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# taz.de -- Petition der Woche: Nicht einfach nur müde
> Wer an ME/CFS erkrankt, muss oft um den Status „krank“ kämpfen, um nicht
> einfach nur als „müde“ zu gelten. Eine Petition macht darauf nun
> aufmerksam.
Bild: Dauerkrank im dunklen Zimmer
Ein Video [1][geht in den sozialen Netzwerken um], es zeigt zwei Bilder von
jeweils ein und derselben Person. Links: jung, strahlend, vielleicht im
Urlaub oder mit Freunden. Rechts: offensichtlich erschöpft, abgeschlagen,
meist im Bett. Geteilt wird das Video von der Initiative SIGNforMECFS. Die
[2][hat eine an den Bundestag gerichtete Petition gestartet], die auf die
Lage von ME/CFS-Patient:innen in Deutschland aufmerksam machen soll.
Eine der Initiatorinnen ist Claudia Schreiner. Sie leidet seit 13 Jahren an
der Krankheit. „Ich liege 97 Prozent des Tages im abgedunkelten Zimmer“,
erzählt sie. Elementare Dinge wie Zähneputzen oder der Gang in die Küche
sind für die Berlinerin eine Herausforderung. Früher ging sie arbeiten,
traf sich mit Freunden und war leidenschaftliche Bäckerin. Dann erkrankte
sie an ME/CFS und all das war nicht mehr möglich. Von ihrem Bett aus kämpft
sie für die Anerkennung der Krankheit und eine bessere medizinische
Versorgung.
Denn diese gilt als besonders schlecht: Viele Ärztinnen und Ärzte wissen
gar nicht erst von der Krankheit, berichtet Schreiner. So habe sie schon zu
hören bekommen, das mit ihrer „Hardware“ alles in Ordnung sei, stattdessen
gebe es ein Problem mit ihrer „Software“.
Alles nur psychisch? Die Weltgesundheitsorganisation sieht das anders. Seit
1969 führt sie ME/CFS als schwere neuroimmunologische
Multisystemerkrankung. ME steht für „myalgische Enzephalomyelitis“, wird
aber auch als „Chronisches Fatigue Syndrom“ – CFS – bezeichnet. Eine
Begrifflichkeit, die viele Betroffene ablehnen. Wer erkrankt, ist nicht
einfach nur müde, sagen sie. Zu den Symptomen gehört noch viel mehr, etwa
eine ausgeprägte Belastungsintoleranz, Muskelschmerzen, Schlafstörungen und
kognitive Einschränkungen. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS schätzt die
Zahl der Betroffenen in Deutschland auf 250.000.
## Es gibt noch viel Forschungsbedarf
Bislang ist die Krankheit kaum erforscht. Viele haben Schwierigkeiten,
überhaupt eine Diagnose zu bekommen. Das bestätigt auch die Ärztin
[3][Patricia Grabowski]. Sie arbeitet am Fatigue Centrum der Berliner
Charité, eine der wenigen Anlaufstellen für ME/CFS-Erkrankte in
Deutschland. „Die Patienten werden alleingelassen“, sagt sie. Auslöser für
die Erkrankung sei meist eine Infektion, von der sich die Patient:innen
nicht mehr erholten. „Man bleibt dauerkrank.“
Um die Krankheit besser zu verstehen, gebe es noch viel Forschungsbedarf,
sagt Grabowski. Doch genau da liege das Problem: „Bis jetzt hatte man kaum
eine Chance, an Forschungsgeld zu kommen.“ Erst durch die Aufmerksamkeit
[4][rund um Long Covid] habe sich das etwas geändert. Derzeit läuft ein
Projekt mit Mitteln des Gemeinsamen Bundessausschusses zur Entwicklung
erster Therapieansätze in Höhe von 2,8 Millionen Euro.
Konkret fordern die Betroffenen in ihrer Petition die Aufnahme der
Krankheit in den Paragrafen § 116b SGB V, der die interdisziplinäre
Zusammenarbeit von Fachleuten ermöglichen soll, sowie höhere
Forschungsinvestitionen aus staatlichen Mitteln. Um ihr Anliegen im
Petitionsausschuss des Bundestags vorbringen zu können, benötigen sie
50.000 Unterschriften. Bislang haben sie etwas mehr als die Hälfte
zusammen. Bis zum 9. November kann noch unterschrieben werden.
6 Nov 2021
## LINKS
[1] https://twitter.com/loy_daniel_de/status/1453398051238948872
[2] https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2021/_04/_09/Petition_122600.$…
[3] https://cfc.charite.de/metas/person/person/address_detail/grabowski-7/
[4] /Spaetfolgen-von-Covid-19/!5777303
## AUTOREN
Kathrin Becker
## TAGS
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