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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Volle Ladung Frankreich
> Sechs Berliner Kinos beteiligen sich an der 21. Französischen Filmwoche.
> Im Programm gibt es unter anderem schön viel Blasphemie im Kloster.
Bild: Szene aus „Benedetta“ (F 2021, R.: Paul Verhoeven)
Eine junge Frau, die in einer Beziehung steckt, lernt auf einer Party einen
alten Knacker kennen, der ebenfalls fest liiert ist. Kurz darauf landen die
beiden gemeinsam im Bett. So oder so ähnlich beginnen französische Filme in
der guten alten Tradition des Regisseurs Eric Rohmer eigentlich immer.
Und “[1][Der Sommer mit Anais]“ von Charline Bourgeoise-Tacquet ist genau
so ein Film, eine Komödie, die französelnder kaum sein könnte. Sie kommt
leichtfüßig daher und verhandelt gleichzeitig unglaublich komplizierte
Gefühlverwirrungen, und das in einer Art, in der das so nur die Franzosen
hinbekommen.
Auch in schlichte Kleider zu schlüpfen, sich nicht groß aufzubretzeln und
trotzdem immer fantastisch auszusehen, das bekommen nur echte Französinnen
wie Anais hin. Dann geht es noch raus aufs Land, wo in schwülen
Sommernächten die Hormone endgültig verrückt spielen, auch das gehört mit
zu jeder anständigen Beziehungskomödie aus Frankreich.
[2][Die 21. Französische Filmwoche], die bis zum 1. Dezember in Berlin
statt findet, zeigt, was das Filmland Frankreich so im Angebot hat.
Erwartbares wie “Der Sommer mit Anais“. Und weil man eine ruhmreiche
Filmhistorie hat, versteckt man diese nicht und zeigt – als Hommage an den
im September gestorbenen Jean-Paul Belmondo – mit Jean-Luc Godards
“[3][Außer Atem]“ einen absoluten Klassiker.
## Nicht nur große Filmgeschichte
Aber Frankreichs Filmlandschaft rekurriert nicht nur auf seine eigene
Geschichte, sondern ist auch am Puls der Zeit. Serien beispielsweise kann
man auch – wie man in einer großen “Seriennacht“ sehen kann.
Und in der [4][Werkschau von Leos Carax im Arsenal] lässt sich noch einmal
nachverfolgen, welch großartigen Filme Carax bereits gedreht hat. Drei
Wochen vor dem offiziellen Start in Deutschland kann man sich in einer
Sondervorführung von Carax’ neuem Werk “[5][Annette]“ aber auch zeigen
lassen, dass es der Meisterregisseur immer noch drauf hat.
Sechs Berliner Kinos beteiligen sich an der Französischen Filmwoche, die im
Hybrid-Format statt finden wird und einen Teil ihres Programms streamt. Bei
über 30 gezeigten Filmen bekommt man also eine volle Ladung Frankreich in
der deutschen Hauptstadt und vielleicht schmecken wenigstens eine Woche
lang auch die Croissants in den hiesigen Bäckereien etwas erträglicher als
sonst.
Zu sehen sein wird auch “[6][Fracture]“ von Catherine Corsini mit einer wie
üblich hinreißenden Valeria Bruni-Tedeschi in einer der Hauptrollen. Der
Film zeigt das Land der Gelbwesten-Proteste so zerrissen wie die Beziehung
von Raf und Julie, die langsam zu Ende gehen droht.
## Unglaublich genervt von Macron
Corona spielt in der Geschichte noch keine Rolle und doch ereignet sie sich
hauptsächlich in einem Krankenhaus und alle sind unglaublich genervt von
Präsident Macron. Französisches Kino kann von der Liebe eben nicht nur in
Form von einer Schnulze wie “[7][Der Sommer mit Anais]“ erzählen, sondern
auch als dringliches Sozialdrama.
Und freuen kann man sich darauf zu sehen, was Paul Verhoeven, dem das
Etikett “Skandalregisseur“ anhaftet wie keinem anderen, mit seinem neuen
Film jetzt schon wieder angestellt hat. In “[8][Benedetta]“ erzählt er die
wahre Geschichte der Nonne Benedetta Carlini, die im 16. Jahrhundert in
Italien lebte.
Die Nonne hatte Erscheinungen und die Wundmale Jesu zeigten sich an ihr,
was der Klerus ziemlich aufregend fand. Woraufhin sie wie eine Heilige
verehrt wurde. Später kam heraus, dass sie Jahre lang eine lesbische
Beziehung zu einer anderen Nonne unterhielt, was die Kirche mit nicht ganz
so viel Begeisterung aufnahm. Benedetta Carlini landete bis zu ihrem
Lebensende im Kerker.
## Sex und Leidenschaft im Nonnenkloster
Verhoeven macht aus dem Stoff einen Mittelalter-Film mit grausigen
Söldnern, während die Pest grassiert. Dazu packt er doch einiges an
schwitziger Männerfantasie mit hinein. Stichwort: Sex und Leidenschaft im
Nonnenkloster. Und es gibt jede Menge dieser Szenen, ohne die ein echter
Verhoeven-Film einfach nicht auskommt und die die Katholische Kirche
sicherlich noch gehörig auf die Palme bringen wird.
Benedetta scheint schließlich nicht nur lesbisch, sondern eindeutig queer
zu sein. Zumindest legen das die angedeuten Beischlafszenen mit niemand
Geringerem als Jesus höchstpersönlich nahe. Und auch dass eine hölzerne
Madonnenstatue kurzerhand in einen Dildo umgeschnitzt wird, dürfte so
manchen Pfaffen fassungslos machen.
Aber Tabubrecherei gehört bei Verhoeven nunmal einfach mit zum Geschäft.
Und auch bei “Benedetta“ lässt sich sagen: Ohne die Blasphemie und ohne den
ganzen verbotenen Sex auf harten Klosterpritschen würde der Film auch nur
halb so viel Spaß machen.
26 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.franzoesische-filmwoche.de/Der-Sommer-mit-Anais
[2] https://www.franzoesische-filmwoche.de
[3] https://www.franzoesische-filmwoche.de/Ausser-Atem
[4] https://www.arsenal-berlin.de/kino-arsenal/programm/einzelansicht/article/8…
[5] https://www.franzoesische-filmwoche.de/Annette-957
[6] https://www.franzoesische-filmwoche.de/Annette-957
[7] https://www.franzoesische-filmwoche.de/Der-Sommer-mit-Anais
[8] https://www.franzoesische-filmwoche.de/Benedetta
## AUTOREN
Andreas Hartmann
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