Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Coronazahlen in Deutschland: Trügerisches Hochplateau
> Seit Sonntag steigt die Zahl der Coronainfektionen nicht weiter an. Das
> ist kein Anlass zur Entwarnung. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer.
Bild: Und langsam stoßen die Labore an ihre Grenzen: Coronatest im Rhein-Siege…
Berlin taz | Im Süden Boliviens gibt es eine faszinierende Landschaft. Wenn
Busreisende dort aus dem Fenster schauen, sehen sie über Stunden nur
flaches Land. Nur ganz hinten am Horizont erkennt man ein paar Anhöhen. Es
wirkt ein wenig wie eine norddeutsche Tiefebene und man vergisst leicht,
dass man eigentlich im Gebirge ist – auf einem Hochplateau fast 4.000 Meter
über dem Meeresspiegel. Eine sehr karstige Gegend, hier wächst weder Baum
noch Strauch.
Ein ähnliches Phänomen gibt es [1][gerade in Deutschland zu besichtigen:]
bei der Fallzahl der Corona-Neuinfektionen. Schon seit Sonntag steigt sie
nicht mehr weiter an. Fast wirkt es so, als sei die Pandemie zum Stillstand
gekommen, als sei Besserung in Sicht. Aber man darf nicht vergessen, dass
wir uns weiter in einem Hochgebirge befinden.
Am Freitag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 74.352 registrierte
Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Der 7-Tage-Mittelwert sank damit ganz
leicht auf 57.341. Aber er liegt weiterhin sehr nah an dem Allzeithoch von
58.341, das am Sonntag erreicht wurde. Und rund 58.000 Neuinfizierte pro
Tag bedeutet eben auch, dass in den kommenden Wochen Tag für Tag im Schnitt
460 weitere Coronatote hinzukommen werden.
Die Pandemie ist zum Stillstand gekommen. Doch das ist alles andere als
beruhigend, geschweige denn Grund für eine Entwarnung. Denn hinzu kommt,
dass es auf dem Corona-Hochplateau tatsächlich noch Hügel, vielleicht sogar
Berge geben könnte. Wir sehen sie nur nicht.
## Labore und Ämter überlastet
Seit gut zwei Wochen meldet der Laborverband ALM, [2][dass die
PCR-Testlabore vielerorts ihre Kapazitätsgrenzen überschritten haben]. Sie
können also gar nicht mehr alle Fälle zeitnah bearbeiten. Es kommt zu
Verzögerungen bei der Registrierung der Neuinfektionen, die Dunkelziffer
steigt.
Ein ähnliches Phänomen ist inzwischen bei den Gesundheitsämtern zu sehen,
die die Fälle aufnehmen und die Zahlen an das RKI weiterleiten. Auch die
sind vielerorts mittlerweile völlig überlastet.
„Der starke Anstieg der 7-Tage-Inzidenz in den letzten Wochen hat sich in
der vergangenen Woche nicht fortgesetzt“, heißt es freudig [3][im am
Donnerstagabend veröffentlichten Wochenbericht des RKI]. Dies könne „ein
erster Hinweis auf eine sich leicht abschwächende Dynamik im
Transmissionsgeschehen aufgrund der deutlich intensivierten Maßnahmen zur
Kontaktreduzierung sein.“ Mit anderen Worten: die strengen Vorgaben an
Coronahotspots in Bayern und in anderen Bundesländern zeigen Wirkung. Auch
eine freiwillige Kontaktreduzierung der Vernünftigen könnte einen Effekt
haben.
Aber auch das RKI gibt zu bedenken, dass ein Teil des Stillstands „regional
auch auf die zunehmend überlasteten Kapazitäten im Öffentlichen
Gesundheitsdienst und die erschöpften Laborkapazitäten zurückzuführen“ se…
Das heißt: die Zahl der Neuinfektionen und die sich daraus errechnende
7-Tage-Inzidenz verlieren an Aussagekraft. Denn aktuell kann niemand genau
sagen, in welchem Maße die Infektionskurve noch das Infektionsgeschehen
abbildet.
## Die Zahl der Todesfälle steigt weiter
Umso wichtiger ist eine Analyse der weiteren Kurven, die die Pandemie
unverfälschter abbilden: die Zahl der Corona-Patient:innen in den Kliniken
und die der Coronatoten.
Letztere steigt weiter ungebrochen an. Am Freitag meldete das RKI 390 neue
Coronaopfer, [4][der 7-Tage-Mittelwert klettert auf 299]. Das sind gut 20
Prozent mehr als vor einer Woche. Und fast ein Viertel mehr als beim
Höchststand der 3. Welle im Frühjahr. Aber die Kurve der Todesfälle hinkt
der Fallkurve stets zwei bis drei Wochen hinterher. Für eine aktuelle
Beurteilung der Pandemie ist sie damit ungeeignet.
Aussagekräftiger ist da schon ein Blick auf die Patient:innenzahl in
den Kliniken. Und da zeichnet sich tatsächlich ein Hoffnungsschimmer ab.
Die sogenannte Hospitalisierungsrate wird vom RKI [5][am Freitag mit 5,52
angegeben]. Der absolute Wert ist äußerst problematisch, [6][weil er durch
Nachmeldungen stets noch um bis zu 100 Prozent hochkorrigiert werden muss].
Aber man kann zumindest daraus ablesen, dass die Zahl der neu aufgenommenen
Corona-Patient:innen nicht weiter steigt. Auch sie bewegt sich gerade seit
dem Wochenende auf einer Art Hochplateau.
Gleiches sieht man in den Intensivstationen. Zwar steigt die Gesamtzahl der
dort behandelten Corona-Patient:innen weiter stetig an. Stand Donnerstag
wurden 4.793 Menschen intensiv behandelt. Schon am kommenden Wochenende
könnte der Höchststand aus der 3. Welle übertroffen werden.
Hoffnung macht hier die Zahl der Neuaufnahmen. Die hatte sich im November
innerhalb von drei Wochen im Schnitt von 160 auf 320 pro Tag verdoppelt.
Aber seit dem letzten Wochenende stagniert auch sie auf diesem Niveau.
## Gesamtlage unverändert dramatisch
All dies ist kein Anlass zur Entwarnung. Denn Klinken, Labore und Behörden
sind vielerorts schon vollkommen überlastet. Und solange die Zahl der
Neuinfektionen und damit in der Folge die der Corona-Erkrankungen nicht
deutlich sinken, wird sich an der dramatischen Lage nichts ändern. Zudem
ist noch unabsehbar, welche Auswirkung die neue Omikron-Variante in
Deutschland haben wird.
Wenn man in Bolivien über das Hochplateau fährt, kommt man an der einen
Seite zu noch höher gelegenen Bergen. Und zum [7][Salar de Uyuni, dem
größten Salzsee der Welt]. Unwirtliche Gegenden, in denen gar nichts mehr
gedeiht.
In der anderen Richtung führen weite Serpentinen hinab in grüne Täler. Das
ist landschaftlich sehr reizvoll. Aber auch sie liegen immer noch in 3.000
Metern Höhe. Bis hinunter zum Meeresspiegel ist es noch weit. Sehr weit.
3 Dec 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/gereonas/status/1466679638147670017
[2] /Coronalage-in-Deutschland/!5813827
[3] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberi…
[4] https://twitter.com/gereonas/status/1466680744886120452
[5] https://twitter.com/gereonas/status/1466716218900066305
[6] /Bund-Laender-Beschluss-zu-Corona/!5816620
[7] /Lithiumgewinnung-in-Bolivien/!5709257
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Robert Koch-Institut
Bolivien
Reiseland Bolivien
GNS
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Corona-Impfbereitschaft steigt mit 2G: Auf den letzten Pikser
2G-Regeln schließen Ungeimpfte von vielen Lebensbereichen aus. Das
überzeugt nun doch noch einige – zu spät?
Corona und Weihnachtsmärkte: Getrübte Adventszeit
Hätte die Politik so vorausschauend agiert wie die Betreiber der
Weihnachtsmärkte, müsste es keine Einschränkungen geben. Die Händler trifft
es hart.
Nachrichten in der Coronakrise: Vierte Welle in Südafrika
Polen und Schweiz werden zu Hochrisikogebieten erklärt. In Südafrika steigt
die Inzidenz bei Kleinkindern. „Wellenbrecher“ wird zum „Wort des Jahres�…
2021.
Corona-Maßnahmen in Deutschland: Ungeimpfte müssen draußen bleiben
Bund und Länder beschließen Maßnahmen gegen das Infektionsgeschehen. Die
Impfpflicht ist jetzt kein Tabu mehr – nicht einmal bei der FDP.
Berliner Clubs wieder im Lockdown: Die Party ist zuende
Ab einer Inzidenz von 350 müssen Clubs wieder schließen, hat die
Bund-Länder-Runde beschlossen. Berlin liegt mit 361 knapp drüber.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.