# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Chile: Dämpfer für den Aufbruch | |
> Die Stichwahl zwischen dem Linken Boric und dem Rechtspopulisten Kast ist | |
> ein Wettrennen der Extreme. In jedem Fall droht Chile ein Stillstand. | |
Bild: Unterstützer von José Antonio Kast feiern den Sieg | |
Das Ergebnis der ersten Runde der [1][chilenischen Präsidentschaftswahlen] | |
ist ernüchternd. Nach den Massenprotesten vor zwei Jahren und den Wahlen | |
zur Verfassunggebenden Versammlung von diesem Jahr schien alles darauf | |
hinzudeuten, dass die alte neoliberale Rechte mit Nähe zur | |
Pinochet-Diktatur wirklich endlich ausgedient habe. Und doch liegt jetzt | |
mit [2][José Antonio Kast] ausgerechnet ein durchaus extremer Vertreter | |
gerade dieser Linie zunächst in Führung. | |
Es liegt jetzt am linken Gegenkandidaten Gabriel Boric, bis zur Stichwahl | |
am 19. Dezember ein Bündnis zusammenzubekommen, das er selbst am Wahlabend | |
schon als „Allianz der Demokraten gegen die extreme Rechte“ betitelt hat. | |
Das wird ein in Teilen absurdes Wettrennen darum, vor wem die politische | |
Mitte mehr Angst hat: vor einem Boric, den Kast als Kommunisten bezeichnet | |
und ihm unterstellt, [3][Chile] auf die Spuren Kubas und Venezuelas setzen | |
zu wollen, oder vor einem Kast, der von sich selbst erklärt, das eigentlich | |
vollkommen diskreditierte neoliberale chilenische Modell aus Diktaturzeiten | |
sogar noch vertiefen zu wollen. | |
Wie auch immer das ausgeht: Von dem großen Aufbruch, der in Chile in den | |
letzten Jahren doch in greifbare Nähe zu rücken schien, ist das Land | |
offenbar weiter entfernt als vermutet. Sollte Boric am Ende nur mit knapper | |
Mehrheit gewinnen, sind seine politischen Handlungsspielräume gering. | |
Gewänne Kast, würde direkt aus dem Präsidentenpalast gegen die neue | |
Verfassung gearbeitet, die gleichzeitig im Entstehen ist. | |
Vieles an dieser Konstellation ist sehr spezifisch chilenisch, eines aber | |
nicht: Boric sah sich im Wahlkampf gleich mehrfach genötigt, sich von den | |
Präsidenten Nicaraguas und Venezuelas, Daniel Ortega und Nicolás Maduro, zu | |
distanzieren und sich zu demokratischer Rechtsstaatlichkeit zu bekennen. | |
Das selbsterklärte Linkssein dieser korrupt-autoritären Regierungen ist | |
toxisch für linke Positionen im Rest des Kontinents, auch für jene, die mit | |
den Ortegas, Maduros und Díaz-Canels wirklich nichts am Hut haben. | |
22 Nov 2021 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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