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# taz.de -- BGH-Urteil über verdeckte Ermittler: Grenzen für Agents Provocate…
> Ein verdeckter Ermittler überredete zwei Klein-Dealer zum Verkauf
> größerer Mengen Kokain. Der BGH hob das Strafurteil auf.
Bild: Knospen von Cannabis-Pflanzen, die für den medizinischen Gebrauch angeba…
Karlsruhe taz | Wenn ein Klein-Dealer von einem Verdeckten Ermittler der
Polizei zu einem größeren Drogen-Geschäft gedrängt wird, kann der
Klein-Dealer hierfür nicht bestraft werden. Dies entschied jetzt der
Bundesgerichtshof (BGH). Es liege dann ein „Verfahrenshindernis“ vor, sagte
der Vorsitzende Richter Rolf Raum.
Konkret ging es um zwei Männer aus Pakistan, die in einem Asylheim in
Emmendingen (Südbaden) lebten. Sie handelten in kleinem Stil mit Drogen, um
die Sucht des Älteren zu finanzieren. Der Mann kaufte [1][Marihuana] und
[2][Kokain] für den Eigengebrauch und verkaufte jeweils die Hälfte weiter.
Die Polizei hatte auf die beiden Männer und ihre Lieferanten einen
verdeckten Ermittler angesetzt. Er kam im März 2020 mehrfach vorbei und
kaufte kleine Mengen Drogen, zum Beispiel zehn Gramm Marihuana für 100
Euro. Immer wieder fragte er, ob er auch „größere Mengen“ bekommen könne.
Schließlich wollte er drei Kilo Marihuana und hundert Gramm Kokain kaufen,
im Wert von rund 20.000 Euro.
Die Brüder sagten zu, hatten aber Probleme, die Ware zu beschaffen. Ihnen
half dann ein LKW-Fahrer, der zumindest das Marihuana auftreiben konnte.
Bei der Übergabe griff die Polizei zu.
## Auch „Aufstiftung“ ist problematisch
Das Landgericht Freiburg verurteilte im Februar 2021 den älteren Bruder
(heute 36) als Haupttäter zu drei Jahren und zwei Monaten Haft, den
jüngeren Mann (34) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung und den
30-jährigen LKW-Fahrer zu zwei Jahren mit Bewährung.
In der Revision hob der BGH das Freiburger Urteil nun aber weitgehend auf
und ordnete eine neue Verhandlung an. Dabei muss das Landgericht prüfen, ob
die polizeiliche Tatprovokation rechtsstaatswidrig war. Nur das Urteil
gegen den LKW-Fahrer ließ der BGH bestehen, weil das Locken des Verdeckten
Ermittlers keinen Einfluss auf ihn hatte.
Der BGH bestätigte zunächst seine bisherige Linie, dass Scheinkäufe der
Polizei im Drogenmilieu nicht generell verboten sind. Allerdings müssen die
Angesprochenen bereits tatgeneigt sein und der Lockspitzel dürfe keinen
Druck ausüben.
Problematisch ist es nicht nur, so der BGH, wenn ein Lockspitzel Leute
anspricht, die bisher gar nicht kriminell waren, sondern auch wenn sie in
deutlich geringerem Umfang strafbar agierten. Richter Raum nannte es eine
„Aufstiftung“, wenn ein Klein-Dealer zu größeren Geschäften angestiftet
wird.
Unzulässiger Druck liegt laut dem Richter nicht nur vor, wenn ein Spitzel
zu Drohungen greift. Auch jede andere Form der Manipulation sei unzulässig.
Im konkreten Fall hatte der verdeckte Ermittler – ein Afghane – gegenüber
den pakistanischen Brüdern immer wieder betont, Afghanen und Pakistani
müssten zusammenhalten. Ob das bereits als Manipulation zu werten ist, muss
nun das Landgericht prüfen.
Neu ist, dass nun auch der 1. BGH-Strafsenat als Folge einer
rechtsstaatswidrigen Tatprovokation von einem „Verfahrenshindernis“
ausgeht, das die Bestrafung gänzlich ausschließt. Bisher hatten die
BGH-Richter:innen überwiegend nur eine Strafmilderung angenommen. Richter
Raum berief sich jetzt auf die strengere Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte.
Az.: 1 StR 197/21
16 Dec 2021
## LINKS
[1] /Legalisierung-von-Cannabis/!5813921
[2] /Fuer-8-Millionen-Euro-Kokain/!5729513
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Gerichtsurteil
Bundesgerichtshof
Drogenhandel
Agenten
Bundesverfassungsgericht
Schwerpunkt Klimawandel
BGH-Urteil
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