| # taz.de -- Film über außerirdischen Venom: Das Andere in sich respektieren | |
| > Alien mit Empathie: Die Superheldenkomödie „Venom: Let There Be Carnage“ | |
| > von Andy Serkis ist wieder da. Und spielt timingsicher mit | |
| > Genderstereotypen. | |
| Bild: Toxische Männlichkeit kann echt nerven, besonders bei Venom | |
| „Wenn ich hier herauskomme – und ich komme hier raus! –, dann gibt es ein | |
| Blutbad …“ Yikes. Kein schönes Versprechen, mit dem der hinter Gittern | |
| sitzende Serienmörder Cletus Kasady (Woody Harrelson) sich [1][in der | |
| ersten „Venom“-Adaption vor drei Jahren] von dem Journalisten Eddie Brock | |
| (Tom Hardy) verabschiedete. Aber „Carnage“, das Blutbad, ist einfach ein zu | |
| schönes Wort, um es nicht als sprechenden Namen für einen anständigen | |
| Antihelden zu nutzen. | |
| Zunächst muss dieser Antiheld jedoch erst einmal entstehen. In der | |
| [2][Fortsetzung des Marvel-Abenteuers um den außerirdischen Symbionten | |
| Venom], der sich ausgerechnet den permanent schwitzenden, nervösen, | |
| irgendwie trotteligen Investigativreporter Eddie als Wirtskörper ausgesucht | |
| hat, ist das schizophrene Gemeinschaftsleben von Venom und Eddie in einer | |
| klassischen Buddysituation aufgegangen. | |
| Der eine Buddy, Eddie, versucht die Fassade (Job, Wohnung, menschliches | |
| Benehmen) aufrechtzuerhalten, der andere, sein nach Menschenhirn | |
| geiferndes, außerirdisches, toxisches Macho-Alter-Ego Venom dagegen | |
| torpediert in schöner Regelmäßigkeit diese Versuche. | |
| Aber irgendwie mögen sich die beiden ungleichen Kumpels. Und irgendwie hat | |
| Venom, dessen tiefer gepitchte, voluminöse Stimme ebenfalls zum versatilen | |
| Schauspieler Hardy gehört, sogar inzwischen eine Ahnung von den Gefühlen | |
| jenes schwachen Menschen bekommen, dessen fleischliche Hülle er nach | |
| Belieben bewohnen, bewegen und verlassen kann: Venom entwickelt Empathie. | |
| ## Eifersucht zwischen Hülle und Alien | |
| So gestaltet sich die dritte Regiearbeit des [3][sachkundigen Schauspielers | |
| Andy Serkis], die er für Sonys „Spider-Man Universe“ inszenierte, zunächst | |
| als humorig-tumbes, mit Sprüchen garniertes Freundschaftsporträt zweier | |
| diametral entgegengesetzter Typen, die lernen, den anderen, besser: das | |
| Andere in sich zu respektieren. „This is a me thing, not a we thing!“, | |
| schnappt Eddie sein zweites Ich an, als es um ein Treffen mit Eddies altem | |
| Schwarm Anne (Michelle Williams) geht. Und Venom erweist sich trotz | |
| schleimiger Alien-Erscheinung, Phrasendrescherei und Raubtiergebiss dann | |
| doch als ein ganz Netter. | |
| Vor allem, weil es jenes new kid on the block gibt, das es zu bekämpfen | |
| gilt: Durch einen dummen Zufall kann ihm in Cletus, der nebenbei seiner | |
| mutierten Freundin Francis (Naomie Harris) nachweint, ein diesmal wirklich | |
| ernstzunehmender Gegenspieler erwachsen. Denn mit der DNA Venoms infiziert, | |
| erwacht der blutgierige Symbiontenmutant „Carnage“ zum Leben – und der ist | |
| tatsächlich richtig böse. | |
| Timingfester und präziser als der erste Teil, spielt „Venom: Let There Be | |
| Carnage“ zudem lange Zeit mit Genderstereotypen. Wenn Eddie immer wieder | |
| seine innere Machostimme zum Schweigen zu bringen versucht, schwingt die | |
| Verunsicherung von Männern mit, die glauben, Haudraufverhalten à la Venom | |
| gehöre einfach zu ihrem Rollenbild. | |
| ## Unterhaltsamer Tanz um ernste Themen | |
| Und die im ersten Teil prominenten Prügelchoreografien, in denen Venom als | |
| schwarzer Schleim aus Eddies Körper wächst, sind rarer gesät, überhaupt | |
| steckt weniger die titelgebende Blutbad-Action, sondern eher verschrobener | |
| Sitcom-Humor in dem ab 12 Jahren freigegebenen Film. | |
| „Venom: Let There Be Carnage“ ist dennoch keine seriöse Auseinandersetzung | |
| mit Gewalt oder Gender. Aber Serkis und seine Drehbuchautorin Kelly Marcel, | |
| die auch den ersten Teil verantwortete, tanzen unterhaltsam um die | |
| Komplexität herum, die in diesen Themen steckt. | |
| Tom Hardy spielt mit Körpereinsatz und Verve; und dass man von Carnages | |
| Freundin Francis als echte Marvel-Heldin noch einiges hören wird, und zwar | |
| im wahrsten Wortsinn, ist klar: Ihr Superheldinnentitel lautet Shriek, | |
| wieder so ein sprechender Name. In diesem Fall schreit er sogar. | |
| 26 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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