# taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Chile: Liberalisierung gescheitert | |
> Das chilenische Abgeordnetenhaus hat gegen eine Legalisierung von | |
> Schwangerschaftsabbrüchen gestimmt. Einige Politiker blieben der | |
> Abstimmung fern. | |
Bild: Pro-Abtreibungsrecht Demonstrantinnen im September 2021 in Santiago de Ch… | |
BUENOS AIRES taz | In Chile ist die Liberalisierung des Abtreibungsrechts | |
überraschend gescheitert. Am Dienstag stimmte das Abgeordnetenhaus mit | |
knapper Mehrheit gegen das Gesetz zur Entkriminalisierung von | |
Schwangerschaftsabbrüchen. 65 Abgeordnete stimmten dagegen, 62 Abgeordnete | |
votierten dafür, eine Person enthielt sich. | |
Kernpunkt des Gesetzes ist die Legalisierung eines freiwilligen | |
Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der ersten 14 Schwangerschaftswochen. | |
Ende September hatte das Abgeordnetenhaus mit der Mehrheit der | |
Mitte-Links-Koalition „im Allgemeinen“ [1][für das Gesetz gestimmt]. Bei | |
der Abstimmung am Dienstag ging es um das Gesetz „im Einzelnen“. | |
Pikanterweise stimmten dabei nicht nur fünf Abgeordnete der oppositionellen | |
Mitte-Links-Koalition gemeinsam mit den Abgeordneten der rechten | |
Regierungsallianz gegen das Gesetz. Einige Abgeordnete der Opposition waren | |
erst gar nicht erschienen, darunter der linke Präsidentschaftskandidat | |
Gabriel Boric. | |
„Wir werden so oft es nötig ist verlieren, um eine freiwillige, legale und | |
kostenlose Abtreibung zu erreichen“, sagte die sichtlich enttäuschte | |
Abgeordnete Maite Orsini von der linken Revolución Democrática. Noch ist | |
unklar, wann das Gesetz dem Kongress erneut vorgelegt werden kann. Das | |
übliche Verfahren verlangt ein Jahr Pause. | |
Da das Abgeordnetenhaus der Gesetzesvorlage „im Allgemeinen“ jedoch | |
zugestimmt hat, könnte sich die Frist verkürzen. „Ich weiß nicht, wann wir | |
das Projekt wieder einbringen werden, aber ich verspreche, wir werden es zu | |
einem guten Ende bringen“, so Orsini. | |
## Abtreibungen als Wahlkampfthema | |
Bei den Rechten hingegen herrscht Zufriedenheit. [2][Präsident Sebastian | |
Piñera] hatte sich stets gegen das Vorhaben ausgesprochen, ebenso wie die | |
Abgeordneten seiner Regierungsallianz. „Die Frau hat das Recht auf ihren | |
Körper, aber das ungeborene Kind gehört nicht dazu“, begründete der | |
Abgeordneten Diego Schalper von der Renovación Nacional seine Neinstimme | |
und wurde noch deutlicher: „Nicht, weil Verbrechen im Ausland begangen | |
werden, möchte ich, dass sie auch in Chile begangen werden“, so Schalper | |
und bezog sich auf die Ende 2020 beschlossene [3][Liberalisierung des | |
Abtreibungsrechts im Nachbarland Argentinien]. | |
Welche Bedeutung das Thema Liberalisierung bis zur Stichwahl um das | |
Präsidentenamt am 19. Dezember gewinnen wird, ist offen. Klar ist, dass der | |
[4][rechtsextreme Kandidat José Antonio Kast] voll auf der Linie der | |
Abtreibungsgegner*innen liegt. Nicht ganz so einfach wird es der | |
linke Kandidat Gabriel Boric haben. Boric muss jetzt erklären, warum er als | |
Abgeordneter der Abstimmung im Plenum ferngeblieben war, nachdem er bei der | |
Sitzung im September noch für das Gesetz gestimmt hatte. | |
Chiles striktes Abtreibungsverbot war 2017 erstmals gelockert worden. | |
Seither sind Abbrüche erlaubt, wenn eine Gefahr für das Leben der Mutter | |
besteht, der Fötus keine Überlebenschance hat, oder die Schwangerschaft die | |
Folge einer Vergewaltigung ist. Ohne einen dieser Gründe droht Frauen und | |
den beteiligten Ärzt*innen für einen Schwangerschaftsabbruch bis zu fünf | |
Jahre Gefängnis. Nach den Angaben des Gesundheitsministeriums werden | |
dennoch jährlich bis zu 33.000 heimliche Abtreibungen vorgenommen. | |
Unabhängige Frauengruppen schätzen die Zahl der klandestinen Abbrüche auf | |
bis zu 70.000. | |
1 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Aktionstag-fuer-das-Recht-auf-Abtreibung/!5804833 | |
[2] /Verbrechen-gegen-die-Menschlichkeit/!5769228 | |
[3] /Argentinien-kippt-Abtreibungsverbot/!5740895 | |
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Chile/!5816857 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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