# taz.de -- Deutsch-polnische Pride: „Wir werden in vielem vertröstet“ | |
> Am Sonntag zieht zum zweiten Mal eine schwul-lesbisch-queere Pride durch | |
> Frankfurt (Oder) und Słubice. Ein Anlass ist Gewalt gegen queere | |
> Menschen. | |
Bild: Ganz viel Liebe bei der ersten Pride in Frankfurt (Oder) im September 2020 | |
taz: Ronja Zimmermann, wofür gehen Sie am Sonntag auf die Straße? | |
Ronja Zimmermann: Wir haben die Słubice-Frankfurt-Pride organisiert, um | |
queere Sichtbarkeit in den beiden Städten zu schaffen. Vergangenes Jahr, | |
beim ersten Pride, wollten wir zunächst einmal thematisieren, dass es keine | |
Vernetzungsmöglichkeiten und Anlaufstellen in den Städten gibt, dass man | |
als queere Person ziemlich alleine dasteht. Gerade als junge Person, wenn | |
man kurz vorm Coming Out ist, hat man keine Anlaufstellen, an die man sich | |
wenden könnte. In diesem Jahr wollen wir vor allem queerfeindliche Gewalt | |
sichtbar machen, die aus unserer Sicht zu wenig mediale Aufmerksamkeit | |
bekommt. | |
Welche Rolle spielt die deutsch-polnische Ausrichtung der Demo? | |
Wir wollen Übergriffe in Polen thematisieren, aber auch die drei | |
schwulenfeindlichen Morde in Deutschland vom letzten Jahr. Wir nutzen den | |
Pride, um Solidarität mit der polnischen Community zu zeigen, die unter der | |
Queerfeindlichkeit der polnischen Regierung zu leiden hat. Aber auch, um | |
auf gemeinsame Diskriminierungserfahrungen aufmerksam zu machen. Eingeladen | |
sind in diesem Jahr außerdem ungarische Aktivist*innen, die über die Lage | |
der queeren Community dort sprechen werden. In [1][Ungarn wurde ja kürzlich | |
ein Gesetz verabschiedet], das den Zugang von Minderjährigen zu | |
Informationen über LGBTIQ verhindern soll. Es ist dem entsprechenden Gesetz | |
in Russland ziemlich ähnlich. | |
Welche Erfahrungen haben Sie bei der ersten Demo im vergangenen Jahr | |
gemacht? | |
Wir waren positiv überrascht. Es sind [2][wesentlich mehr Menschen | |
gekommen, als wir vorher gedacht hatten], was uns sehr gefreut hat. Wir | |
hatten auch mit mehr Gegendemonstrant*innen gerechnet. Das war dann | |
aber weniger schlimm, als erwartet und harmloser, [3][als es unsere | |
polnischen Mitglieder von anderen Prides in Polen] kannten. Es waren am | |
Ende nur ein paar Leute, die an der Grenze demonstriert haben. | |
Hat die Pride im vergangenen Jahr denn etwas bewegt? | |
Wir hatten ja ziemlich konkrete Forderungen an die Bürgermeister und | |
Politiker*innen in Frankfurt und Słubice gestellt. Darunter, dass sich | |
die beiden Städte zu „LGBTIQ-freundlichen Zonen“ erklären, zu „Zonen der | |
Vielfalt“ – in Abgrenzung zu [4][den „LGBTIQ-freien Zonen“, die in Teil… | |
Polens ausgerufen wurden]. Auch, dass queere Menschen mehr in der gut | |
vernetzten Politik zwischen den beiden Städten mitgedacht und repräsentiert | |
werden, etwa bei gemeinsamen Lehrer*innenkonferenzen. Gerade der Bereich | |
Schule ist wichtig für queere junge Menschen. Das wurde tatsächlich | |
umgesetzt. Wir werden beim gemeinsamen Bildungsforum der Städte einen | |
Workshop halten. In allen anderen Punkten wurden wir immer wieder | |
vertröstet. Die gemeinsame Bürgermeistererklärung zur Vielfalt kam nicht. | |
Der Bürgermeister von Słubice hat auch dieses Jahr seine Teilnahme an der | |
Pride abgesagt mit der Begründung, dass es keine queerfeindliche Gewalt in | |
seiner Stadt gäbe. Wir sind uns nicht mehr sicher, ob es diese Erklärung | |
noch geben wird, aber wir hoffen es. | |
Wer ist denn dieses „Wir“? Wer organisiert die Pride? | |
Das sind Privatpersonen. Angeschrieben wurden anfangs die lokalen linken | |
Gruppen, Vereine und Vernetzungen. Dann haben sich schnell queere Menschen | |
aus beiden Städten gefunden, die Lust hatten, sich zu organisieren. | |
Ist auch über die Demo hinaus eine Organisation geplant? | |
Wir haben im vergangenen Jahr mit einem queeren Stammtisch angefangen, das | |
ist aber aufgrund der Corona-Situation zwischenzeitlich nicht mehr möglich | |
gewesen. Das ist aber etwas, was wir in Zukunft beibehalten wollen, um uns | |
selbst die Vernetzungsmöglichkeiten, die von der Stadt nicht kommen, zu | |
schaffen. In Reaktion auf die jüngste Äußerung des Bürgermeisters von | |
Słubice haben wir jetzt auch [5][ein Register online gestellt]. Dort kann | |
man Diskriminierungserfahrungen in Frankfurt oder Słubice teilen und wir | |
sammeln sie. Und aus unserem Kollektiv ist auch die rein polnischsprachige | |
Gruppe Queer nad Odrą hervorgegangen, die im Umland von Słubice Aktionen zu | |
LGBTIQ-Themen macht. | |
3 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Homophobie-in-Ungarn/!5777964 | |
[2] /Deutsch-polnische-Pride-in-Frankfurt/!5708337 | |
[3] /Die-zweite-Pride-Parade-in-Stettin/!5625988 | |
[4] /Verfahren-wegen-Diskriminierung/!5781486 | |
[5] https://t1p.de/t8hn | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
## TAGS | |
Pride Parade | |
Queer | |
Polen | |
Schwul-Lesbisch | |
Schwerpunkt LGBTQIA-Community | |
IG | |
Berlin | |
Hasskriminalität | |
EU | |
Ungarn | |
Polen | |
Polen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aktivistin über polnischen Botschafter in Berlin: „Endlich geht er“ | |
Immer wieder demonstrieren Aktivistinnen vor der Residenz des Botschafters. | |
Dessen Frau ist für die Abschaffung des Abtreibungsrechts verantwortlich. | |
Schwulenfeindlichkeit in Hamburg: Homophober Angriff auf St.Pauli | |
Vor einer Schwulenbar auf dem Kiez wurden zwei junge Männer attackiert. Die | |
Polizei geht von Hasskriminalität aus. | |
LGBTIQ-Rechte in Europa: Brüssel fordert Gleichbehandlung | |
Das EU-Parlament will die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehen | |
fördern. Die Freizügigkeit von trans Elternteilen soll gestärkt werden. | |
Gay Pride in Ungarn: 30.000 gegen Orbán | |
Viele Menschen haben am Wochenende gegen die homophobe Politik der | |
Regierung demonstriert. Es war die größte Regenbogenparade in Ungarns | |
Geschichte. | |
Queere Bewegung in Polen: Protest mit Regenbogen-Madonna | |
Der polnischen Aktivistin Elżbieta Podleśna droht Haft – nur weil sie eine | |
Madonna mit Heiligenschein in Regenbogenfarben verziert hat. | |
Die zweite Pride Parade in Stettin: Hier wird jeder gebraucht | |
6.000 Demonstranten gehen bei der Pride Parade in Stettin für Gleichheit | |
und Akzeptanz auf die Straße und werden dabei von 2.000 Polizisten | |
beschützt. |