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# taz.de -- Israels Vorstoß gegen NGOs in Palästina: Auf Konfrontation mit Eu…
> Israel hat sechs bekannte palästinensische Menschenrechts-NGOs als
> „terroristisch“ eingestuft. Der Schritt hat Auswirkungen bis nach Berlin.
Bild: Wird er weiterarbeiten können? Ein Mitarbeiter der Organisation Addameer…
Berlin/Tel Aviv taz | Es ist eine unerwartete Eskalation in einem [1][seit
Jahren schwelenden Konflikt]: Israels Verteidigungsminister Benny Gantz hat
sechs palästinensische Menschenrechtsorganisationen, die maßgeblich aus
Europa unterstützt und finanziert werden, zu „Terrororganisationen“
erklärt. Die Organisationen agierten als Arm der Volksfront zur Befreiung
Palästinas (PFLP), welche in der EU, den USA und in Israel auf der
Terrorliste steht.
Laut Gantz haben die Organisationen „große Geldsummen von europäischen
Ländern und internationalen Organisationen erhalten und dabei Betrugs- und
Täuschungsmethoden angewandt“. Das Geld sei zur Förderung und Finanzierung
der PFLP, deren „Hauptbeschäftigung die Befreiung Palästinas und die
Zerstörung Israels“ sei, eingesetzt worden, so das
Verteidigungsministerium.
Alle sechs Organisationen betreiben Menschenrechtsarbeit: Die
prominenteste, [2][Al-Haq], dokumentiert Verstöße gegen Menschenrechte in
den palästinensischen Gebieten. Eine weitere, [3][Addameer], bietet
politischen Gefangenen Rechtsbeistand. Die palästinensische Sektion von
Defense for Children International (DCI-P) wiederum setzt sich für den
Schutz von Kinderrechten ein.
Zudem stehen nun auch die Frauenrechtsorganisation [4][Union of Palestinian
Women Committees Society] (UPWC), das [5][Bisan Center for Research and
Development] sowie die [6][Union of Agricultural Work Committees] (UAWC),
die sich für palästinensische Landwirt*innen einsetzt, auf Israels
Terrorliste.
Die Vorwürfe stehen schon lange im Raum, Gantz’ Schritt kam aber
offensichtlich auch für Teile der israelischen Regierung unerwartet. Auf
einer Koalitionssitzung am Sonntag forderten die Vorsitzenden der linken
Partei Meretz und der Arbeitspartei Ministerpräsident Naftali Bennett auf,
Gantz’ Vorstoß auszubremsen. Gantz hielten sie an, die konkreten Beweise zu
präsentieren, die zu seiner Entscheidung geführt haben. Noch ist die
Anordnung nicht in Kraft. Die betroffenen Organisationen können noch
Berufung einlegen.
## Geld aus Europa
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der betroffenen Organisationen am
Samstag in Ramallah kündigten diese an, sich von der Ankündigung nicht
abschrecken zu lassen. Das palästinensische Außenministerium verurteilte
die Entscheidung als strategischen Angriff auf die palästinensische
Zivilgesellschaft und das Grundrecht des palästinensischen Volkes, sich der
israelischen Besatzung zu widersetzen und anhaltende Verbrechen
aufzudecken.
Doch der israelische Vorstoß dürfte Auswirkungen weit über Israel und
Palästina hinaus haben. Länder wie Norwegen, Schweden oder Belgien und ganz
vorn auch die Bundesregierung unterstützen die palästinensische
Zivilgesellschaft, meist über Drittorganisationen. So arbeiten Dutzende
europäische Stiftungen und andere Nichtregierungsorganisationen auch mit
den nun zu „Terrororganisationen“ erklärten Partnern in Palästina zusamme…
Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung etwa kooperiert sowohl mit Al-Haq als
auch [7][mit Addameer]. Die Hilfsorganisation Medico International zählt
unter ihren Partnern ebenfalls Al-Haq sowie UAWC auf. Der
Weltfriedensdienst arbeitet neben Al-Haq zudem mit DCI-P zusammen und hat
sogar eine „Friedensfachkraft“ entsandt, die DCI-P unterstützt. Auch die
Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), ein
Bundesunternehmen, unterstützt UAWC.
Stellungnahmen von den europäischen Geldgebern zu den schwerwiegenden
Vorwürfen aus Jerusalem blieben bis Montagnachmittag allerdings die
Ausnahme. Das für die deutsch-palästinensische Entwicklungszusammenarbeit
zuständige Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ)
äußerte sich auf taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht.
Am deutlichsten wurde die schwedische Regierung: Man sei nicht vorab
informiert worden und müsse die Vorwürfe gegen Partnerorganisationen der
schwedischen Regierung erst prüfen, twitterte Entwicklungsminister Per
Olsson Fridh. Allerdings hätten sich in der Vergangenheit Vorwürfe des
Missbrauchs schwedischer Hilfsgelder an palästinensische Organisationen
nicht bestätigt. Der Minister schob hinterher, dass man besorgt sei über
den „rapide schrumpfenden Raum für Organisationen der palästinensischen
Zivilgesellschaft.“
## Scharfe Kritik von Medico International
Der in Berlin ansässige Weltfriedensdienst teilte auf taz-Anfrage mit: „Der
unbelegte Terrorismusvorwurf ändert nichts an unserer Zusammenarbeit mit
Al-Haq und unseren anderen Partnerorganisationen in Palästina und Israel.“
Gemäß demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien müssten
Terrorismusvorwürfe zivilgerichtlich bewiesen werden. „Dies ist bisher
nicht geschehen.“
Scharfe Kritik an Gantz' Schritt übte die Hilfsorganisation Medico
International aus Frankfurt am Main: „Diese Entscheidung folgt der seit
Jahrzehnten praktizierten Besatzungslogik, diejenigen politisch oder
zivilgesellschaftlich organisierten Teile der palästinensischen
Gesellschaft, die sich nicht kooptieren lassen und Siedlungspolitik sowie
Menschenrechtsverletzungen die Stirn bieten, zu kriminalisieren.“ Da die
Vorwürfe „nie bewiesen“ worden seien, schaffe Israel „eine Form der
Beweisumkehr“: Nicht die Vorwürfe, sondern die Unschuld der Betroffenen
müssten nun bewiesen werden.
Offen ist zum jetzigen Zeitpunkt noch, ob auf die Designation als
Terrororganisation weitere Schritte folgen. So könnten die Büroräume der
betroffenen Organisationen etwa in Ramallah geschlossen und
Arbeitsmaterialien beschlagnahmt werden. Auch müssten konsequenterweise
Verhaftungen von Mitarbeitenden folgen, zu denen vereinzelt auch
internationale Mitarbeitende zählen.
Sollte es dazu kommen und sollten die europäischen Geldgeber dennoch an
ihrer Unterstützung der betroffenen Organisationen festhalten, dürften
massive logistische Probleme auf sie zukommen. Denn eine finanzielle
Unterstützung der palästinensischen Zivilgesellschaft gegen den Willen
Jerusalems ist kaum möglich. Ohne den Umweg über das israelische
Bankensystem gelangt kein Euro in die besetzten Gebiete.
26 Oct 2021
## LINKS
[1] /Vorwurf-aus-Israel/!5571474
[2] https://www.alhaq.org/
[3] https://www.addameer.org/
[4] http://upwc.org.ps/?lang=en
[5] https://www.bisan.org/
[6] https://www.uawc-pal.org/index.php?&amp&lang=en
[7] https://www.boell.de/de/2019/10/08/die-fakten-zur-bild-meldung-vom-05102019
## AUTOREN
Jannis Hagmann
Judith Poppe
## TAGS
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