# taz.de -- Österreichs Ex-Kanzler Kurz: Kein Comeback, sondern Abschied | |
> Sebastian Kurz hat sich aus der Politik verabschiedet. Die ÖVP war seit | |
> seinem Rückzug als Kanzler in den Umfragen dramatisch abgestürzt. | |
Bild: Österreichs Ex-Kanzler bei seinem Abgang am 2. Dezember | |
WIEN taz | Konstantin ist schuld. Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian | |
Kurz legt alle seine politischen Ämter nieder und verabschiedet sich aus | |
der Politik. Als wichtigsten Grund gab er die Geburt seines Sohnes | |
Konstantin am vergangenen Samstag an. Die Mutter ist Kurz' langjährige | |
Freundin Susanne Thier. Neben seinen zwei Wahlsiegen sei das das | |
glücklichste Ereignis seines Lebens. In den nächsten Tagen wolle er seine | |
Funktionen als ÖVP-Chef und Fraktionsvorsitzender im Nationalrat „geordnet | |
übergeben“. Er freue sich auf sein neues Leben. | |
Noch im September wurde Kurz mit über 99 Prozent als Parteichef bestätigt. | |
Jetzt hat er seine politische Karriere jäh beendet. Der 35-jährige | |
Ex-Bundeskanzler wirkte gelöst, als er Donnerstagvormittag in der | |
Parteiakademie vor die Presse trat, um zu bestätigen, was er dem deutschen | |
und österreichischen Boulevard schon vorher gesteckt hatte. In seiner nur | |
knapp 15-minütigen Abschiedsrede bilanziert er seine zehn Jahre in der | |
Spitzenpolitik. | |
2011 war der damalige Chef der Jungen ÖVP Wien von Vizekanzler Michael | |
Spindelegger zum Integrationsstaatssekretär gemacht worden. 2014, mit | |
gerade 27 Jahren, war er der jüngste Außenminister Europas. 2017 sprengte | |
er die Koalition mit der SPÖ, fuhr einen fulminanten Wahlsieg ein und holte | |
die rechte FPÖ als Juniorpartner in seine Regierung. Wie man heute weiß, | |
war dieser Triumph mit einer gewaltigen Überschreitung des gesetzlichen | |
Wahlkampfbudgets erkauft, zudem werden Kurz manipulierte Umfragen | |
vorgeworfen. Bezahlt haben soll diese das Finanzministerium. [1][Deswegen | |
ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen | |
Kurz wegen Untreue und Bestechung]. Diese Untersuchungen sind auch der | |
Grund, warum Kurz am 9. Oktober als Bundeskanzler zurücktrat. | |
„Ich bin weder ein Heiliger, noch ein Verbrecher“, sagte Kurz und gab in | |
seltener Einsicht zu, immer wieder auch falsche Entscheidungen getroffen zu | |
haben. Er freue sich aber auf den Tag, da er vor Gericht alle Vorwürfe | |
widerlegen könne. Außer dem Korruptionsvorwurf steht auch noch der Verdacht | |
der Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Raum. | |
Da geht es um parteipolitische Postenbesetzungen in staatsnahen | |
Unternehmen, über die er als Bundeskanzler „nur informiert“ gewesen sein | |
wollte. Von den Ermittlern sichergestellte Chat-Verläufe sprechen | |
allerdings eine andere Sprache. | |
## An Freuden der Vaterschaft als Grund will niemand glauben | |
Für die Opposition kam der Zeitpunkt, nicht aber der Rücktritt selbst | |
unerwartet. An die Freuden der Vaterschaft als Grund will niemand glauben. | |
So sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl, ein Intimfeind, seit er im Gefolge der | |
Ibiza-Affäre von Kurz als Innenminister geschasst wurde: „Der Druck ist zu | |
groß geworden, er hat ja viele Fronten offen. Er ist [2][zuletzt allein auf | |
weiter Flur gestanden], die Partei hat ihn fallen gelassen und er zieht | |
jetzt die Konsequenzen daraus.“ | |
Wenig verwundert zeigte sich auch Kai Jan Krainer von der SPÖ: „Offenbar | |
ist die Einsicht gereift, dass der politische Schaden, den er anrichtet, zu | |
groß ist.“ Die ÖVP ist seit Kurz’ Rückzug aus dem Kanzleramt in den | |
Umfragen dramatisch abgestürzt und zuletzt hinter die SPÖ zurückgefallen. | |
Ein österreichisches Pendant zur Ampel – Rot-Grün-Pink – hätte derzeit e… | |
Mehrheit. Die Grünen hielten sich bedeckt. Vizekanzler Werner Kogler gab | |
nur ein schriftliches Statement ab, in dem er die Zusammenarbeit würdigte. | |
Wie geht es jetzt weiter? Zu seinen beruflichen Plänen, die im nächsten | |
Jahr Gestalt annehmen sollen, wollte sich Kurz nach seiner Erklärung nichts | |
entlocken lassen. Laut Kronen Zeitung wartet auf ihn ein „Topjob“ in der | |
Privatwirtschaft. Die Bild-Zeitung glaubt hingegen, dass eine Rückkehr in | |
die Politik vorbereitet werde. Das hatten manche Kommentatoren auch nach | |
dem Rücktritt als Kanzler geglaubt. Doch der mögliche Plan, aus Neuwahlen | |
wieder als strahlender Sieger hervorzugehen, erledigte sich angesichts der | |
miserablen Umfragewerte. „Kurz hat gesehen, dass seine Strahlkraft | |
dramatisch eingebrochen ist“, konstatiert der Politikberater Thomas Hofer. | |
Am Freitag tritt der ÖVP-Bundesvorstand zusammen und wird voraussichtlich | |
Innenminister Karl Nehammer als neuen Parteichef vorschlagen. Er ist | |
stärker in der Partei verankert [3][als Kanzler Alexander Schallenberg]. | |
Dieser stellte am Donnerstag Abend sein Amt zur Verfügung. Politikberater | |
Hofer will nicht ausschließen, dass Nehammer demnächst das Kanzleramt | |
übernimmt und Schallenberg sich wieder seinem eigentlichen Metier, der | |
Außenpolitik, widmet. | |
Der Fraktionsvorsitz geht zurück an den Oberösterreicher August Wöginger, | |
der diese Funktion zuletzt geschäftsführend ausgefüllt hatte. Die Koalition | |
mit den Grünen scheint vorerst nicht gefährdet, auch wenn sich die ÖVP | |
zuletzt von Umweltministerin Leonore Gewesslers Entscheidung, wichtige | |
Straßenbaupläne zu stoppen, provoziert fühlt. | |
2 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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