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# taz.de -- Neues Viertel für Potsdam: Hindernisse am Stadtrand
> Potsdam will ein neues klimafreundliches Viertel auf einer alten Kaserne
> in Krampnitz errichten. Doch es zeigen sich immer mehr Probleme.
Bild: Krampnitz im Sommer 2021
Potsdam taz | Zwischen zwei Seen und neben dem [1][Naturpark Döberitzer
Heide] sieht es nach Brandenburg aus. Der Blick reicht weit. Am Straßenrand
stehen Alleebäume und auf der Weide Wiederkäuer. Doch die vielen Lkws mit
Baumaterial lassen erahnen, dass etwas Großes im Gange ist. Das ehemalige
[2][Kasernenareal Krampnitz], rund sechs Kilometer von Berlins
südwestlichstem Ortsteil Kladow entfernt, soll als neuer Stadtteil für bis
zu 10.000 Bewohner eine Art eierlegende Wollmilchsau für Brandenburgs
Landeshauptstadt Potsdam werden. 2024 sollen die ersten Bewohner einziehen.
Potsdam wächst seit vielen Jahren und zieht dank einer prosperierenden
Wirtschaft und der Lage im [3][Berliner Speckgürtel] weiterhin Menschen an.
Und die müssen irgendwo wohnen. Erst vor Kurzem hat die Stadt in der
Einwohnerstatistik Saarbrücken überholt und ist damit nun nicht mehr
Deutschlands zweitkleinste Landeshauptstadt. Parallel versucht Potsdam auch
beim Klimaschutz voranzukommen. Die Stadt hatte in ihrem Masterplan
eigentlich angepriesen, dass Krampnitz sozial und klimafreundlich sein
soll. Doch in der Realität lauern fiese Probleme.
Neuestes Beispiel sind die Mieten beim Großinvestor Deutsche Wohnen (DW).
2017 war der börsennotierte Konzern in das Projekt eingestiegen und hatte
eine jahrelange juristische Auseinandersetzung zwischen Land und Stadt auf
der einen Seite und einem früheren Käufer auf der anderen beendet. Dafür
bekam die DW einen Großteil der denkmalgeschützten Kasernengebäude.
Vor Kurzem hat der Konzern jedoch bekannt gegeben, dass er seine Wohnungen
dort nicht wie beim Grundstückserwerb angekündigt für 8,50 Euro pro
Quadratmeter vermieten wird, sondern für mehr. Für wie viel mehr, wisse man
allerdings noch nicht. Nach eigenen Angaben plant die Deutsche Wohnen in
Krampnitz nach wie vor rund 1.800 Wohnungen, von denen abhängig von den
Wohnungsgrößen bis zu 500 in den denkmalgeschützten Bestandsgebäuden
entstehen sollen, rund 1.300 weitere Wohneinheiten in Neubauten.
## Dämpfer für den Klimaschutz
Man strebe aber weiterhin bezahlbares Wohnen für breite
Bevölkerungsschichten an, hieß es. Es folgten eilige Gespräche mit
Stadtverwaltung und Denkmalschutz. Ergebnis: In den Innenhöfen dürfen rund
200 Neubauwohnungen hochgezogen werden, teilweise mit geförderten
Sozialwohnungen.
Bis es in Krampnitz in großer Zahl die dringend benötigten günstigen
Wohnungen gibt, wird es noch Jahre dauern. Denn die von der Stadt
versprochenen Sozialwohnungen werden wohl erst am Ende der Entwicklung des
Viertels entstehen. Erst ab 2032 soll es so weit sein. Dann erwartet die
Stadt in großer Zahl Neubauten, die in erster Linie die kommunale
Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam mithilfe von Fördermitteln errichten soll.
Und auch die Pläne für die klimafreundliche Energieversorgung des neuen
Stadtteils bekamen jüngst einen Dämpfer. Der Umbau eines alten Heizhauses
zu einer modernen Energiezentrale liegt vorerst auf Eis. Die Stadtwerke
konnten Landesfördermittel für nötige Umbauten in Höhe von mindestens 1,5
Millionen Euro nicht abrufen.
Das zuständige Landesumweltamt hat nämlich noch nicht über einen
Widerspruch des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) entschieden. Der
hatte kritisiert, dass für das Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung
fehle. Man fürchtet, dass die Stadtwerke für die Wärmeversorgung Erdgas
statt Biogas verfeuern wollen, weil das Heizhaus an das Gasnetz
angeschlossen werden soll.
## Ziemlich grünes Verkehrskonzept
Ohnehin verzögert sich das ganze Projekt um mehrere Jahre, weil es nach wie
vor Probleme mit der Verkehrsanbindung gibt. Zwar hat das Land in diesem
Jahr grundsätzlich einem Ausbau für bis zu 5.000 Einwohner zugestimmt,
solange keine Straßenbahn fährt. Aber es gibt weiter Zweifel, ob die
einzige Straße, die aus der Potsdamer Innenstadt nach Krampnitz führt, den
entstehenden Verkehr aufnehmen kann. Sie führt durch bebautes Gebiet und
hintereinander über zwei Brücken.
Das Verkehrskonzept für den neuen Potsdamer Stadtteil kommt dabei insgesamt
ziemlich grün daher. Rechnerisch soll es nur für jede zweite Wohnung einen
Parkplatz geben. Diese sollen in sogenannten Quartiersgaragen konzentriert
werden. So sollen die künftigen Krampnitzer von Beginn an vom Privatauto
entwöhnt werden. In die Innenstadt sollen Tram, Bus oder Fahrrad genutzt
werden. Doch für die Tramtrasse hat noch nicht einmal das
Planfeststellungsverfahren begonnen. Zudem wollen Anwohner gegen die
geplante Tramtrasse durch ihren Vorgarten klagen. Nach jetzigen Zeitplänen
soll die Tram nach Krampnitz erst 2029 fertig sein.
Im Rathaus geht man außerdem davon aus, dass der Platz neben Straße und
Tramgleisen auf den Brücken nicht für einen Radschnellweg reicht. Deshalb
soll er nun eine eigene Trasse über Felder und Weiden bekommen. Bis 2025
will die Stadt den mindestens vier bis sechs Meter breiten Weg fertig
planen und bis 2029 inklusive einer Brücke über den Sacrow-Paretzer Kanal
bauen. Dagegen hat sich eine Bürgerinitiative formiert. Und ein lokaler
Bauer will notfalls juristisch verhindern, dass der Radschnellweg über
seine Grundstücke gebaut wird, denn der schneide seinen Mutterkühen den Weg
zur Weide ab.
Angesichts derart vieler Stolpersteine ist man an der Stadtspitze
vorsichtig geworden. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat dem
ganzen Projekt einen Stresstest verordnet. Nun sucht man per Ausschreibung
professionelle Hilfe. Aufbauend auf einer Statusanalyse sollen demnach
„Handlungsempfehlungen für den Umgang mit veränderten, potenziell
zielgefährdenden Rahmenbedingungen“ erstellt werden.
## Bauarbeiten im Gange
Trotz aller Probleme hält man im Rathaus an dem Projekt fest, weil der
Stadt ohne Krampnitz nämlich bald die Flächen für den Wohnungsbau
ausgehen. Das geht aus einer Aufstellung der Stadtverwaltung über die
sogenannten Wohnungsbaupotenziale hervor. Gemeint sind damit Flächen, auf
denen schon jetzt Wohnungen gebaut werden könnten, und solche, die im
Flächennutzungsplan dafür vorgesehen sind.
Fazit: Die Flächen reichen nicht aus, um die prognostizierte
Einwohnerentwicklung abzudecken. Die Analyse zeigt die große Bedeutung von
Krampnitz. Dort befinden sind 33 Prozent der gesamten Potenzialfläche und
sogar 53 Prozent der Bauflächen in kommunalem Besitz. Das entspricht etwa
3.460 Wohnungen.
Würde Krampnitz sich weiter verzögern oder am Ende deutlich kleiner
ausfallen als gedacht, würde das den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt in
Potsdam also weiter belasten. Denn die Stadt rechnet weiter mit Zuzug. Die
jüngste Prognose aus dem Rathaus geht davon aus, dass bis zum Jahr 2024 die
Einwohnerzahl von 190.000 erreicht wird. Bis zum Jahr 2030 wird gar ein
Wachstum auf 203.000 erwartet – also rund 20.000 mehr als jetzt. Für das
Jahr 2040 rechnet die Stadt sogar mit fast 218.000 Einwohnern.
Es gibt allerdings auch Positives: Vor wenigen Tagen haben auf dem Areal
die ersten Straßen- und Leitungsbauarbeiten begonnen. Der von der Stadt
beauftragte Entwicklungsträger und die Stadtwerke investieren 57 Millionen
Euro. Bis 2023 sollen die ersten sechs Kilometer Straße in dem Viertel
fertig sein. Schon seit Anfang vergangenen Oktobers laufen auch die
Bauarbeiten am ersten öffentlichen Gebäude. Teilweise in alten Kasernen
entstehen eine Grundschule plus Kita, Hort und Sporthalle für bis zu 760
Kinder und für 34 Millionen Euro.
12 Jan 2022
## LINKS
[1] /Sachverstaendige-zu-Umweltfragen/!5299624
[2] /Stadtentwicklung-Potsdam/!5435773
[3] /Wohnen-in-Brandenburg/!5779320
## AUTOREN
Marco Zschieck
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Potsdam
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