Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Senatswahlen in Chile: Die Mutige
> Fabiola Campillai kommt aus der Arbeiterschicht und erblindete nach
> einem Tränengaseinsatz der Polizei – jetzt zieht sie in den chilenischen
> Senat ein.
Bild: Für viele Menschen in Chile ist sie ein Symbol für Gerechtigkeit: Fabio…
Santiago de Chile taz | Fabiola Campillai wartete auf dem Weg zur Arbeit an
einer Haltestelle auf den Bus, als am 26. November 2019 eine
Tränengasgranate der chilenischen Militärpolizei Carabineros sie im Gesicht
traf. Sie erblindete vollständig und verlor Geruchs- und Geschmackssinn.
Bei den chilenischen Senatswahlen am Sonntag erhielt sie die meisten
Stimmen in der Región Metropolitana, der Region rund um die Hauptstadt
Santiago.
„Ich werde ein würdevolles Leben für unsere Bevölkerung verteidigen, die
Gesundheit und die Bildung, die unseren Kindern heute verweigert wird“,
sagte sie am Wahlabend im Radiosender BioBio.
„Ich kämpfe seit zwei Jahren für Gerechtigkeit und bis heute habe ich sie
nicht erhalten. Es muss Gerechtigkeit für uns geben, dafür werde ich mich
einsetzen“, sagte sie weiter. Campillai ist eine von über 460 Menschen, die
während den Protesten in Chile 2019 und 2020 von der Polizei teilweise oder
vollständig erblindet wurden.
Viele von ihnen können nicht mehr arbeiten und mussten sich verschulden, um
teure Augenoperationen bezahlen zu können. Die Regierung hat ihnen
keinerlei Hilfe zukommen lassen und die verantwortlichen Polizisten wurden
bis heute nicht verurteilt. Weder Vetreter der Regierung noch der
Carabineros haben Campillai kontaktiert, ums ich bei ihr zu entschuldigen.
## Eine Politikerin aus der Arbeiter*innenschicht
Patricio Maturana, der Polizist, der Campillai verletzte, hatte aus 50
Metern Entfernung auf sie geschossen. Einer Studie zufolge hatte die
Tränengasgranate eine Temperatur von etwa 200 Grad, als sie Campillai ins
Gesicht traf. Anstatt ihr zu helfen, verließen die Polizisten den Tatort.
Die Nachbarn mussten Campillai ins Krankenhaus bringen.
Maturana befindet sich zurzeit in Untersuchungshaft, während die
Ermittlungen gegen ihn laufen. Der [1][Rechtsextreme José Antonio] Kast,
der die meisten Stimmen bei den [2][Präsidentschaftswahlen] erhielt und
gegen den ehemaligen Studierendenführer Gabriel Boric in der Stichwahl im
Dezember antreten wird, hat sich mehrfach für die Freilassung des
Polizisten Maturana ausgesprochen.
Campillai kommt aus San Bernardo, einem Arbeiter*innenviertel am
Stadtrand von Santiago. Es ist eine der drei Stadtgemeinden mit den
höchsten Armutsraten der Region. Sie war einst Mitglied der freiwilligen
Feuerwehr, spielte Fußball, engagierte sich in ihrem Stadtviertel und
arbeitete in einer Fabrik des Lebensmittelherstellers Carozzi.
„Stellt euch vor, wie die Elite reagiert, wenn eine farbige Frau, eine
Arbeiterin, eine vom Staat Erblindete in den Senat einzieht“, hatte sie vor
ihrer Wahl zum Online-Medium Interferencia gesagt. Der chilenische Senat
ist traditionell elitär und konservativ geprägt und in dem
Zweikammerparlament die Kammer, die in der Vergangenheit häufig soziale
Reformen blockiert hat.
Campillai will sich für die Rechte der Arbeiter*innenschicht und die
Forderungen der Protestbewegung einsetzen: Ein gerechtes Bildungs- und
Gesundheitssystem, würdevolle Löhne und Renten. Mit der Wahl zur Senatorin
haben die Wähler*innen ihr ein kleines Stück Würde und Gerechtigkeit
gegeben, die die Regierung und die Polizei ihr genommen haben.
23 Nov 2021
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahlen-in-Chile/!5813972
[2] /Praesidentschaftswahl-in-Chile/!5816857
## AUTOREN
Sophia Boddenberg
## TAGS
Präsidentschaftswahl Chile
Sebastián Piñera
Polizeigewalt
Chile
Chile
Schwerpunkt Abtreibung
Chile
Iván Duque
Protest
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wahlausgang in Chile: Hoffnung schlägt Angst
Der einstige Student*innenführer Gabriel Boric hat die
Präsidentschaftswahl in Chile gewonnen. Das Ergebnis steht für das Ende
einer dunklen Ära.
Präsidentschaftswahl in Chile: Linker Boric siegt
Mit knapp 56 Prozent hat Gabriel Boric gegen den Rechtsextremen José
Antonio Kast gewonnen. Er schaffte es, etliche Nichtwähler zu mobilisieren.
Schwangerschaftsabbrüche in Chile: Liberalisierung gescheitert
Das chilenische Abgeordnetenhaus hat gegen eine Legalisierung von
Schwangerschaftsabbrüchen gestimmt. Einige Politiker blieben der Abstimmung
fern.
Präsidentschaftswahlen in Chile: Dämpfer für den Aufbruch
Die Stichwahl zwischen dem Linken Boric und dem Rechtspopulisten Kast ist
ein Wettrennen der Extreme. In jedem Fall droht Chile ein Stillstand.
Skandal um Polizeischule in Kolumbien: Feier mit Nazikostümen
An Kolumbiens Polizeischule sollte Internationalität demonstriert werden.
Das Gastland Deutschland wurde mit Nazi-Requisiten und Hitler begrüßt.
Präsidentschaftswahl in Chile: Links gegen ganz rechts
Bei der Präsidentschaftswahl in Chile hat der Rechtsextreme José Antonio
Kast die meisten Stimmen erhalten. Stichwahl ist im Dezember.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.