# taz.de -- Indigene Pionierin im US-Basketball: Vorbild für Widerständigkeit | |
> Die indigene US-Sportlerin Ryneldi Becenti ist trotz aller Widrigkeiten | |
> in die höchste US-Basketballliga gelangt und wurde zur Ikone ihrer | |
> Community. | |
Bild: Basketball im Armenviertel: die Aufstiegsmöglichkeiten sind hier auch ü… | |
Schon als Ryneldi Becenti im College spielte, kamen die Menschen. Eine | |
Reportage aus dem Jahr 1993 beschreibt, wie zu den Basketballspielen des | |
Frauenteams der Arizona State University Hunderte von Diné anreisten. Die | |
Diné, Mitglieder jenes indigenen Stammes, der in der Populärkultur oft und | |
ungern Navajos heißt, reisten bis zu fünfeinhalb Stunden aus den Reservaten | |
an, um Ryneldi Becenti zu sehen, Guard bei der Arizona State und die Erste | |
der Ihren – und verdoppelten den lokalen Zuschauerrekord für Basketball der | |
Frauen. | |
Ihre Trainerin Maura McHugh sagte da: „Sie ist die Heldin des Reservats. | |
Sie erlebt solchen Druck, das perfekte Vorbild zu sein, jedes Spiel ein | |
perfektes Spiel zu machen. Die Leute haben Angst, dass sie nicht zu ihnen | |
zurückkehrt, dass sie zu modern geworden sei. Ich dagegen habe Angst, dass | |
sie unter so viel Druck steht, alle zufriedenzustellen, dass sie sich | |
selbst vergisst.“ Ob Becenti sich selbst vergessen hat, ist nicht | |
überliefert. Aber alle zufriedenzustellen, dafür hat sie gewiss viel | |
getan. | |
[1][Als erste indigene Frau in den USA, so heißt es, brachte sie es zur | |
Spitzensportlerin]; sie hat als Profi in Schweden Basketball gespielt, | |
später in Griechenland und in der Türkei und 1997 als – natürlich – erste | |
Indigene in der Auftaktsaison der WNBA. | |
Kann man das so nach vorne stellen, dass Becenti eine Diné ist, und die | |
erste? Oder reduziert das die Sportlerin bloß auf ein Rassen-Gedöns, das | |
eigentlich überwunden gehört? Indianergeschichten in anders? Ihre indigene | |
Herkunft ist in diesem Fall wohl unerlässlich, weil sie erzählt, warum | |
Ryneldi Becenti überhaupt Basketballerin wird. Wade Davies, Professor für | |
Native American Studies, hat in einem Essay beschrieben, wie indigene | |
Jugendliche sich um die Wende zum 20. Jahrhundert den Basketball eroberten. | |
An den berüchtigten „Indianerschulen“ sollten die Kinder auch mit Hilfe von | |
Sport umerzogen werden. Den Basketball aber, der Parallelen zur indigenen | |
Sportkultur aufwies, machten sie sich zu einem widerständigen Werkzeug: mit | |
eigenem Spielstil und in dieser autoritären Welt tatsächlich oft selbst | |
organisiert. Ein Ort, wo man Freiheit und Anerkennung erleben konnte. | |
Basketball wurde unter Indigenen rasch irre populär. | |
## Respekt durch Basketball | |
Und ein Vehikel auch für Frauen. Basketball, schreibt Davies, war der | |
einzige Sport, der den indigenen Mädchen erlaubt war. Schnell waren sie | |
berühmt für ihr rasantes Spiel und errangen häufig lokale Titel. Auf der | |
Weltausstellung in St. Louis 1904 wurde das Team von Fort Shaw mit frühen | |
Stars wie Nettie Werth und Emma Sansaver von einigen Reportern zu | |
Weltmeisterinnen deklariert. | |
In den Reservaten wurde das Spiel allgegenwärtig, beide Eltern von Ryneldi | |
Becenti spielten passioniert. Später erzählte Becenti, dass Basketball ihr | |
als Verbindung zu ihrer an Krebs verstorbenen Mutter diene. Und Vater Ray, | |
der offenbar durchaus ein Schleifer sein konnte, sagte ihr, bevor sie aufs | |
College ging: „Du gehst in eine Welt, in der niemand dich respektiert, es | |
sei denn, du beweist ihnen, dass sie falsch liegen. Und der einzige Ort, an | |
dem du das tun kannst, ist ein Basketball-Court.“ | |
Dass Becenti [2][es in die WNBA schaffen würde], war dennoch nicht allzu | |
wahrscheinlich. Ein Trainingslager hat sie nie erlebt, zu Hause übte sie | |
auf improvisierten Courts mit Linien aus Mehl. Der Vater, wie so viele im | |
Reservat zeitweise arbeitslos, konnte ihr wenig kulturelles Kapital fürs | |
College mitgeben, und in einem Interview sagte sie, sie wäre sicher am | |
College an Heimweh und Isolation gescheitert, wären da nicht all die Diné | |
gewesen, die zum Basketball strömten. „Wenn ich sie sehe, fällt alle | |
Anspannung von mir ab. Ohne sie hätte ich mein Selbstvertrauen verloren.“ | |
Schon zu dieser Zeit ist Ryneldi Becenti gespalten zwischen alten Riten und | |
Außenwelt; aber die Heimat ist stärker. „Ich werde zurückkehren, wenn ich | |
alles erobert habe. Ich habe so viele Freunde dort, so viel Familie und so | |
viel Spaß. Ich kann sein, wer ich bin. Aber wenn ich zurückkehre, brauche | |
ich immer eine Weile, um mich wieder einzugewöhnen.“ | |
Nach einer Laufbahn, deren Größe sich nicht in Titeln bemisst, ist Becenti | |
heute Jugendtrainerin und Mentorin im Reservat. Das Vorbild, das sie immer | |
sein wollte und sein musste. Oder, um es mit einer ihrer ehemaligen | |
Lehrerinnen zu sagen: „Sie ist für unsere Leute, was Pelé für Brasilien | |
war.“ | |
28 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://sports.yahoo.com/changed-the-game-ryneldi-becenti-paved-way-for-nat… | |
[2] /US-Frauenbasketball-hat-Plaene/!5805977 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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