# taz.de -- Arbeitsstelle Sportplatz: Auf einsamem Posten | |
> Detlev Meyer ist Platzwart auf dem Sportplatz am Hammer Steindamm in | |
> Hamburg-Hamm. Er hat einen konfliktreichen Job. | |
Bild: Der Mann vom Hammer Steindamm: Detlev Meyer | |
Hamburg taz | Das Reich von Detlev Meyer ist umgeben von Stacheldrahtzaun. | |
Wenn Schäden auftreten, etwa bei einem unbefugten Betretungsversuch, wird | |
der Zaun wieder geflickt, wie sich an einigen Stellen sehen lässt. Hier | |
herein, ganz klar, soll nicht einfach jeder kommen, wie er will. Hier | |
herein geht es nur durch das Eingangstor, und neben dem residiert Detlev | |
Meyer. | |
Von seinem Büro im Erdgeschoss aus hat er alles im Blick: die große | |
Rasenfläche mit den umgelegten Fußballtoren, die sechs Masten mit den alten | |
Flutlichtscheinwerfern, die Tartanbahn, auf der die Laufenden sogar an | |
einem kalten Tag wie diesem ihre Runden drehen, der runde Käfig für die | |
Diskuswerfer ganz hinten auf dem Rasen, die Sandgrube für den Weitsprung | |
vorne neben dem Eingang, direkt vor der überdachten Zuschauertribüne, durch | |
die jetzt der Wind pfeift, aber es ist ja auch keiner da jetzt. Der Platz | |
ist überhaupt ziemlich leer. | |
Geht jemand durch das Eingangstor auf den [1][Sportplatz am Hammer | |
Steindamm in Hamburg-Hamm], sieht er als Erstes die Schilder, auf denen | |
steht, was er machen darf und was nicht: Nicht gestattet sind das | |
Fahrradfahren und das Mitführen von Hunden, ebenso vom 1. Oktober bis 15. | |
Februar das Betreten der Sportanlage vor 9 Uhr. Eine Tafel zeigt die | |
Belegung des Sportplatzes an, damit das auch geklärt ist, aber der Platz | |
ist natürlich öffentlich, jeder darf drauf (innerhalb der Öffnungszeiten), | |
sagt Detlev Meyer. | |
Der Platzwart vom Hammer Steindamm sitzt in seinem ziemlich vollgestellten | |
Büro, an der Wand hängt eine St.-Pauli-Fahne, die Kaffeemaschine gluckert. | |
Draußen auf dem Gelände ist alles ruhig, aber das ist nicht immer so. | |
Manchmal, erzählt Detev Meyer, kommen Mütter auf den Sportplatz am Hammer | |
Steindamm, die partout nicht einsehen wollen, dass die Tartanbahn für | |
Sportler:innen da ist und nicht für Kinderwagen. „Gute Frau“, sagt er | |
dann und bemüht sich, freundlich zu bleiben, „nichts für ungut, aber | |
könnten Sie den Kinderwagen nicht dort hinten schieben? Dort stört er | |
niemanden, diese Bahn hier aber ist zum Laufen da.“ | |
Aber nicht immer treffen seine Worte auf Einsicht. Es hat schon Anrufe | |
gegeben, bei denen sich die Mütter beschwerten, er habe sie vom Sportplatz | |
geworfen, und weitere Anrufe der erbosten Männer, die darauf pochten, dass | |
der Platz öffentlich sei, und dass der Platzwart seine Kompetenzen | |
überschritten habe. | |
Detlev Meyer kann viele solche Geschichten erzählen. „Ich habe hier das | |
Hausrecht, und das muss auch so sein“, sagt er, während er sich hinter | |
seinem Schreibtisch eine Zigarette anzündet. Es ist Tag, er ist im Dienst | |
und trägt ein rotes Shirt mit der Aufschrift „Bezirk Hamburg-Mitte“, damit | |
das schon mal klar ist. | |
Meyer, 56, ist ein kräftiger Mann, früher hat er mal geboxt und Kampfsport | |
gemacht. Es kommt schon vor, dass er bedroht wird, manchmal rücken sie auch | |
zu mehreren an, der große Bruder des Jungen, den er morgens bei den | |
Bundesjugendspielen zurechtgewiesen hat, fährt dann mit seinen Freunden im | |
Mercedes vor, aber, sagt Meyer, „ich hab keine Angst“. Er bleibt in solchen | |
Situationen ganz ruhig und sagt: „Ich geh hier nicht weg, und wenn du | |
Streit suchst, wähl ich hier eine Nummer und hol Unterstützung, überleg | |
mal, ob sich das lohnt.“ Und solche Worte wirken meistens. | |
## Die Stadt macht ihm das Leben schwer | |
„Manche sagen auch, ich weiß, wo du wohnst“, berichtet Meyer und schnaubt. | |
Ist ja auch nicht so schwer zu wissen, wo er wohnt: Er wohnt auf dem | |
Sportplatz, direkt über seinem Büro in dem schönen alten backsteinernen | |
Schumacherbau direkt am Eingang. | |
Seit 22 Jahren tut er das, da fing er an als Sportplatzwart an und zog mit | |
seiner Frau ein, seine Kinder sind hier groß geworden. Meyer hat einen | |
Hund, einen Labrador, der sei wie ein Lamm, sagt er. „Außer wenn mich | |
jemand angreift.“ | |
Es kam auch schon vor, dass jemand auf sein Auto gekackt hat. „aber da | |
musste ich eher lachen“, sagt Detlev Meyer und stößt Zigarettenqualm aus. | |
Der Platzwart am Hammer Steindamm hält die Stellung, er sagt Sätze wie: | |
„Ich war die einzige Sportanlage in Hamburg, die [2][in der Pandemie offen | |
hatte].“ Doch sein Engagement, findet er, wird ihm von der Stadt Hamburg | |
nicht gedankt. „Sehen Sie“, sagt er und weist auf seinen Schreibtisch. Von | |
den vielen Dingen, die dort stehen, habe die Stadt, also das Bezirksamt | |
Mitte, genau eine Sache gestellt: das analoge Telefon, das schwarz und | |
bescheiden links vor ihm steht. | |
Alles andere, Laptop und Drucker und Kisten mit Arbeitsmaterial, hat er | |
selbst herangeschafft. Für einen Schuppen auf dem Gelände hat er ein | |
komplettes Regalsystem organisiert, aus einer Auflösung, der Stadt Hamburg | |
habe er damit Tausende Euro erspart, aber, er macht eine wegwerfende | |
Handbewegung: „Davon wissen die gar nichts.“ | |
Als er anfing, sagt Detlev Meyer, hatte er einen Chef beim Bezirksamt | |
Mitte, der kannte die Situation vor Ort, der machte sich für seine Leute | |
gerade. Seit der weg ist, ist das Bezirksamt weit weg, die Vorgesetzten | |
sieht er selten: „Mein Chef ist noch nie hier gewesen.“ | |
Dafür mache ihm die Stadt mit ihren vielen Vorschriften das Leben schwer, | |
besonders auf die Grünen ist er schlecht zu sprechen. Mit dem Flammenwerfer | |
ans Unkraut zu gehen, das hier überall sprießt, sei verboten, der Einsatz | |
von Pestiziden ebenfalls. „Aber wie man das machen könnte, das sagen sie | |
nicht“, Meyer zeigt auf das Moos in den Ritzen. | |
## Überstundenausgleich nicht vorgesehen | |
Er muss jetzt kurz raus, hin zu dem alten Schaltkasten, an dem er die | |
Flutlichtanlage anstellt, denn es dunkelt, und die Laufsportler:innen | |
wollen ja was sehen, wenn sie kommen. „Die Scheinwerfer da fressen Strom | |
wie verrückt, aber das interessiert auch keinen.“ Der ganze Platz komme | |
allmählich herunter, offiziell soll er in sehr gutem Zustand sein, aber | |
„schauen Sie mal genau hin“: Bruchstellen überall, Materialermüdung, | |
schließlich ist so ein Platz der Witterung ausgesetzt, das ganze Jahr. | |
Jetzt im Winter ist sowieso weniger los als im Sommer, wenn die ganzen | |
Gymnastikgruppen mit ihren Matten kommen und die Rasenflächen bevölkern, | |
die Läufer um Platz auf der Bahn kämpfen und Meyer einige Spuren absperren | |
muss, damit alle Platz haben. | |
Im Prinzip könnte er im Sommer mehr und im Winter weniger arbeiten, aber | |
das, sagt Meyer, sei nicht erlaubt. Statt eines Überstundenausgleichs | |
bekommt er die unbefriedigende Pauschale für bis zu zehn Überstunden die | |
Woche, eine ordentliche Bezahlung sei das nicht, denn oft sind es mehr | |
Überstunden als zehn, die bezahlt dann keiner. | |
Die Arbeitsverträge, die sie als Platzwarte haben, seien „gegen Recht und | |
Gesetz“, sagt Detlev Meyer, der bei Demonstrationen der [3][Gewerkschaft | |
Ver.di] als Redner auftritt. Dann steigt er schon einmal auf eine Bank, um | |
besser gesehen zu werden, und spricht durch ein Megafon über die schlechten | |
Bedingungen, unter denen die Platzwarte arbeiten. Seit Jahren geht das | |
schon so, doch es ändert sich nichts. | |
Was soll er machen? Auf so einen Sportplatz ist ja immer was zu tun, sonst | |
verkommt er. Also macht Detlev Meyer weiter. | |
15 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://hammaseite.wordpress.com/sport-freizeit/sportplatze/stadion-hammer-… | |
[2] /Schwerpunkt-Sport-trotz-Corona/!t5008721 | |
[3] /Verdi/!t5007591 | |
## AUTOREN | |
Daniel Wiese | |
## TAGS | |
Bezirk Hamburg-Mitte | |
Verdi | |
Hamburg | |
Arbeitskampf | |
Sport | |
Fußball | |
Räumung | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kinder in Fußballvereinen: Das Stadt-Land-Gefälle | |
Über 5.500 Kinder stehen auf Wartelisten bei Hamburgs Fußballvereinen. Auf | |
dem Land fehlen hingegen vielen Clubs die Nachwuchsspieler*innen. | |
Zwangsräumung in Hamburg: Ende mit Schrecken | |
Nach jahrelangem Streit lässt die Wohnungsgenossenschaft VHW einen | |
alleinerziehenden Vater zwangsräumen. | |
Ein George-Floyd-Sportplatz für Moabit: Wie ein Sportplatz Sinn bekommt | |
Sechs Sportplätze im Poststadion sollen bald die Namen der Opfer von | |
rassistischer Gewalt tragen. Sehr gut – so macht Sport gleich viel mehr | |
Sinn. | |
Wettbewerb um Übertragungsrechte: Live vom Provinzsportplatz | |
Die etablierten Sender bekommen Konkurrenz. Neue Onlinedienste greifen nach | |
den begehrten Übertragungsrechten im Sport. |