# taz.de -- Stau in Hamburg: Der Horror, den wir brauchen | |
> Hamburg liegt laut einer Studie auf Platz drei der staureichsten Städte. | |
> Das klingt aber schlimmer, als es ist. Wobei schlimm hier sogar gut wäre. | |
Bild: Sorgt für Stau: temporäre Sperrung in der Hamburger City | |
47 Stunden haben Hamburger Autofahrer*innen in diesem Jahr in Staus | |
verloren. Damit liegt Hamburg auf Platz drei der staureichsten Städte, | |
heißt es in einer Erhebung von Inrix, die am Dienstag vorgestellt wurde. | |
Inrix ist ein Unternehmen, das Verkehrsanalysen verkauft. | |
Das ist ein gefundenes Fressen [1][für Autofans] sowie | |
Regierungskritiker*innen. Die Opposition schießt in Sachen Verkehrspolitik | |
schon lange gegen den rot-grünen Senat: „Vorsätzliches Stauchaos beenden – | |
Bürgermeister muss grünen Verkehrssenator endlich stoppen“, [2][wetterte | |
die CDU Ende Oktober] und verlangte von Bürgermeister Peter Tschentscher | |
(SPD), dem „Treiben“ seines grünen Verkehrsministers Anjes Tjarks „ein | |
Ende“ zu setzen. Dabei ging es vor allem um den langsameren Verkehrsfluss | |
durch die zahlreichen Baustellen in Hamburg. Baustellen, die notwendig | |
sind, um Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern. | |
Nach [3][Veröffentlichung der Studie] schlug die FDP in die gleiche Kerbe | |
und forderte eine bessere Organisation der Baustellen. Aktuell schwöre ein | |
„überforderter“ Tjarks die Stadt auf „weitere staureiche Jahre ein“, j… | |
müsse Tschentscher ran. Denn Staus sorgten für eine hohe Umweltbelastung | |
und Frust. | |
Aber: So frustriert dürften die Hamburger*innen im Vergleich gar nicht | |
sein. Dicht an dicht tummeln sich direkt nach Hamburg kleinere Städte – die | |
Plätze eins und zwei dagegen sind weit voraus. Autofahrende in München und | |
Berlin stehen 79 und 65 Stunden im Stau. Zudem heißt Stau in der Studie | |
nicht Stillstand. Es geht lediglich darum, die Fahrtzeit in Stoßzeiten mit | |
anderen zu vergleichen und zu schauen: Wie viel langsamer ist ein Auto | |
eigentlich unterwegs? | |
Heißt auch: Je schneller nachts gefahren wird – auch illegalerweise – desto | |
mehr Staus gibt es auf dem Papier. Zumindest nach der Methodik von Inrix, | |
die unter anderem auf Mobilfunkdaten basiert. Beide Punkte hat [4][die Zeit | |
bereits treffend analysiert]. | |
## Stau ist umweltschädlich, aber Autofahren eben auch | |
Und selbst wenn die Schreihälse recht hätten. Gibt es überhaupt zu viel | |
Stau? Oder brauchen wir den Frust der Autofahrenden sogar? Klar, Stau ist | |
umweltschädlich. Aber Autofahren eben auch. Dazu noch relativ gefährlich | |
und ungesünder als Radfahren oder laufen. Trotzdem machen es die Menschen. | |
Sogar mit Stau. | |
Bei manchen ist der Frust vielleicht schon so hoch, dass das Auto auch mal | |
stehen gelassen oder abgeschafft wird. Aber im Durchschnitt scheint der | |
Grad der Genervtheit noch nicht hoch genug, damit Menschen umsteigen: Die | |
Zahl der in Hamburg zugelassenen Autos steigt immer weiter, Jahr für Jahr. | |
Gemessen an dem Ziel und dem Zeitdruck ist es hinzunehmen, dass durch Staus | |
kurzzeitig mehr Emissionen ausgestoßen werden, wenn dadurch der große | |
Wandel schneller voran geht. Leidensdruck ist (leider) etwas, das | |
Veränderung bewirken kann. Zwar nicht so lustvoll wie eine klare, | |
erstrebenswerte Vision es könnte – nur fehlt diese leider meist. | |
Natürlich ist es dabei wichtig, dass diejenigen, die auf ein Auto | |
angewiesen sind, bevorzugt werden, etwa bei der Parkplatzsuche: | |
Lieferant*innen, Handwerker*innen, Menschen mit eingeschränkter Mobilität. | |
Und auch, dass die Alternativen – Radwege [5][und Öffis] – besser werden. | |
Hier kommt die Politik ins Spiel. Hier darf vehement und emotional | |
gefordert werden. Denn hier geht es um die Etablierung eines | |
zukunftsfähigen System, von dem wir sicher wissen, dass wir es brauchen. | |
Wie selbstverständlich freie Fahrt für freie Menschen mit einem | |
klimaschädlichen Motor unterm Hintern zu fordern, [6][hat sich überlebt]. | |
7 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Verkehrsfrust-in-Berlin/!5794030 | |
[2] https://cduhh.de/thering-vorsaetzliches-stauchaos-beenden-buergermeister-mu… | |
[3] https://inrix.com/press-releases/2021-traffic-scorecard-de/ | |
[4] https://www.zeit.de/hamburg/2021-12/hamburg-strassenverkehr-ampelschaltung-… | |
[5] /Verkehrswende-in-Hamburg/!5805464 | |
[6] /Protest-gegen-Weiterbau-von-A20-und-A26/!5792701 | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
## TAGS | |
Verkehrswende | |
CDU Hamburg | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
FDP Hamburg | |
Stau | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Verkehrswende | |
Hamburg | |
Mobilität | |
A26 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verkehrswende in Deutschland: Rad ab in Aachen | |
An der niederländischen Grenze endet ein Radweg – aber nicht nur dort. | |
Aachen hat den Bürgern eine Fahrradstadt versprochen. Das Ergebnis | |
frustriert. | |
Tempo spart keine Fahrzeit: Lob der Langsamkeit | |
Warum wir mit Tempo 25 in der Stadt eher am Ziel sind – und sicherer, | |
klimafreundlicher, entspannter und gesünder sowieso. | |
Frei Parken für Lastenräder in Hamburg: „Rechtlich unstrittig“ | |
Lastenräder dürfen in Hamburg kostenlos auf der Straße oder dem | |
Seitenstreifen abgestellt werden – auch in Anwohnerparkgebieten. | |
Verkehrswende in Hamburg: In fünf Minuten kommt der Bus | |
Hamburg will den öffentlichen Nahverkehr bis 2030 massiv ausbauen. Das | |
Ziel: Niemand soll mehr auf den Fahrplan schauen müssen. | |
Protest gegen Weiterbau von A20 und A26: „Sinnloses Dinosaurier-Projekt“ | |
Auf beiden Seiten der Elbe gibt es Kritik am geplanten Weiterbau von A20 | |
und A26. Gegner*innen fordern eine Neubewertung aufgrund der Klimakrise. |