# taz.de -- Anti-Diskriminierungsgesetz scheitert: Italiens Rechte jubelt | |
> Das Gesetz scheiterte im Senat. Mindestens 20 Parlamentarier*innen | |
> des Mitte-Links-Spektrums eilten der Rechten bei der Abstimmung zur | |
> Hilfe. | |
Bild: Von vielen Italiener*innen gefordert: Das Gesetz gegen Homo- und Transpho… | |
ROM taz | Triumphgeheul, frenetischer Applaus, zum Jubel hochgerissene | |
Arme: Die rechte Hälfte des italienischen Senats lieferte am Mittwoch | |
Bilder wie aus der Fankurve eines Fußballstadions nach dem Sieg in einem | |
wichtigen Meisterschaftsspiel. Und wie wichtig der Sieg war, zeigten auf | |
der anderen Seite die versteinerten Gesichter der linken Senator*innen. Mit | |
154 zu 131 Stimmen hatte die zweite Kammer des italienischen Parlaments | |
gerade das Gesetz gegen Homo- und Transphobie versenkt. | |
Der Senat nämlich beschloss auf Antrag der rechtspopulistischen Parteien | |
Lega und [1][Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens)] die | |
„Nichtbefassung“ mit dem Gesetzentwurf, auch wenn der schon im November | |
2020 vom Abgeordnetenhaus gebilligt worden war. Auf dem Papier hatten zwar | |
die Befürworter des Anti-Diskriminierungsgesetzes im Senat die Mehrheit, | |
doch in der geheimen Abstimmung wurden mindestens 20 | |
Parlamentarier*innen aus dem Mitte-Links-Spektrum der Linie ihrer | |
Parteien abtrünnig und eilten der Rechten zur Hilfe. | |
Bis zu 18 Monaten Gefängnis sah der Gesetzentwurf für diejenigen vor, die | |
homosexuelle oder Transpersonen diskriminierten oder auch zu ihrer | |
Diskriminierung aufriefen, während Gewalttaten oder die Anstachelung zur | |
Gewalt mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden sollten. | |
Schon dies hält zum Beispiel der [2][Lega-Chef Matteo Salvini] für | |
überflüssig; seiner Meinung reichten die bestehenden Normen des Strafrechts | |
völlig aus. Zwei weitere Punkte im Gesetz störten die Rechte im Verein mit | |
der katholischen Kirche jedoch besonders. Zum einen spricht es von | |
„Gender-Identität“ und meint damit die subjektive Geschlechtszuschreibung | |
einer Person jenseits ihres biologischen Geschlechts. Zum anderen sah es | |
vor, den 17. Mai zum „Nationalen Tag gegen die Homo-Transphobie“ zu | |
erklären, an dem auch die Schulen aufgerufen waren, sich mit diesem Thema | |
auseinanderzusetzen. | |
Diese Normen sind jetzt hinfällig. Während die Senatorin der gemäßigt | |
linken Partito Democratico (PD) Valeria Fedeli nach dem Votum in Tränen | |
ausbrach, zeigte sich ihr Parteivorsitzender Enrico Letta enttäuscht und | |
verbittert. Jetzt hätten „die Italiener sehen können, was Italien unter | |
einer Regierung der Rechten wäre, mit einem Parlament auf einer Linie mit | |
dem ungarischen und dem polnischen Parlament“, erklärte er. Und Giuseppe | |
Conte, Chef der Fünf Sterne, befand, der Senat habe mit seinem Votum „einen | |
Schritt zurück gegenüber der Reife des Landes“ getan. | |
Für Letta ist der Hauptschuldige an dem Abstimmungsdesaster ausgemacht: der | |
frühere Ministerpräsident und PD-Vorsitzende Matteo Renzi, der sich mit | |
seiner kleinen Mittepartei Italia Viva (IV) vor zwei Jahren von der PD | |
abgespalten hatte. Zwar schwören Renzi und seine Gefolgsleute Stein und | |
Bein, die Heckenschützen stammten nicht aus ihren Reihen, doch IV war in | |
den letzten Monaten von dem Gesetz abgerückt und hatte Nachbesserungen | |
gefordert, die mit der Rechten ausgehandelt werden sollten. | |
Darauf jedoch wollte Letta sich nicht einlassen. Deshalb triumphiert die | |
Rechte jetzt, „die Arroganz der PD und der Fünf Sterne“ sei betraft worden | |
– und in einem auffälligen verbalen Gleichklang geißelte auch eine führende | |
Vertreterin der Renzi-Truppe, dass „die Arroganz der Fünf Sterne und der PD | |
eine unglaubliche Niederlage hervorgebracht hat“. Kein einziges Wort der | |
Kritik fand Italia viva dagegen für die Rechte, die das | |
Anti-Diskriminierungsgesetz scheitern ließ. | |
28 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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