# taz.de -- taz-Serie „Was macht eigentlich..?“ (2): Ein Haufen Probleme | |
> Eigentlich sollte der Mehringplatz bereits Ende 2020 grundsaniert sein. | |
> Ein Jahr später wird noch immer gebaut. Auch der Jugendclub ist | |
> gefährdet. | |
Bild: Steine gibt es genug am Mehringplatz | |
PassantInnen am südlichen – also Kreuzberger – Ende der Friedrichstraße | |
konnten sich in den vergangenen Wochen schon mal an „Asterix auf Korsika“ | |
erinnert fühlen. Da gibt es die Baustelle einer prachtvollen Römerstraße | |
von Aleria nach Mariana, von der allerdings nach drei Jahren erst ein paar | |
Meter fertig sind – weil die zur Zwangsarbeit gezwungenen Korsen die | |
Pflasterarbeiten durch extreme Gemächlichkeit sabotieren. | |
In der Fußgängerzone kurz vor dem Rondell [1][des Mehringplatzes], in den | |
die Friedrichstraße kurz vor dem Halleschen Tor mündet, wird ebenfalls | |
Pflaster verlegt. Und auch wenn es nicht ganz so langsam vorangeht wie auf | |
der Mittelmeerinsel im Jahr 50 v. Chr., sieht man oft nur einen einsamen | |
Mann, der Stein für Stein mit seinem Hammer festklopft: Ungefähr das | |
Gegenteil dessen, was man gemeinhin „unter Hochdruck arbeiten“ nennt. | |
Der Mehringplatz selbst, gerahmt von zwei konzentrischen Gebäuderingen im | |
Sichtbeton-Stil der 70er, ist weiterhin mit einem Bauzaun abgesperrt. Der | |
Blick fällt auf Berge von Steinen und einige Baumaschinen, aber kaum | |
Bauarbeiter. Die Baustelle macht einen beinahe aufgegebenen Eindruck, die | |
Spontanvegetation, die im Sommer üppig auf den Sandhügeln sprießte, ist | |
jetzt im Winter braun und struppig. | |
Seit Anfang 2019 wird die gesamte Anlage erneuert, die Maßnahme ist Teil | |
des „[2][Sanierungsgebiets Südliche Friedrichstadt]“. Das 2017 auch zum | |
Milieuschutzgebiet erklärte Viertel gilt als schwieriges städtebauliches | |
Erbe, die wirtschaftliche Situation vieler AnwohnerInnen ist prekär, es gab | |
und gibt Probleme mit Drogenkonsum und Verwahrlosung. Bis Ende 2020 sollte | |
nun eigentlich der öffentliche Raum auf Vordermann gebracht sein, mit | |
einladenden Grünflächen, moderner Beleuchtung und neuem Mobiliar. So hatte | |
man es den AnwohnerInnen mitgeteilt. | |
## Probleme aus dem Untergrund | |
Aufgegangen ist der Plan nicht. Ein ganzes Jahr ist man nun schon | |
hintendran, und es werden mindestens noch drei Monate ins Land gehen, teilt | |
das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg der taz mit, jedenfalls wenn das | |
Wetter mitspielt. Daran ist im Übrigen nicht Corona schuld, vielmehr kamen | |
die Probleme aus dem Untergrund: Die Statik des Bahnhofs Hallesches Tor der | |
U6 unter dem Platz sei weniger tragfähig gewesen als ursprünglich von der | |
BVG mitgeteilt. Erst im vergangenen Sommer habe man eine technische Lösung | |
dafür gefunden. | |
Es ist nicht die erste Verzögerung an dieser Stelle: Der Umbau hatte – nach | |
einem städtebaulichen Wettbewerb im Jahr 2015 – eigentlich schon 2017 | |
starten sollen. Dann aber stellte sich heraus, dass die beauftragte Firma | |
deutlich mehr Geld wollte. Es dauerte noch einmal zwei Jahre, bis der Senat | |
nunmehr 5,9 Millionen Euro bewilligte, 2 Millionen mehr als anfangs | |
vorgesehen. Es gibt aber noch akutere Probleme, die mit der Bausubstanz | |
rund um den Platz zu tun haben. | |
In der Friedrichstraße 1–3, einem grauen Kasten, der die Ringbauten am | |
Platz mit dem Hochhausriegel an dessen Rand verbindet, betreibt die | |
[3][Kreuzberger Musikalische Aktion e.V. (KMA)] seit 15 Jahren das | |
„Intihaus“ (Integrationshaus) sowie die „KMAntenne“, die mit Proberäum… | |
Kinder- und Jugendbands biete. Der Verein ringt laut Vorstandsmitglied | |
Wolfhard Schulze schon seit Jahren mit dem Bezirksamt um seine Zukunft an | |
diesem Ort, denn dieses will hier ein Stadtteilzentrum aufbauen. Einer | |
schnellen Lösung standen bislang die hohen Sanierungskosten für das Gebäude | |
entgegen. | |
Stand der Dinge sei bis vor Kurzem gewesen, dass der Pachtvertrag der KMA | |
zum Jahresende auslaufe, so Schulze – Anfang Dezember habe es dann aber | |
geheißen, dass es erst einmal mit Mietverträgen weitergehen könne. Zeit zum | |
Aufatmen war trotzdem keine, denn der bezirkliche Hochbauservice kam | |
vorbei: „Die haben eine Begehung für ein Brandschutzgutachten gemacht und | |
dann gesagt, dass wir das Ding schließen müssen“, berichtet Schulze. | |
Ob es wirklich so schlimm kommt, wird sich spätestens Mitte Januar | |
erweisen, da soll das Gutachten vorgelegt werden. Schulze klagt derweil | |
über die mangelnde Kommunikation auch innerhalb der Bezirksverwaltung – am | |
Ende wisse die eine Hand oft nicht, was die andere tut, und seit zwei | |
Wochen sei auch nicht mehr [4][Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne)], | |
sondern Schulstadtrat Andy Hehmke (SPD) für das bezirkliche Facility | |
Management zuständig. Wie auch immer: Vorläufig war für Schulze | |
„Weihnachten voll versaut. Die Vorstellung, dass wir dann in Coronazeiten | |
alle auf der Straße sitzen, ist widerlich. Ich kann das nur verdrängen.“ | |
29 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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