# taz.de -- Nach Brechmittelfolter in Bremen: Denkmal für Laye Condé | |
> 2005 starb der aus Sierra Leone geflüchtete Laye-Alama Condé infolge | |
> eines Brechmitteleinsatzes im Bremer Polizeigewahrsam. Ein Denkmal wird | |
> kommen. | |
Bild: Gedenken an Laye Condé genau zehn Jahre nach seinem Tod im Januar 2015 i… | |
BREMEN taz | Der Tod von Laye-Alama Condé ist fast 16 Jahre her, doch erst | |
vor einem Jahr stimmte die Bremische Bürgerschaft dafür, ein Mahnmal für | |
Condé und die anderen Opfer von Brechmittelfolter zu schaffen. [1][SPD, | |
Grüne und Linke] hatten das Vorhaben bereits in ihrem Koalitionsvertrag | |
festgehalten. Selbstverständlich ist das noch immer nicht – auch in Bremen | |
hatte der Fall zunächst nur die Unfähigkeit offenbart, Fehler | |
einzugestehen. | |
Der aus Sierra Leone geflüchtete Laye-Alama Condé wurde Ende Dezember 2004 | |
verdächtigt, mit Drogen zu dealen. In Polizeigewahrsam fesselte man ihn und | |
flößte ihm über eine Nasensonde zwangsweise Brechmittel ein, dazu jede | |
Menge Wasser. Die Prozedur ging sogar weiter, als Condé schon einige | |
verschluckte Drogen erbrochen und das Bewusstsein verloren hatte. Er fiel | |
ins Koma und starb Anfang Januar 2005 – er ertrank, sagten die Ärzte. 2006 | |
verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diese Praxis als | |
Verstoß gegen das Folterverbot. | |
Ein Prozess gegen den verantwortlichen Arzt endete zweimal mit Freispruch, | |
zweimal wurde dieser vom Bundesgerichtshof kassiert. Die [2][dritte Auflage | |
wurde 2013 eingestellt]. Im letzten Verfahren hatte der langjährige Bremer | |
Bürgermeister Henning Scherf ausgesagt, die Praxis sei „strafrechtlicher | |
und beweissichernder Alltag“ gewesen. Zudem habe er nichts von möglichen | |
Problemen beim Einsatz von Brechmitteln gewusst. Für letztere Aussage | |
zeigte ihn die Initiative im Gedenken an Laye-Alama Condé an – das | |
Verfahren wurde eingestellt. | |
Scherf hatte als Justizsenator 1992 die rechtliche Grundlage für die | |
Brechmittelpraxis geschaffen; als Condé starb, war er schon Bürgermeister. | |
Vier Jahre nach seiner Aussage vor Gericht [3][zeigte er dann doch Reue]: | |
Anfang 2017 sagte er: „Ich fühle mich schuldig, dass ich den Tod dieses | |
Menschen möglich gemacht oder zumindest dieses Verfahren gerechtfertigt | |
habe.“ | |
## Der Polizeipräsident arbeitet den Fall auf | |
Auch bei der Bremer Polizei tat sich schließlich was: Lutz Müller, der von | |
2012 bis 2021 Polizeipräsident war, entschuldigte sich 2014 für seine | |
Institution und stieß eine Aufarbeitung an. Er hängte zudem ein Portrait | |
von Condé in sein Büro. „So wurde bei jeder Besprechung, bei Dienstjubiläen | |
und Verabschiedungen oft über Condé gesprochen“, sagte er im Sommer [4][im | |
Interview mit der taz]. „Es war nicht einfach, in der Polizei über den | |
Brechmitteleinsatz zu sprechen. Aber ich war es leid, am Jahrestag seines | |
Todes zu der Kundgebung zu gehen, auf der wir als Rassisten und Mörder | |
beschimpft wurden.“ | |
Der größte Druck auf dem Weg zum Denkmal kam wohl aus der Zivilbevölkerung, | |
die beharrlich eben jene Kundgebungen organisierte. „Der Initiative und | |
Einzelpersonen haben wir das zu verdanken, die sind da 16 Jahre lang | |
drangeblieben“, sagt Kai Wargalla, kulturpolitische Sprecherin der | |
Grünen-Fraktion. | |
Nur die CDU im Stadtteilbeirat Bremen-Mitte ist nicht sonderlich begeistert | |
von den Plänen: Im Juni stimmte sie gegen den Standort für das Mahnmal; ein | |
CDUler sagte [5][laut Weser Kurier], dass ein „Denkmal für einen | |
Drogendealer“ unnötig polarisiere und Misstrauen gegenüber Polizei und | |
Justiz schüre. „Von dem Framing rücken die leider nicht ab“, sagt Wargall… | |
Der Ort für das Mahnmal steht seitdem: Es soll neben dem | |
Gerhard-Marcks-Haus in der Innenstadt aufgestellt werden, in Sichtweite | |
einer großen Polizeiwache. Seit dem Bürgerschaftsbeschluss haben sich der | |
Landesbeirat für Kunst im öffentlichem Raum, die Initiative und auch der | |
Stadtteilbeirat mehrmals getroffen, sagt Wargalla; dabei sei man von | |
Wissenschaftler*innen und Künstler*innen beraten worden. „Es wird | |
ja jetzt nicht einfach gebaut. Wir wollen, dass das Projekt von der | |
Gesellschaft getragen wird.“ | |
Man habe sich inzwischen entschieden, nicht nur das Denkmal selbst | |
öffentlich auszuschreiben, sondern auch die Auswahlkommission. „Schon in | |
diesem Schritt wollen wir Beteiligung schaffen von Menschen, die Expertise | |
haben, die wir gar nicht mitbringen und ein Verständnis, das wir aus | |
unserer privilegierten Perspektive gar nicht haben können.“ Anfang nächsten | |
Jahres solle die Auswahl für die Kommission starten. Bis das Kunstwerk | |
steht, dauere es sicherlich noch ein Jahr. | |
13 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Mahnmal-fuer-Laye-Conde/!5693524 | |
[2] /Bremer-Brechmittel-Prozess/!5055796 | |
[3] /Fehler-eingestanden/!5368709 | |
[4] /Frueherer-Polizeichef-ueber-Fehlerkultur/!5789096 | |
[5] https://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteil-mitte/conde-gedenkort-beirat-s… | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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