# taz.de -- Experte über Jusos und Fatah-Jugend: „Die Kooperation ist ja nic… | |
> Die Palästinensische Fatah-Jugend als Schwesterorganisation der Jusos: | |
> Islamwissenschaftler Christoph Dinkelaker erklärt, ob das problematisch | |
> ist. | |
Bild: Die Jusos erklärten beim Bundesparteitag die palästinensische Fatah-Jug… | |
taz: Der SPD-Nachwuchs ist aktuell schwerer Kritik ausgesetzt. Die Jusos | |
billigten den Hass gegen Juden, sie schlügen sich auf die Seite von | |
Extremisten, hätten ein Antisemitismusproblem – all das, weil sie auf dem | |
Bundesparteitag die palästinensische Fatah-Jugend zur Schwesterorganisation | |
erklärten. Wie nehmen Sie diese Debatte wahr? | |
Dinkelaker: In Bezug auf den [1][israelisch-palästinensischen Konflikt] | |
erlebe ich seit einigen Jahren in der deutschen Parteipolitik eine | |
zunehmende Fokussierung auf eine verbale Solidarisierung mit Israel, | |
während palästinensische Perspektiven außer Acht gelassen werden. Ähnlich | |
verhält es sich mit genau diesem Vorfall. Der historische Kontext des | |
Konflikts und der Fatah wird ignoriert. | |
Bei aller berechtigter Kritik an Vetternwirtschaft und autoritärer | |
Herrschaft im Westjordanland: Die Fatah hat sich sehr lange für die | |
Zweistaatenlösung eingesetzt – auch gegen die Widerstände anderer | |
palästinensischer Gruppen. Bis zum Ende der Obama-Administration hat die | |
Fatah diplomatische Lösungen priorisiert. Trotz anhaltender Besatzung und | |
Annexionspolitik wandte sie sich später als weite Teile der | |
palästinensischen Zivilgesellschaft [2][Strategien wie BDS (Boykott, | |
De-Investitionen und Sanktionen)] zu, die nicht auf Zusammenarbeit und | |
Dialog abzielen. | |
War die Kritik zumindest von CDU und FDP nicht zu erwarten? | |
Die Kooperation der Jusos mit der Fatah-Jugend ist ja nicht neu. Die | |
Zusammenarbeit gibt es seit Mitte der 90er Jahre, und auch die Bezeichnung | |
Schwesterorganisation ist nicht neu. Was sich verändert hat, ist der | |
Diskurs in Deutschland, dahingehend, dass palästinensische Perspektiven | |
immer stärker an den Rand gedrängt und vor allem delegitimiert werden. | |
Bis in die 90er und auch die 2000er Jahre galt die Fatah noch eher als | |
„good guy“ gegenüber der als extremistisch bezeichneten Hamas. [Die | |
islamistische Terrororganisation Hamas kämpft mit militärischen Mitteln | |
gegen Israel und dessen Zivilbevölkerung und bezog sich in ihrer Charta | |
lange auf die extrem antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“, die | |
erwiesenermaßen eine Fälschung sind; d. Red.] | |
Aber ja, man konnte damit rechnen, dass für Kreise um CDU und FDP die | |
Bezeichnung „Schwesterorganisation“ ein gefundenes Fressen ist. Aus meiner | |
Sicht ist das aber vielmehr Ausdruck für die schrumpfenden Räume, in denen | |
man sich zum Thema Israel-Palästina bewegen kann. Es geht um eine | |
Veränderung in Deutschland, nicht um ein grundlegendes Ereignis, das sich | |
in Israel oder Palästina abgespielt hätte. Spannend ist, dass hier Deutsche | |
mit Deutschen streiten. Israelische und insbesondere palästinensische | |
Perspektiven spielen überhaupt keine Rolle. In Israel und Palästina scheren | |
sich sehr wenige Menschen darum, ob bei den Jusos jetzt von einer | |
Schwesterpartei gesprochen wird. | |
Gäbe es für die Jusos alternative palästinensische Partnerorganisationen? | |
Allgemein gesprochen gibt es innerhalb der palästinensischen | |
Jugendorganisationen heute praktisch keine Kraft, die sich nicht auch für | |
Formen des unilateralen Vorgehens, wie Sanktionierungen Israels einsetzt | |
[gemeint ist etwa der Boykott im Zusammenhang mit BDS; d. Red.], eben weil | |
der Oslo-Prozess, der bis zum Jahr 1999 zur Zweistaatenlösung hätte führen | |
sollen, 21 Jahre später noch nicht umgesetzt ist. | |
Das Vertrauen, dass die israelische, militärisch und machtpolitisch | |
überlegene Seite sich auf eine Form von Kompromiss einlässt, ist unter | |
allen Kräften aufgrund dieser zermürbenden Zeit geschwunden. Es gibt | |
jenseits der Fatah keine relevante Gruppe, die Israel gegenüber | |
kompromissbereiter wäre. | |
Wie sollten die Jusos auf die Kritik reagieren? | |
Die Jusos tun gut daran, sich einerseits vorbehaltslos hinter das | |
Existenzrecht Israels zu stellen und gleichzeitig klarzustellen, dass es | |
ohne die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts palästinensischer Menschen | |
keinen Frieden geben wird. Dementsprechend muss man sich beiden Seiten | |
gegenüber solidarisch zeigen. | |
3 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Nahost-Konflikt/!t5007999 | |
[2] /Debatte-um-BDS/!5610738 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Antisemitismus | |
SPD | |
Jusos | |
Fatah | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Israel | |
Israel | |
Mahmud Abbas | |
Kolumne Die Mendel'schen Regeln | |
Amadeu-Antonio-Stiftung | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Israels Vorstoß gegen NGOs in Palästina: Auf Konfrontation mit Europa | |
Israel hat sechs bekannte palästinensische Menschenrechts-NGOs als | |
„terroristisch“ eingestuft. Der Schritt hat Auswirkungen bis nach Berlin. | |
Wahlen in Palästina: Startschuss für den Erbkampf | |
Abbas will Ende Juli Präsidentschaftswahlen abhalten. Es ist | |
unwahrscheinlich, dass das passiert. Es könnte sich aber die Nachfolgefrage | |
klären. | |
Holocaustgedenkstätte Yad Vashem: Effi aus Israel | |
Ob Jana aus Kassel oder der ultrarechte Effi Eitam, der Leiter der | |
Holocaustgedenkstätte Yad Vashem werden soll: Erinnerungspolitik kann jeder | |
machen. | |
Bildungsprojekt gegen Antisemitismus: Bald am Ende | |
In Niedersachsen soll ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung gegen | |
Antisemitismus nicht weiter gefördert werden. Dabei ist die Nachfrage groß. | |
Offener Brief zu Israel und Palästina: Für ein Recht auf Kritik | |
Arabische Intellektuelle kritisieren Instrumentalisierung des Kampfes gegen | |
Antisemitismus. Ziel sei es, palästinensische Stimmen zu unterdrücken. |