| # taz.de -- Luxusklasse im Nahverkehr: Klima- statt Klassenkampf | |
| > Irgendwann muss man sich entscheiden, ob die Stärkung des ÖPNV gegenüber | |
| > dem Auto funktioniert. Warum nicht mit Premiumangeboten? | |
| Bild: Würden sie für weichere Sitze einen Aufpreis zahlen? | |
| Über so etwas freuen sich viele MobilitätsaktivistInnen so sehr wie über | |
| selbst gestrickte Socken unterm Christbaum: Als der RBB pünktlich zum Fest | |
| über eine Studie berichtete, deren Autoren unter anderem die Einführung | |
| einer Art 1. Klasse im ÖPNV vorschlagen, ging es auf Twitter gleich hoch | |
| her: „Quatsch“, „Idiotenvorschläge“ oder „Schnapsidee“ hieß es da… | |
| wurde gefragt, ob das für „die zugezogenen Schwaben“ sei, und erklärt, | |
| Berlin sei „nicht St. Gallen“ und das Ganze – Twitters beliebtester | |
| Gratis-Diss – „auf so vielen Ebenen absurd“. | |
| Natürlich kann man solche Studien hinterfragen. Vieles, was auch diese | |
| konstatiert, ist nicht neu. Aber Untersuchungsergebnisse sind auch eine | |
| mediale Währung, und wenn ein solches Papier eine City-Maut anregt, um den | |
| Autoverkehr zu reduzieren und das Klima zu entlasten, kann das nur nützlich | |
| sein. | |
| Die Sache mit dem 2-Klassen-Nahverkehr rührt aber an noch tiefere | |
| Schichten. An verteidigenswerte Ideale sozialer Gerechtigkeit ebenso wie an | |
| ein über viele Jahrzehnte gepflegtes Bild Berlins als rotzig und rough, wo | |
| jeder Versuch, Busse und Bahnen als quasi-öffentliche Räume nicht mehr | |
| ausnahmslos jedem verfügbar zu machen, als spießbürgerlich abgetan wird. | |
| Aber irgendwann muss man sich halt entscheiden, ob die Stärkung des ÖPNV | |
| gegenüber dem Auto funktioniert, wenn Menschen im Nahverkehr nicht halbwegs | |
| kommod unterwegs sind. Und zwar immer mehr Menschen. Natürlich sind das | |
| auch subjektive Facetten, neben der gefühlten Sicherheit in Bahnhöfen oder | |
| Zügen etwa die Bequemlichkeit. | |
| Was bringen nun hochmoralische Argumente dagegen, dass einige gegen | |
| Aufpreis einen garantierten Sitzplatz bekämen, vielleicht auch etwas mehr | |
| Ruhe oder Beinfreiheit? Selbstverständlich dürfte die Schaffung solcher | |
| privilegierten Räume (in Fernzügen und auch in manchen S-Bahn-Netzen ganz | |
| normal) nicht mit einer Senkung des heutigen Standards für alle anderen | |
| einhergehen. | |
| Über all das lässt sich streiten. So zu tun, als bedeute der Vorschlag eine | |
| Schubumkehr in Richtung Feudalgesellschaft, bringt gar nichts. | |
| 26 Dec 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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