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# taz.de -- Berliner Kliniken in der Omikron-Welle: „Ich würde sagen, es geh…
> Die Kliniken erwarten hohe Personalausfälle bei steigenden
> Patientenzahlen. Vorbereiten können sie sich kaum, sagt Intensivmediziner
> Jörg Weimann.
Bild: Pausenlos im Einsatz: Ärztin auf einer Intensivstation
taz: Herr Weimann, Sie koordinieren das wöchentliche Netzwerktreffen der
Berliner und Brandenburger Intensivmediziner:innen. Wo stehen die Kliniken
im Moment?
Jörg Weimann: Die [1][Inzidenzen schnellen jetzt in die Höhe], wie wir es
erwartet und in Ländern wie England gesehen haben. Seit ein paar Tagen
sehen wir schon mehr Patienten auf den Normalstationen. Ich würde sagen, es
geht los.
Deutschlandweit sind vor allem nord- und westdeutsche Bundesländer
betroffen, in die die Omikron-Fälle aus den Nachbarländern schwappten. Was
ist Ihre Erklärung, warum auch in Berlin die Fallzahlen so hoch sind?
Wir haben es jetzt mit einem wirklich sehr viel mehr ansteckenden Virus zu
tun, das auf eine sehr geballte Berliner Bevölkerung trifft, die auch noch
im Vergleich sehr international ist. Omikron kam hier sehr schnell an, war
sehr schnell dominierend und nun haben wir hier auch schneller die hohen
Infektionszahlen.
Erwarten Sie wieder volle Intensivstationen?
Wir erwarten tatsächlich, dass es in ein bis zwei Wochen noch einmal zu
einem Anstieg auf den Intensivstationen kommen könnte. In den vergangenen
Wellen war ja das Hauptproblem, dass die Intensivstationen an der Kante
waren. Vielleicht kommen sie da auch noch einmal hin, aber sie werden nicht
mehr das alleinige Problem sein. Man muss klar sagen: Diese Pandemie ist
jetzt nicht mehr eine Pandemie allein und vor allem der Intensivstationen.
Weil so viele Menschen geimpft und geboostert sind und weil Omikron weniger
schwere Verläufe verursacht?
Richtig. Aber das Tückische ist jetzt: Es wird sich gleichzeitig sehr viel
Personal in den Krankenhäusern krankmelden.
Man hört das bereits aus anderen Ländern: In Amsterdam und New York zum
Beispiel fällt teilweise ein Viertel der Belegschaft aus, weil sie positiv
sind. Wie bereiten Sie sich auf ein solches Szenario vor?
Der größte Teil unserer Kolleg:innen ist geimpft und geboostert. Nach
der Anpassung der Rechtsverordnung müssen die [2][Geboosterten nicht mehr
in Quarantäne], das ist für uns total beruhigend. Aber unser Personal wird
ja nicht nur ausfallen, weil sie selbst in Quarantäne oder Isolation
müssen, sondern zum Beispiel auch, weil die Kita zumacht oder das Schulkind
zu Hause bleiben muss. Groß vorbereiten können wir uns darauf nicht: Die
Katastrophenschutzpläne in den Schubladen sehen für solche Fälle vor, dass
wir zum Beispiel die Bundeswehr zu Hilfe rufen. Aber das wird nicht
funktionieren. Denn dieser Ausfall ist etwas, was überall gleichzeitig
passieren wird. Auch bei der Bundeswehr werden vielleicht 25 Prozent
ausfallen, und sie wird auch aus anderen Bundesländern zu Hilfe gerufen
werden.
Aber in der Vergangenheit war es doch schon so, dass die Hotspots immer in
einzelnen Bundesländern oder Regionen lagen und entsprechend die anderen
Bundesländer unterstützen konnten. Ist denn damit diesmal nicht wieder zu
rechnen, wenn die Infektionswelle in Berlin jetzt zum Beispiel schon
fortgeschrittener ist als anderswo?
Das kommt darauf an, wann die Welle wieder abflacht. Das können wir in den
Ländern, die wir als „Laborländer“ betrachten – also vor allem England …
Dänemark –, noch nicht genau beobachten. Wir haben die Hoffnung, dass diese
Welle kürzer wird. Aber ich glaube, wir dürfen uns nicht einbilden, dass
das hier nach ein oder zwei Wochen wieder vorbei ist.
Welche Folgen hätte denn eine solche Belastung aller Krankenhausbereiche
aus Ihrer Sicht?
Wir haben jetzt schon nahezu alle verschiebbaren Behandlungen verschoben.
Das wird noch weitergehen. Und diese Welle, die jetzt kommt, ist mit den
vergangenen Wellen kaum vergleichbar. Dass Omikron weniger schwere Verläufe
zur Folge hat, aber eben auch deutlich ansteckender ist und Geimpfte sich
grundsätzlich auch infizieren können, ist die eine Veränderung. Die andere:
Wir haben inzwischen ein anderes Gesundheitssystem, das ist komplett
ausgelutscht. Wir haben Personal eingebüßt und das Personal, was noch da
ist – da kann ja keiner mehr. Wenn wir wieder Patientenzahlen wie aus der
zweiten Welle haben – egal auf welchen Stationen –, dann droht wirklich
eine Überlastung.
Das klingt jetzt sehr pessimistisch. Wir haben zwar eine [3][schlechtere
Impfquote als in Dänemark und England]. Aber dafür trifft uns die
Omikron-Welle in einem Moment, in dem wir schon weitreichende Vorkehrungen
wie Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen getroffen haben. Gibt es nicht
auch die leise Hoffnung, dass es zu der von Ihnen beschriebenen Eskalation
nicht kommt?
Ganz unberechtigt ist diese Hoffnung sicher nicht. Nun sind wir
Intensivmediziner von Hause aus aber eher Pessimisten und bereiten uns aufs
Schlimmste vor. Seriös wird Ihnen jedenfalls jetzt niemand sagen können,
wie schlimm es wird. Aber wenn wir tatsächlich gleichzeitig einen hohen
Ausfall in allen Lebensbereichen inklusive der Krankenhäuser haben und
viele Patienten kommen – selbst wenn die nur Sauerstoff brauchen und
jemanden, der nach ihnen schaut –, dann sind wir in einer Situation, in der
gar nicht mehr viel geht. Es darf einfach nicht zu schnell gehen. Ich
hoffe, dass durch die steigenden Fallzahlen die Leute noch ein bisschen
vorsichtiger werden. Impfen und boostern ist wichtig, aber wird für die
kritischen nächsten drei Wochen nur einen geringen Beitrag leisten. Das
ganz am Anfang kennengelernte „Flatten the curve“ ist wieder das Gebot der
Stunde.
Wann ist Ihr nächstes Treffen der Intensivmediziner:innen?
Wir besprechen uns jeden Dienstag. Dann wissen wir vielleicht auch schon
mehr, das Bild wird ja jetzt jeden Tag etwas klarer. Ansonsten versuchen,
glaube ich, alle, die können, noch einmal eine Mütze Schlaf und ein
bisschen Ruhe zu kriegen. Und dann fahren wir rein in die Omikron-Welle.
14 Jan 2022
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## AUTOREN
Manuela Heim
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