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# taz.de -- Umstrittener Bürgermeister Tübingens: Palmer sagt den Grünen ab
> Der Tübinger OB wird nicht erneut für die Grünen antreten, gegen ihn
> läuft ein Ausschlussverfahren. Offen bleibt, ob er parteilos kandidiert.
Bild: Boris Palmer im Einsatz als Oberbürgermeister von Tübingen mit Amtskett…
Karlsruhe taz | Letzte Woche hatten sich noch 500 Parteifreunde aus ganz
Deutschland [1][für Boris Palmer und seinen Verbleib in der Partei
ausgesprochen.] Jetzt erklärt der Oberbürgermeister Tübingens selbst seinen
Rückzug zumindest als möglicher Spitzenkandidat der örtlichen Grünen.
Er werde sich nicht am Nominierungsprozess seiner Partei zur
Oberbürgermeisterwahl im Herbst beteiligen, schreibt Palmer. „Man kann als
OB-Kandidat einer Partei nicht beides sein: nominiert und ausgeschlossen.“
Damit macht Palmer einen ersten Schritt im Wirrwarr aus bevorstehender
Bürgermeisterwahl und seinem Streit mit der Partei. Bis Ende Februar hätte
er entscheiden müssen, ob er sich in einer Urwahl zur Kür des
Spitzenkandidaten den Tübinger Grünen stellt. Das Parteiauschlussverfahren,
das seit einem Dreivierteljahr vor sich hin dümpelt, wird bis dahin nicht
entschieden sein.
Palmer hat sich durch Aussagen mit rassistischen Untertönen und
instinktlosen Facebook-Posts selbst in eine verfahrene Situation
manövriert. Mal verlangte er Zwangs-DNA-Tests für Flüchtlinge, als es in
seiner Stadt zu sexuellen Übergriffen kam. Mal fragte er, welche
Gesellschaft es abbilden solle, wenn die Bahn mit Nelson Müller und Nazan
Eckes sowie anderen Prominenten mit Migrationshintergrund wirbt. Dann
wieder fand er, man helfe beim ersten Corona-Lockdown vielleicht den
Falschen, nämlich denen „die in einem halben Jahr ohnehin gestorben wären�…
## Affront gegen den erfolgreichen Bürgermeister
Im vergangenen Mai, zum Auftakt der Bundestagswahl, war dann bei der Partei
das Maß voll. Die baden-württembergischen Grünen [2][beschlossen auf ihrem
Landesparteitag ein Parteiausschlussverfahren gegen Palmer.] Der hatte kurz
zuvor einen rassistischen Post eines anonymen Users über den früheren
Fußballnationalspieler Dennis Aogo auf Facebook weiterverbreitet. Nach
Palmers Angaben war sein Eintrag ironisch gemeint.
Der Parteitag beschloss daraufhin, ein Parteiausschlussverfahren gegen
Palmer auf den Weg zu bringen. Auch die Spitzenkandidatin im
Bundestagswahlkampf, Annalena Baerbock, hatte diesen Schritt gefordert.
Das Verfahren hat der Parteivorstand erst Mitte November auf den Weg
gebracht. Und es bringt auch die Tübinger Grünen, die bald einen
OB-Kandidaten präsentieren müssen, in ein Dilemma. Um nicht zwangsläufig
mit einem belasteten und auch in ihren Reihen hochumstrittenen Kandidaten
ins Rennen gehen zu müssen, beschlossen sie einen Mitgliederentscheid zur
Kür des OB-Kandidaten. Ein Affront für den bundesweit bekannten
Kommunalpolitiker Palmer, der in Tübingen seit 2007 erfolgreich regiert.
Jetzt zog Palmer selbst die Reißleine, lässt aber offen, ob er als
unabhängiger Kandidat antritt. Ein Schritt, der ein weiteres Argument für
einen Parteiausschluss wäre, weil eine Kandidatur gegen einen Kandidaten
der eigenen Partei als parteischädigend gilt.
## Erfolg auch unabhängig möglich
Die Tübinger Grünen werden nach Palmers Absage wohl mit der
Kommunalpolitikerin Ulrike Baumgärtner ins Rennen gehen. Sie hatte bereits
Interesse bekundet, gegen Palmer in der Urwahl anzutreten.
Palmer wäre aber nicht der erste, der als unabhängiger Kandidat gegen einen
Parteifreund antritt. Und es gibt Beispiele, die zeigen, dass man damit
davonkommen kann. Auch der Tengener SPD-Bürgermeister Marian Schreier war
2020 im Ringen um den Stuttgarter OB-Sessel [3][gegen den offiziellen
Kandidaten der Partei ins Rennen gegangen] und trotzdem nicht aus der SPD
ausgeschlossen worden. Gewonnen hatte damals allerdings der CDU-Kandidat
Frank Nopper.
Palmer selbst äußert sich seit dem laufenden Parteiausschluss nur noch
dosiert in der Öffentlichkeit. Auf seinem Lieblingsmedium Facebook, wo ihm
75.000 Menschen folgen, postet er nun vorzugsweise zu kommunalen Themen.
Auf die Frage, wie es nun weitergeht, antwortet Boris Palmer der taz per
SMS: „Ich weiß es wirklich nicht“.
18 Jan 2022
## LINKS
[1] /Umstrittener-Buergermeister-Tuebingens/!5827994
[2] /Gruene-wollen-Boris-Palmer-ausschliessen/!5766275
[3] /OB-Stichwahl-in-Stuttgart/!5731546
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Tübingen
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