# taz.de -- Kinofilm „Spider-Man: Far from Home“: Superheld mit Parfum-Alle… | |
> Mit selbstironischem Ton und unbekümmert juveniler Note sorgt der | |
> Spinnenmann für Superhelden-Filmvergnügen. Diesmal mit Abenteuern in | |
> Europa. | |
Bild: Überraschung beim Zoll: Spider-Man reist mit Kostüm | |
„Why must I be a teenager in love?“ Das schmachten Dion and the Belmonts | |
verzweifelt seit 60 Jahren. Weil es ein verliebter Teenager schwer hat – | |
auch wenn er ein ganz besonderer Typ ist, mit besonderer Macht und daraus | |
resultierender besonderer Verantwortung: Peter Parker, der ebenfalls fast | |
schon 60 Jahre als Marvel-Superheld „Spider-Man“ seine Netze auswirft, fand | |
seinen Weg durch mehrere Cartoon- und Kino-Reinkarnationen (unter anderem | |
verkörpert von Andrew Garfield und Tobey Maguire) bis ins „Marvel Cinematic | |
Universe MCU“. | |
Dort leiht ihm seit „The First Avenger: Civil War“ der britische | |
Schauspieler Tom Holland die zierliche, aber kräftige Turnergestalt. Und | |
hat den nervösen, pubertären, zweifelnden Superhelden-Charakter im ersten | |
MCU-Solo-Reboot „Spider-Man: Homecoming“ bereits bestens etabliert. So gut | |
und teenieaffin, dass Regisseur Jon Watts auch das nächste | |
Spider-Man-Abenteuer anvertraut wurde. | |
Im Sequel „Spider-Man: Far from Home“ tut Peter Parker jedoch zunächst das, | |
was Jugendliche kurz vor Ende der High School so tun: Keinen Bock haben. | |
Parker, dessen hochverehrter Mentor Tony Stark alias Iron Man ein | |
Marvel-Abenteuer zuvor (Avengers: Endgame) den letzten Atemzug tat, braucht | |
eine Pause. Ein Superhelden-Sabbatical sozusagen, eine Auszeit vom | |
Weltretten. | |
Dass Parkers High-School-Klasse inklusive seines besten Freundes Ned (Jacob | |
Batalon) und seiner Angebeteten MJ (Zendaya) eh gerade eine Europareise | |
plant, passt dem insektoid aufgepimpten Schambolzen also gut in den Kram: | |
In Venedig, das teilt er Ned mit, will er MJ eine gläserne Halskette mit | |
einer „Schwarzen Dahlie“ kaufen, in Paris, auf dem Eiffelturm, wo sonst, | |
will der Teenager in love dem coolen Mädchen ebendas gestehen. | |
Doch es kommt alles anders. In einem mit punktgenauem Slapstick gespickten, | |
wilden Sightseeing-Ritt durch Europa ist Parker spätestens in Venedig doch | |
ganz froh, dass Tante May (Marisa Tomei) ihm das Spider-Man-Kostüm in den | |
Koffer schmuggelte. Denn es ist derbe was los in den Grachten und Kanälen | |
der Lagunenstadt: Nach ein paar Taubenfütter-Selfies auf dem Markusplatz | |
werden Parker, seine Mitschüler*innen und, nun ja, eigentlich wieder die | |
ganze Welt von etwas Neuem, Großem, abgrundtief Bösem angegriffen – den | |
„Elementals“, aus einem Paralleluniversum stammende Urkräfte, die einen, | |
getreu ihrem Namen, am liebsten mit Feuer, Wasser und so weiter versohlen. | |
Wo Spider-Man auf den Zauberer von Oz trifft | |
Trotz dieser Gefahr geht es dem in null Komma nichts zum | |
Blockbuster-Verantwortlichen aufgestiegenen, 38-jährigen Regisseur Watts | |
wie bereits im Vorgängerfilm nicht wirklich um Kampf. Oder um dessen | |
Darstellung: Ohne zu spoilern, kann verraten werden, dass der Clou in | |
„Spider-Man: Far from Home“ in gewisser Weise eher an eine Schlüsselszene | |
in „The Wizard of Oz“ von 1939 erinnert, in der Dorothy und ihre Freunde | |
die wahre Identität des großen, bösen Zauberers aufdecken (mithilfe des | |
Terriers Toto). | |
Der mit beeindruckenden, schwindelerregend schnellen | |
CGI-spring-flieg-schwing-Szenen ausgestattete, 80 Jahre später inszenierte | |
neue „Spider-Man“ wirkt zwar oberflächlich wie ein Superhero-Spektakel – | |
und bleibt doch in Intention und Symbolik auf eine rührende Weise | |
anachronistisch. | |
Zudem konterkariert Parkers alias Spider-Mans Schüchternheit die | |
klassische, selbst vom sarkastischen Iron Man in all seinen Filmen gewahrte | |
Superhelden-Attitude so gut, dass gar potenzielle | |
Saturday-Night-Live-Sketche dabei herauskommen. Etwa wenn Parker beim | |
Langstreckenflug von den USA nach Europa auf Schäferstündchen mit MJ | |
spekuliert, dann aber wegen einer doof ausgedachten Aktion seines Kumpels | |
Ned nicht den Sitz neben MJ, sondern einen ganz anderen bekommt: „Parker | |
hat eine Parfum-Allergie, er muss den Platz wechseln“, tönt Ned, und will | |
MJs Sitznachbarin damit zum Umsetzen antreiben. | |
Spillerig, nervös, aber sympathisch | |
„Höre ich Parfum-Allergie?“, meldet sich daraufhin jedoch der Lehrer zu | |
Wort. Fortan klemmt Parker acht Stunden (Übersee!) wie auf Kohlen zwischen | |
den beiden dussligen Paukern sowie zwischen Fenster und Gang und dreht sich | |
ab und an wehmütig zu MJ und einem Konkurrenten um, der ihr ein paar Reihen | |
weiter vorn den Hof macht, pfui Spinne: Ein situationskomischer Witz wie | |
aus den 50ern – der von Regisseur Watts mit größtmöglicher Hingabe und | |
einem überzeugenden Sinn für Timing inszeniert wurde. | |
„Spider-Man: Far from Home“ schafft es mit diesen Tricks durchaus, den | |
selbstironischen Ton der MCU-„Thor“-Filme auf eine eigene, unbekümmerte, | |
und passend juvenile Art zu interpretieren. Denn während der mythische | |
Donnergott Thor in seiner Marvel-Version mit Chris Hemsworth eine | |
angemessen muskulöse Interpretation fand, schaut man hier einem | |
spillerigen, nervösen, sympathischen Milchbubi zu. | |
Der am Ende der dramaturgisch etwas zu ausgewalzten Geschichte vielleicht | |
nicht wirklich einen nachhaltigen Erkenntnisgewinn zu verzeichnen hat, | |
genauso wenig wie das Publikum. Aber man lernt ja nie aus. | |
3 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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