mal ein paar Ärgernisse durch, denen Nutzer:innen im | |
| Alltag ständig begegnen. Zum Beispiel Dark Patterns, also | |
| Gestaltungsprinzipien, die Nutzende zum Beispiel bei Cookie-Bannern dazu | |
| verleiten, auf „okay“ zu klicken statt auf „ablehnen“. Wird sich das | |
| ändern? | |
| Da sieht es sehr gut aus. Der Verbraucherausschuss des EU-Parlaments hat in | |
| seiner Position bestätigt, dass Zustimmung und Ablehnung gleich gestaltet | |
| und zugänglich sein müssen. Traurig ist allerdings, dass es dafür noch | |
| einmal ein Gesetz braucht, denn genau das sieht auch schon die | |
| Datenschutz-Grundverordnung vor. | |
| Sie rechnen also damit, dass ein Verbot von Dark Patterns auch durch die | |
| finalen Trilog-Verhandlungen kommt? | |
| Ja, das sieht nach einer Position aus, die auch für die anderen | |
| Verhandlungsparteien anschlussfähig ist. | |
| Nächstes Beispiel: der Algorithmen-TÜV. Der würde ein unabhängiges | |
| Monitoring zum Beispiel von Googles Suchmaschine vorsehen. | |
| Hier hat das Parlament in seinem Vorschlag die Regelungen für Empfehlungen | |
| ausgeweitet, sodass sie für alle Onlineplattformen gelten sollen und nicht | |
| nur die „Very large online platforms“, die sogenannten Vlops. Auch sollen | |
| neben Forschungsinstitutionen NGOs Forschungszugänge zu den Plattformen | |
| bekommen. Das ist wichtig, damit möglichst viele Akteure überprüfen können, | |
| wie die Algorithmen wirken, ob sie diskriminieren oder manipulieren. | |
| Letztes Beispiel: Tracking, also das Verfolgen von Nutzer:innen auch | |
| über mehrere Dienste hinweg, und die Nutzung dieser Daten für Werbezwecke. | |
| Das ist tatsächlich ein problematischer Punkt. Eigentlich verbietet der | |
| DMA, dass Plattformen persönliche Daten über mehrere Dienste hinweg | |
| verknüpfen. | |
| Dass zum Beispiel Meta persönliche Daten von Facebook, Whatsapp und | |
| Instagram verknüpft. | |
| Genau. Aber es gibt eine Ausnahme: Nämlich, wenn die Nutzer:innen | |
| eingewilligt haben. Nun ist es mit den Einwilligungen so eine Sache. | |
| Erfahrungen aus dem Bereich des Datenschutzes zeigen, dass die Plattformen | |
| aufgrund ihrer Marktmacht ihre Nutzer:innen leicht zu einer Einwilligung | |
| drängen können. Wirklich freiwillig werden die nämlich meist nicht gegeben. | |
| Denn in der Regel gibt es keine Wahl. Wer nicht zustimmt, kann halt den | |
| Dienst nicht oder nicht in vollem Umfang nutzen. Zumindest soll für | |
| Minderjährige künftig gelten, dass auch eine Einwilligung das Verbot nicht | |
| aushebeln kann. Wenn man sagt, man will die Macht von marktbeherrschenden | |
| Unternehmen einschränken, dann muss dieses Verbot aber für die Daten aller | |
| Nutzer:innen gelten. | |
| Beim dritten Gesetzespaket, dem Data Governance Act, geht es darum, wie | |
| Verfügbarkeit von Daten gefördert werden kann. Demnach sollen Unternehmen, | |
| Behörden und Forschungseinrichtungen in der EU Daten einfacher austauschen | |
| können. Warum ist das für Verbraucher:innen so wichtig? | |
| Zum einen, weil hier klargestellt ist, dass persönliche Daten trotzdem | |
| geschützt werden müssen. Es ist ganz klar, dass im Fall eines Konflikts | |
| zwischen der Offenlegung und dem Schutz von persönlichen Daten Letzterer | |
| vorgeht. Dass es diese Regelung durch den Trilog geschafft hat, ist sehr | |
| erfreulich. Zum anderen aber, weil auch Regelungen geschaffen wurden, zum | |
| Beispiel zu Datentreuhändern. | |
| Also Unternehmen, die Daten im Auftrag von Dritten verwalten. | |
| Genau. Hier wird klargestellt, dass diese Treuhänder die Daten nicht selbst | |
| nutzen dürfen. Das ist wichtig, damit alle Beteiligten ihnen vertrauen | |
| können. | |
| Dass neue Regeln alleine mitunter nicht reichen, zeigt die | |
| Datenschutz-Grundverordnung: Hier hapert es bei der Durchsetzung, weil die | |
| Behörden der EU-Mitgliedstaaten, in Deutschland sogar die Landesbehörden, | |
| teils sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Wie sieht es bei den | |
| neuen Regeln aus? | |
| Beim DMA ist die EU-Kommission als Aufsichtsbehörde vorgesehen, da liegt es | |
| also in einer Hand. Beim DSA liegt die Aufsicht laut aktueller Planung bei | |
| den Mitgliedstaaten. Es gibt aus dem EU-Rat einen Vorschlag, dass die | |
| Kommission die Aufsicht an sich ziehen kann, wenn es um die Vlops geht. Das | |
| wäre sicher nicht schlecht. Auch beim Data Governance Act sind die | |
| Mitgliedstaaten zuständig – das wird extrem herausfordernd, hier eine | |
| einheitliche Auslegung zu finden. | |
| 19 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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