# taz.de -- Aktivistin über polnischen Botschafter in Berlin: „Endlich geht … | |
> Immer wieder demonstrieren Aktivistinnen vor der Residenz des | |
> Botschafters. Dessen Frau ist für die Abschaffung des Abtreibungsrechts | |
> verantwortlich. | |
Bild: Happening vor der Residenz des polnischer Botschafters und seiner Frau | |
taz: Vor kurzem hat der polnische Botschafter in Deutschland, [1][Andrzej | |
Przyłębski], bekannt gegeben, dass er im Januar seinen Posten verlassen und | |
wieder zurück in seine Heimatstadt Posen gehen wird. Ein Grund zur Freude? | |
Agnieschka Glapa: Endlich geht er. Aber wir wissen natürlich nicht, wer an | |
seiner Stelle kommt. | |
Vor über einem Jahr haben Sie und [2][Dziewuchy Berlin], auf Deutsch | |
Berliner Mädels, damit angefangen, vor der Residenz des Botschafters und | |
seiner Frau zu protestieren. Warum? | |
Die Proteste richteten sich weniger gegen den Botschafter, als gegen seine | |
Frau [3][Julia Przyłębska], die Präsidentin des Polnischen | |
Verfassungsgerichts. Als solche ist sie verantwortlich für die Verschärfung | |
und faktische [4][Abschaffung des Abtreibungsrechts] in Polen. | |
Weswegen fanden die Proteste vor der Residenz, also dem Wohnort der beiden, | |
statt? | |
Die Residenz ist kein privater, sondern ein politischer Ort. Wir wollten, | |
dass sie eine ähnliche Angst spürt wie die Frauen, die in Polen schwanger | |
werden. | |
War die Adresse öffentlich? | |
Nein, wir haben Sie recherchiert. Wir wussten, dass es in Dahlem sein muss, | |
und wir haben dann Fernsehaufnahmen ausgewertet, in denen der Botschafter | |
und seine Frau zu sehen sind und haben auch die Menschen vor Ort gefragt. | |
Als wir die Adresse in der Thielallee gefunden haben, haben wir eine | |
polnische Flagge dort gesehen und wussten, dass wir dort richtig sind. | |
Es ist eine Villa… | |
…die achttausend Euro im Monat kostet. Das zahlen die polnischen | |
Steuerzahler. Wir haben gedacht, das kann doch nicht sein, dass diejenige, | |
die dafür verantwortlich ist, dass es so vielen Frauen in Polen schlecht | |
geht, in Berlin ganz in Ruhe in ihrer Villa lebt. | |
Wie sahen Ihre Proteste aus? | |
Normalerweise ist Dahlem ein sehr ruhiger Stadtteil. Als wir durch die | |
Straßen zur Residenz gegangen sind, waren viele schockiert und haben sich | |
gefragt, was da passiert. Also haben wir den Menschen erklärt, was in Polen | |
los ist, wie es um die Frauenrechte steht und was Julia Przyłębska damit zu | |
tun hat. | |
Sie haben auch Flyer verteilt. | |
An ihre Friseurin, die Kosmetikerin und viele andere. | |
Wie waren die Reaktionen? | |
Die Leute haben gesagt: Wir kennen diese Frau, wir sehen sie oft mit ihrem | |
Mann. Sie waren schockiert, dass da Leute wohnen, die für eine solche | |
Politik stehen. Das fanden sie unmöglich. | |
Und die Polizei? | |
Die war freundlich, ganz anders als in Polen. Der Botschafter und seine | |
Frau haben die Polizei gerufen, aber die hat uns nicht gestört. Die haben | |
gesagt: Das ist Demokratie. | |
Die Proteste dauern nun schon ein Jahr an. Wie oft waren Sie seitdem mit | |
den Aktivistinnen und Aktivisten von Dziewuchy Berlin und anderen | |
Protestierenden in der Thielallee. | |
Etwa fünf Mal. Immer dann wenn etwas in Polen passiert ist und als | |
„Dziewuchy Berlin und Freunde“. Wir sind viel. | |
Beim ersten Besuch hieß es, es sei das Ziel der Proteste, Julia Przyłębska | |
zu verjagen. Das ist ihnen jetzt gelungen. Glauben Sie, dass die | |
Entscheidung des Botschafters aufzuhören, unmittelbar auf Ihre Proteste | |
zurückzuführen ist. | |
Das glauben wir nicht, wir wissen es. Julia Przyłębska wollte nicht ständig | |
behelligt werden und in Ruhe leben und arbeiten. Wir haben ihr gezeigt, | |
dass wir wissen, wo sie wohnt und dass sie kein ruhiges Leben haben wird. | |
Sie hat das Polnische Verfassungsgericht von Berlin aus geleitet? | |
Das wissen wir nicht genau. Sie war auch oft in Warschau. Bevor sie | |
Präsidentin wurde, hat sie ihren Mann oft mit dem Zug in Berlin besucht. | |
Seitdem pendelt sie mit dem Auto und mit Bodyguards, die sie begleiten. Als | |
wir vor einem Jahr nach Dahlem mobilisiert haben, haben sie an dem Tag ihre | |
Residenz verlassen. Offenbar hatten sie Angst. | |
Es gab auch Kritik an Ihren Aktionen, auch wegen der Wortwahl. Auf | |
Transparenten haben Sie gefordert: Verpisst Euch. | |
Seitdem die PiS an der Macht ist, haben wir Frauenstreiks und den Schwarzen | |
Protest organisiert. Das hat die Politik der Regierung nicht geändert. Sie | |
kümmert sich nicht um Menschenrechte und um Frauenrechte. Wir sind wütend. | |
Das drückt sich auch in unserer Sprache aus. Die Eskalation ging aber vom | |
Verfassungsgericht aus. | |
Anfang Dezember soll auf Antrag einer Stiftung im polnischen Parlament über | |
die komplette Abschaffung des Abtreibungsrechtss debattiert werden. Selbst | |
eine Vergewaltigung wäre dann kein Abtreibungsgrund mehr. Gibt es neue | |
Proteste? | |
Wir werden weiter protestieren. Wir werden deutlich und laut sagen, dass es | |
uns reicht. Genug ist genug. | |
Die neue Debatte findet statt, [5][nachdem in Polen eine Frau starb], weil | |
sich Ärzte geweigert haben sollen, einen geschädigten Fötus rechtzeitig | |
abzutreiben. Ist das eine Provokation? | |
Dies ist keine Provokation, es ist ein Drama. Ein Drama für die Frauen, die | |
während der Schwangerschaft Komplikationen bekommen, ein Drama für die | |
Frauen, die Angst haben, schwanger zu werden. Der Entwurf eines neuen | |
Anti-Choice-Gesetzes, der demnächst im Parlament diskutiert werden soll, | |
ist aber nichts Neues. Diese Kreise, zu denen beispielsweise der Ordo Iuris | |
gehört, versuchen ständig, die Rechte der Frauen einzuschränken und ihr | |
ultra-christliches Lebensmodell durchzusetzen. Übrigens nicht nur in Polen. | |
Sie sind in Europa gut vernetzt und in vielen Ländern tätig. | |
Wie wird Ihr Protest in Polen wahrgenommen? | |
Sowohl in Polen als auch in Berlin wussten viele Menschen einfach nicht, | |
dass Julia Przyłębska in Berlin lebt. Dank unserer Kampagnen wissen sie es | |
jetzt. | |
20 Nov 2021 | |
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[1] /Portraet-des-polnischen-Botschafters/!5365454 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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