# taz.de -- Früherer Polizeichef über Fehlerkultur: „Racial Profiling darf … | |
> Lutz Müller wollte als Polizeichef Diversität, Transparenz und eine | |
> Fehlerkultur etablieren. Ein Gespräch über seine Amtszeit, Polarisierung | |
> und Korpsgeist. | |
Bild: „Ob ich der Good Cop bin, das müssen andere beurteilen“, sagt Lutz M… | |
taz: Herr Müller, Sie stehen für die Idee einer fortschrittlichen Polizei. | |
Sind Sie der Good Cop? | |
Lutz Müller: Ob ich der Good Cop bin, auch im Vergleich zu anderen | |
Führungskräften, das weiß ich nicht. Das müssen andere beurteilen. Ich weiß | |
aber sicher, was mein Kompass ist. | |
Vor gut einem Jahr gab es Streit über [1][eine taz-Kolumne um die Polizei]. | |
Haben Sie das Gefühl, wir haben noch eine Rechnung offen? | |
Die taz macht es einem nicht immer leicht, sie zu mögen, zumindest wenn man | |
für eine Institution steht wie die Polizei. Die taz wird ihre Linie ja auch | |
nicht verlassen, sondern so bleiben, wie sie ist, und das ist ja auch okay. | |
Aber der Verweis auf Satire scheint manchmal auch ein einfacher Versuch, | |
gewagte Positionen zu vertreten, die man nachher nicht wieder geraderücken | |
will. | |
Sie haben sich selbst schon mal beim Presserat über die taz beschwert wegen | |
einer Anspielung auf das Akronym ACAB („All Cops are Bastards“). Es ging um | |
ein Foto von vier Polizisten an einem Eisstand, darunter stand: „Welche | |
Kugeln hier bestellt werden? Acht Cookie, Acht Banane?“ | |
Wissen Sie was: Im Nachhinein fand ich das auch übertrieben. | |
Was? | |
Meine Beschwerde. Man lernt ja auch mit der Zeit, bestimmte Dinge | |
hinzunehmen, die man nicht ändern kann. Warum die taz in regelmäßigen | |
Abständen einen ganzen Berufsstand diskreditiert, erschließt sich mir | |
allerdings bis heute nicht. | |
Nehmen Sie eine stärkere Polarisierung gegenüber der Polizei wahr? | |
Ich merke generell in der Gesellschaft, dass es immer platter wird. Es | |
werden viel häufiger Schwarzweißpositionen bezogen, auch im Umgang mit der | |
Polizei. Uns hilft es nicht – weder wenn wir über den grünen Klee gelobt | |
werden, noch wenn wir mit übelsten Beschimpfungen versehen werden. Wir | |
müssen als Gesellschaft eher herausfinden, was wir von unserer Polizei | |
erwarten. | |
Welche Rolle spielt dabei das Internet? | |
Diese Kultur in sozialen Netzwerken, auf Stammtisch zu machen, sich nicht | |
mehr die Mühe zu machen, sich mit Themen inhaltlich auseinanderzusetzen, | |
das ist eine Herausforderung. Wir stellen das ja auch in der Coronadebatte | |
mit den Querdenker-Diskussionen fest: Wenn das die Grundlage eines | |
gesellschaftlichen Diskurses ist, dann müssen wir uns warm anziehen. Das | |
Problem ist, dass der kleinste gemeinsame Nenner immer kleiner wird. Diesen | |
gemeinsamen Nenner braucht aber eine Gesellschaft, um zusammenzuhalten. Es | |
gibt immer mehr Gruppen, die darauf pochen, ihre Interessen um jeden Preis | |
durchzusetzen oder Gehör zu finden. | |
Angehenden Polizistinnen und Polizisten sagten Sie, dass die Polizei die | |
größte Menschenrechtsorganisation der Stadt sei. | |
Genau, qua Verfassung. | |
Viele Linke und Migrant:innen nehmen die Polizei als das Gegenteil wahr. | |
Sie misstrauen ihr. | |
Aber wie passt das zum letzten Migrationsbericht? Demnach ist das Vertrauen | |
in die Polizei bei Menschen, die eine Fluchterfahrung haben, sogar noch ein | |
bisschen besser ausgeprägt als bei denen, die hier über einen längeren | |
Zeitraum schon sozialisiert sind. Ich bin regelmäßig in den afrikanischen | |
Gemeinden, den muslimischen Gemeinden unterwegs, bei den Orthodoxen. Ich | |
nehme nicht wahr, dass es ein ausgeprägtes Misstrauen gäbe. | |
Wirklich nicht? | |
Viele, die polizeiliche Arbeit bewerten, haben mit der Polizei noch gar | |
nichts zu tun gehabt. Und das ist die eigentliche Problematik. Viele haben | |
ihr Bild aus den Medien. Bürgerbefragungen belegen: Die Bevölkerung hat ein | |
gewisses Grundvertrauen in die polizeiliche Arbeit. Es gibt ungebrochen | |
viele Bewerberinnen und Bewerber, die zur Polizei wollen. Es muss also | |
etwas Positives geben, das man mit der Polizei verbindet. Das heißt aber | |
nicht, dass wir nicht trotzdem ständig daran arbeiten müssen, die | |
Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen. Allerdings gibt es eben auch | |
Menschen, die sagen: Wir wollen gar keine Polizei. | |
Nehmen Sie diese Forderung ernst? | |
Nein. Also: Ich würde mir natürlich auch wünschen, dass wir ohne Polizei | |
auskommen. Da bin ich auch noch Idealist. Aber ich bin sehr sicher, dass | |
ein Gemeinwesen nur funktioniert, wenn es auch jemanden gibt, der so eine | |
Rolle spielt wie ein Schiedsrichter, oder jemanden, der dafür sorgt, dass | |
die Regeln eingehalten werden. So weit sind wir als Gesellschaft leider | |
nicht, dass wir das weitestgehend selbst managen könnten. Ich glaube sogar, | |
dass wir da schon mal weiter waren und es eher schwieriger wird. | |
Gibt es Racial Profiling bei der Polizei? | |
Ich würde sagen, dass Polizistinnen und Polizisten, die häufig mit | |
schwierigen und gewaltgeprägten Menschen und Einsatzsituationen zu tun | |
haben, anfällig für eine vorurteilsgeprägte Arbeit sind und wir uns damit | |
konsequent auseinandersetzen müssen. | |
Darf Hautfarbe ein Merkmal für eine Kontrolle sein? | |
Natürlich nicht. Wenn es eben nicht das Verhalten eines Menschen ist, | |
welches die Kontrolle hervorruft, sondern nur die Hautfarbe, dann ist es | |
Racial Profiling. Das darf es nicht geben. Wir haben das Thema in den | |
letzten Jahren im Rahmen von Fachtagen mehrfach bearbeitet, und ich glaube | |
schon, dass zum Beispiel die afrikanische Community in Bremen die | |
Bemühungen der Polizei positiv würdigt und das Spannungsfeld zum Beispiel | |
bei der Bekämpfung des offenen Drogenhandels, der sich überwiegend in der | |
Hand von Menschen mit Migrationshintergrund befindet, erkennt. Aber es gibt | |
auch Kritik, wenn Mitglieder der Community, die auf dem Weg zur Uni, zur | |
Arbeit oder zum Einkaufen ausgerechnet durchs Bremer Steintorviertel | |
müssen, dort kontrolliert werden. Das muss bearbeitet werden. | |
Sie wurden kürzlich als Polizeipräsident verabschiedet. In Ihre Amtszeit | |
fällt das Bemühen um die Aufklärung des Todes von Laye-Alama Condé. Er | |
starb 2005 an den Folgen eines Brechmitteleinsatzes durch die Polizei. Eine | |
Praxis, die jahrelang in Bremen angewandt wurde … | |
… es ging darum, jemanden, der Drogenpäckchen runterschluckt, per | |
Brechmittel dazu zu nötigen, genau dieses Beweismittel auszubrechen, um ein | |
Ermittlungsverfahren führen zu können. | |
Jahrelang wurde sich einer offiziellen Aufarbeitung versperrt. Sie haben | |
ein Porträt von Condé in Ihren Räumen aufgehängt. Wieso? | |
Laye-Alama Condé ist für mich eine Mahnung. Es war nicht einfach, in der | |
Polizei über den Brechmitteleinsatz zu sprechen. Aber ich war es leid, am | |
Jahrestag seines Todes zu der Kundgebung zu gehen, auf der wir als | |
Rassisten und Mörder beschimpft wurden. Ich wollte wissen, was eigentlich | |
unsere Haltung zum Tod von Laye-Alama Condé ist. Auch für Polizisten, die | |
an Brechmitteleinsätzen beteiligt waren, war es nicht einfach, sich jetzt – | |
angestoßen durch den Polizeipräsidenten – mit der Frage | |
auseinanderzusetzen. | |
Hatten Sie bei der Aufarbeitung viel Gegenwind? | |
Nein. Es gab zwar keine offensive Unterstützung dafür, aber eine hohe | |
Akzeptanz. Ich habe mich damals für die Polizei entschuldigt und noch mal | |
deutlich gemacht, dass in polizeilicher Obhut kein Mensch zu Schaden kommen | |
darf. Das muss die oberste Maxime sein. Es ist aber jemand zu Schaden | |
gekommen und wir waren dafür zuständig. Ich habe also zu Diskussionen | |
eingeladen, wir haben gemeinsam mit der Innenbehörde zur Aufarbeitung eine | |
Broschüre herausgegeben, und das Bild von Laye-Alama Condé habe ich in mein | |
Büro gehängt. So wurde bei jeder Besprechung, die wir gemacht haben, bei | |
Dienstjubiläen und Verabschiedungen, oft über Condé beziehungsweise den | |
Brechmitteleinsatz gesprochen. Bisweilen fühlten sich Kolleginnen und | |
Kollegen instrumentalisiert. | |
Inwiefern instrumentalisiert? | |
Die Polizei muss einerseits häufig als Puffer für das herhalten, was | |
Menschen am System oder an politischen Entscheidungen nicht gut finden. Auf | |
der anderen Seite müssen wir Gesetze vollziehen und Aufträge ausführen. | |
Was war der Auftrag? | |
Wir hatten damals eine sehr schwierige, offene Drogenszene im Bremer | |
Steintorviertel. Es gab relativ hilflose Versuche, dessen Herr zu werden. | |
Der Bremer Senat hat damals entschieden, dass man die Verabreichung von | |
Brechmitteln als Mittel zur Drogenbekämpfung einsetzen kann. | |
Auch in Hamburg, damals war Olaf Scholz Innensenator, kam 2001 ein Mensch | |
durch einen Brechmitteleinsatz ums Leben: Achidi John. Der Europäische | |
Gerichtshof für Menschenrechte beurteilte die zwangsweise | |
Brechmittelvergabe 2006 als Verstoß gegen das Folterverbot. | |
Der Vorwurf war, und das ist nicht von der Hand zu weisen, dass der | |
Brechmitteleinsatz selbst abschrecken sollte. Das ist an sich schon | |
menschenunwürdig. Laye-Alama Condé ist nach mehreren Versuchen, ihm | |
Brechmittel zu verabreichen, an der Flüssigkeit, die ihm zusätzlich | |
eingeführt wurde, ertrunken. Wenn man diese Geschichte Revue passieren | |
lässt, graust es mir, und es ist klar, dass so etwas nicht sein darf. Ich | |
verstehe die Polizeiarbeit anders: Man muss wissen, wann man aufhören muss. | |
Da geht es um Unverhältnismäßigkeit und darum, dass man erkennt, dass | |
jemand Schäden erleiden wird. | |
In Bremen soll für Laye-Alama Condé und andere Opfer von | |
Brechmitteleinsätzen nun ein Gedenkort entstehen. In der Politik gab es | |
Vorbehalte, das sei ein Denkmal für einen Dealer … | |
Da fängt die Geschichte ja schon an … Es gibt gar keinen Beweis dafür, dass | |
er gedealt hat. Und selbst wenn er ein Dealer gewesen wäre, hätte das nicht | |
passieren dürfen. Ich finde, es wird für alles Mögliche ein Denkmal | |
gesetzt. Sein Tod und der unwürdige Brechmitteleinsatz sind Teil der | |
Geschichte unserer Stadt. Wenn man sieht, wie schwer Bremen sich bei der | |
Aufarbeitung getan hat, dann war das mangelnde Fehlerkultur. Da brauchte es | |
erst eine ehrenamtliche Initiative, die Initiative in Gedenken an den Tod | |
von Laye-Alama Condé, die sich über Jahre dafür eingesetzt hat, dass es | |
eine vernünftige Aufarbeitung gibt, und der Staatsapparat verhielt sich da | |
zurückhaltend und versuchte, keinen Deut preiszugeben. Das zeugt nicht von | |
Größe und Haltung. | |
Es gibt erneut Diskussionen über einen Todesfall in Bremen. Mohamed | |
Idrissi, ein psychisch kranker Mann, der ein Messer in der Hand hatte, | |
starb im Juni 2020 durch die Schüsse eines Polizisten. Initiativen und | |
Angehörige [2][sprechen von Mord und haben die Wiederaufnahme der | |
Ermittlungen erwirkt]. Ist aus Ihrer Sicht bei dem Einsatz etwas falsch | |
gelaufen? | |
Ein ganz anderer Sachverhalt. Noch läuft das Verfahren, deswegen werde ich | |
mich dazu jetzt nicht äußern. Aber für jeden Einsatz und jede Maßnahme | |
gilt: War die Maßnahme notwendig, hätte es andere, mildere Möglichkeiten | |
gegeben, war sie verhältnismäßig? Es ist auf jeden Fall eine Situation, die | |
man so ohne Weiteres nicht beurteilen sollte. Das will ich allen | |
Außenstehenden nahelegen. Aber: Wir haben als Polizei das Gewaltmonopol, | |
wir unterliegen mit unserem Handeln noch strengeren Regeln als die normale | |
Bevölkerung. | |
Beim Todesfall von Mohamed Idrissi gibt es den Vorwurf, die Polizisten | |
hätten ihm nach den Schüssen keine Erste Hilfe geleistet. Und es besteht | |
die Frage, warum von den Polizisten mit dem Einsatz nicht auf den Sozialen | |
Krisendienst gewartet wurde? | |
Überlassen wir die Klärung der Details bitte den Ermittlungen. Im Einsatz | |
geht man von Annahmen aus, und man muss sich genau überlegen: Was ist jetzt | |
das größere Risiko? Nicht zu handeln oder jetzt zu handeln? Was vollkommen | |
unterschätzt wird, ist, dass wir durch die Reform im Umgang mit psychisch | |
Kranken und dem Abbau von Behandlungsstellen sehr viele Menschen haben, die | |
eben nicht rational handeln, mit denen wir aber regelmäßig zu tun haben. Wo | |
wir Tötungsdelikte im familiären Umfeld haben, weil Menschen plötzlich | |
psychotisch ausgetickt sind, weil sie beispielsweise ihre Tabletten nicht | |
genommen haben. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte treffen leider fast | |
jeden Tag auf solche Situationen, werden dabei in ihrer Gesundheit oder im | |
Leben bedroht und müssen häufig sofort weitreichende Entscheidung treffen. | |
Nach dem [3][Tod von George Floyd] wird in den USA in einigen Städten der | |
Ansatz verfolgt, vermehrt Sozialarbeiter statt Polizisten zu Einsätzen zu | |
schicken. Wie sehen Sie das? | |
Nun, die Polizei ist aktuell der Außendienst der Gesellschaft. Es gibt kaum | |
einen Bereich, der rund um die Uhr verfügbar ist und dann auch | |
Erstmaßnahmen treffen muss. Wir haben ja viele Bereiche der öffentlichen | |
Verwaltungen in den letzten 30 Jahren so zurückgebaut, dass man außerhalb | |
der normalen Geschäftszeiten keinen mehr erreicht. Wenn der Ansatz mit | |
Fachdiensten erfolgreich ist, dann sollte man das auch eher ausbauen und | |
nicht immer der Polizei überlassen, Lösungen zu finden. | |
Mittlerweile wurde in Bremen die Einführung einer unabhängigen | |
Polizeibeauftragten beschlossen. Sie haben die Forderung schon vor Jahren | |
unterstützt. Wieso? | |
Noch lieber wäre es mir, wenn es überhaupt keine Scheu gäbe, sich an die | |
Polizei zu wenden. Aber wenn es Menschen gibt, die Hemmungen haben oder | |
unsicher sind, kann eine solche Stelle helfen. Ich möchte, dass alle, die | |
Hilfe benötigen oder sich über polizeiliche Maßnahmen beschweren wollen, | |
einen möglichst unkomplizierten Zugang finden. Die Polizei braucht vor dem | |
Polizeibeauftragten keine Angst zu haben, ebenso wenig wie vor einer | |
Kennzeichnungspflicht oder einer Studie über Einstellungen bei der Polizei. | |
Die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen kann uns nur helfen, besser zu | |
werden. | |
Warum sind Sie zur Polizei gegangen? | |
Auf die Idee kam ich durch ein Gespräch mit Holger Münch, meinem Vorgänger | |
und dem heutigen BKA-Präsidenten. Wir kennen uns schon seit der Schulzeit, | |
und er hat vor mir bei der Polizei angefangen. Anfang 1981 haben wir | |
intensiv über die Polizeiarbeit gesprochen, und er hat mich neugierig | |
gemacht, aber auch eine gewisse Sinnhaftigkeit vermittelt. Damals wusste | |
ich noch nicht so richtig, wo die Reise für mich hingeht, und lag darüber | |
noch im Clinch mit meinen Eltern. Es gab auch noch einen zweiten Grund: Ich | |
wollte nicht zur Bundeswehr. Drei Jahre Polizeidienst wurden damals | |
gleichgesetzt mit dem Wehrdienst, den ich sonst hätte absolvieren müssen. | |
Sie wollten nicht zur Bundeswehr? | |
Ich hatte ein diffuses Bild von dem, was im Wehrdienst gemacht wurde. Aus | |
Schilderungen hatte ich den Eindruck, dass es eine verschenkte Zeit ist. | |
Das war keine besondere Ablehnung der Bundeswehr gegenüber oder gegen den | |
Dienst an der Waffe. Ich konnte damit einfach nichts anfangen. | |
Wie ging es zu Ihrer Zeit auf der Polizeischule zu? | |
In der praktischen Arbeit war das sehr stark an bundeswehrähnlichen | |
Elementen orientiert. Wir sind viel marschiert, schön durchs | |
Naturschutzgebiet. Wir haben gelernt, Leitern an die Wand zu stellen oder | |
Verkehrskontrollen durchgespielt. Das war die Vorbereitung auf die | |
Tätigkeit im Streifenwagen. Sollte es zumindest sein. Die Frage, wie ich | |
angemessen mit Bürgerinnen und Bürgern umgehe oder Konfliktsituationen | |
meistere, kam nach meiner Überzeugung deutlich zu kurz. In meiner | |
Wahrnehmung ist die heutige Generation von Polizistinnen und Polizisten | |
stressresistenter und deutlich besser vorbereitet auf das, was sie im | |
täglichen Dienst erwartet, als es meine Generation war. | |
Wann hat sich das verbessert? | |
Ich wurde 1981 eingestellt, 1987 wurden die ersten Frauen eingestellt. Das | |
hat man zum Anlass genommen, die Polizei-Ausbildung komplett auf den Kopf | |
zu stellen, und das war auch gut so. 2000 wurde aus der klassischen | |
Berufsausbildung ein Bachelor-Studium mit einem vollkommen überarbeiteten | |
Curriculum. Danach gab es ständig weitere Optimierungen. | |
Ab wann wollten Sie die Polizei verändern? | |
Das hat mich schon immer angetrieben. Schon als ich angefangen habe, dachte | |
ich: Da muss sich etwas ändern, die Gesellschaft ist weiter als die | |
Polizei. Eigentlich war meine 40-jährige Dienstzeit geprägt von dem Willen, | |
zu gestalten und möglichst besser zu werden. | |
Was haben Sie erreicht? | |
Das müssen andere beurteilen. Mir war immer sehr wichtig, dass wir offen | |
mit Fehlern umgehen und aus ihnen lernen – das ist für mich | |
Professionalität. Das ist in so einem so großen Apparat, der sich aufgrund | |
seiner Größe und der Vielfältigkeit der Aufgaben auch selbst genügen kann, | |
immer eine Herausforderung. Weitere Punkte sind für mich Empathie und | |
Bürgerorientierung. Wir sind für andere da und müssen uns an den | |
Erwartungen der Bevölkerung orientieren. Aus meiner Wahrnehmung heraus muss | |
die Polizei Bremen sich nicht verstecken. Aber es gibt noch genug zu tun, | |
immer wieder aufs Neue. | |
Sie sprechen von Fehlerkultur. Gilt es nicht in der Polizei schnell als | |
Nestbeschmutzung, wer Kritik äußert? | |
Ich will das nicht kleinreden. Polizisten und Polizistinnen sind in vielen | |
Situationen darauf angewiesen, dass sie sich gegenseitig schützen. Das sind | |
Gefahrengemeinschaften, und dieser Gedanke, dass man voneinander abhängig | |
ist, der spielt natürlich auch in der Frage eine Rolle, wie man | |
Fehlverhalten wahrnimmt. | |
Muss man etwas gegen diesen Korpsgeist tun? | |
Es ist gut, den Kolleginnen und Kollegen da eine Hilfestellung zu geben. | |
Das eine ist Kollegialität: Die ist gewünscht, und wir brauchen den | |
Teamzusammenhalt. Aber wenn Dinge nicht gut laufen, Einzelne übers Ziel | |
hinausgeschossen sind oder sich auch bewusst falsch verhalten haben, dann | |
gehört das genauso mit auf die Agenda. Alles andere wäre unprofessionell | |
und schadet denen, die das dulden oder verschleiern. Das ist der Weg, den | |
ich versucht habe zu prägen. Für mich gehört das zu einer professionellen | |
Polizeiarbeit. | |
7 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584 | |
[2] /Ermittlungen-im-Fall-Mohammed-Idrissi/!5770406 | |
[3] /George-Floyd/!t5689277 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Polizei | |
Gewaltmonopol | |
Bremen | |
Laye Condé | |
GNS | |
Polizei Bremen | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
SPD Hamburg | |
Olaf Scholz | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Polizei Berlin | |
Laye Condé | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Erinnerung an Bremer Brechmittel-Opfer: Langsam mahlende Gedenk-Mühlen | |
Mit einem Denkmal soll in Bremen an das Brechmittel-Todesopfer Laye Alama | |
Condé erinnert werden. Künstler*innen können nun ihr Interesse bekunden. | |
Betroffene gegen Racial Profiling: Gegenkontrolle | |
Während die Polizei noch diskutiert, ob Racial Profiling existiert, | |
entwickeln Betroffene Strategien dagegen. Auf der Straße und in | |
Parlamenten. | |
Prozess um Racial Profiling: Es ist erbärmlich | |
Für Hamburgs Innenbehörde ist Fehlerkultur ein Fremdwort. Das zeigt die | |
eingelegte Berufung gegen die Feststellung zweier rechtswidriger | |
Kontrollen. | |
Hamburger Folteropfer Achidi John: Verdrängt und vergessen | |
Am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg verstarb 2001 ein 19-Jähriger | |
nach dem Einsatz von Brechmitteln. Bis heute gibt es keine Aufarbeitung. | |
Jeff Kwasi Klein über Cop Culture: „Die Hemmschwelle scheint niedriger“ | |
„Schwarze Lebensrealitäten und die Berliner Polizei“ heißt der neue Beric… | |
des Berliner Vereins EOTO. Jeff Kwasi Klein hat daran mitgearbeitet. | |
Unabhängiger Polizeibeauftragter: „Es braucht Fingerspitzengefühl“ | |
Berlin sucht hinter den Kulissen nach einem Polizeibeauftragten. | |
Transparenz wäre sinnvoller, sagt Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes. | |
Tod nach Brechmittel-Einsatz: Polizei zeigt Reue | |
Mit einer neuen Broschüre will die Polizei Bremen intern den Tod Laye | |
Condés aufarbeiten – nach neun Jahren das erste offizielle Bekenntnis zur | |
Reue. |