# taz.de -- Mieterbund-Präsident über Ampelpläne: „Sechs Jahre keine Miete… | |
> Das Ampel-Sondierungspapier sei bei der Mietpolitik viel zu lasch, sagt | |
> Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund. Er fordert einen | |
> Mietenstopp. | |
Bild: Rote Hand vor dem Reichstag: Kampagne Mietenstopp fordert am Donnerstag b… | |
taz: Herr Siebenkotten, im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP kommt | |
der Schutz von Mieter:innen nur einmal vor: Die geltenden Regelungen | |
sollen „evaluiert und verlängert werden“. Was haben Sie gedacht, als Sie | |
das gelesen haben? | |
Lukas Siebenkotten: Dass sich offensichtlich die FDP durchgesetzt hat. Die | |
geltenden Mieterschutzregelungen zu evaluieren, ist total überflüssig und | |
unsinnig. Wir wissen doch, dass sie nicht ausreichen, um Mietsteigerungen | |
zu begrenzen. Da muss man nichts mehr evaluieren. [1][SPD und Grüne hatten | |
sich in ihren Wahlprogrammen] auch klar und deutlich für solche | |
Begrenzungen ausgesprochen. Dass das im Sondierungspapier nun nicht | |
vorkommt, ist ein Schlag ins Kontor der Mieter. | |
Also müssten Grüne und SPD nachverhandeln? | |
Ich kann nur darauf hoffen. Wir brauchen eine deutlich stärkere Begrenzung | |
der Mieten als das jetzige Gesetz sie vorsieht. Die Mieten, die noch | |
einigermaßen bezahlbar sind, müssen bezahlbar bleiben. Wir sind auch keine | |
Illusionisten, die alles staatlich regulieren wollen. Aber wer Begrenzungen | |
von Mieterhöhungen heute ausschließt, hat den Schuss nicht gehört. | |
Was fänden Sie angemessen? | |
Wir fordern einen Mietenstopp. Wir wollen, dass es sechs Jahre lang | |
überhaupt keine Mieterhöhungen gibt, damit in der Zwischenzeit genügend | |
bezahlbarer Wohnraum entstehen kann und der Markt sich hoffentlich wieder | |
etwas entspannt. | |
Aber die FDP findet Mietbegrenzungen schrecklich. | |
Die Grundhaltung der FDP ist: Möglichst den Staat aus dem Spiel lassen und | |
auf den Markt vertrauen. Die Marktwirtschaft finde auch ich gut. Aber sie | |
muss Korsettstangen bekommen, damit sie zum gewünschten Ergebnis führt. Wir | |
haben gerade beim Bauen in den letzten zehn Jahren gesehen, dass reine | |
Marktwirtschaft nichts nützt – zumindest nicht den Menschen, die auf | |
bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Beim Wohnraum für die oberen | |
Zehntausend, da funktioniert der Markt 1a. | |
Aber das soll sich laut Sondierungspapier ändern. Das Ziel ist: 400.000 | |
neue Wohnungen pro Jahr – 100.000 davon öffentlich gefördert. | |
100.000 geförderte Wohnungen wären wirklich gut. Allerdings ist unklar, | |
woher das Geld kommen soll. Wenn die finanzielle Unterstützung des Bundes | |
für den sozialen Wohnungsbau in gleicher Höhe fortgeführt werden würde wie | |
bisher, dann wäre das reine Rhetorik. Momentan gibt es [2][1,1 Millionen | |
Sozialwohnungen]. Mitte der 1980er Jahre in der alten Bundesrepublik, also | |
noch vor der Wiedervereinigung, waren es noch 3,5 Millionen. Es wird viel | |
weniger gebaut, als aus der Bindung fällt. | |
In den 1980er Jahren gab es auch noch die alte Gemeinnützigkeit, die wurde | |
1990 aber abgeschafft. Die Ampelparteien wollen nun eine neue | |
Wohngemeinnützigkeit einführen. Wohnungsbauunternehmen, die | |
gemeinwohlorientiert arbeiten und Wohnraum für kleinere und mittlere | |
Einkommen schaffen, würden steuerliche Vorteile bekommen. | |
Darüber freue ich mich, wir fordern das seit vielen Jahren. Da haben sich | |
offensichtlich SPD und Grüne durchsetzen können. Die alte | |
Wohngemeinützigkeit wurde unter Bundeskanzler Kohl auch nicht deswegen | |
abgeschafft, weil sie so schlecht gewesen wäre. Das gemeinnützige | |
Wohnungsunternehmen Neue Heimat, dem ganz viele Wohnungen gehörten, hatte | |
nur eine ganze Menge wirtschaftlichen Unsinn betrieben und ging pleite – | |
ein großer Skandal damals. Das wurde zum Anlass genommen, die | |
Gemeinnützigkeit gleich ganz abzuschaffen. | |
Im Sondierungspapier steht, dass Klimaschutz beim Neubau gestärkt und eine | |
energetische Sanierung im Bestand beschleunigt werden soll. Die Sanierung | |
von Gebäuden ist ein wichtiges Feld, um die Klimaschutzziele zu erreichen. | |
Aber werden Mieten damit noch teurer? | |
Auch in dem Punkt ist das Sondierungspapier noch das Gegenteil einer | |
Offenbarung. Es steht nicht drin, wie Mieterinnen und Mietern geholfen | |
werden soll, die das finanziell nicht stemmen können. Energetische | |
Sanierung ist vollkommen richtig, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Nur | |
muss man dann auch dazu sagen: Wer soll das eigentlich bezahlen? | |
Was schlagen Sie vor? | |
Die derzeitige Systematik bei der Finanzierung sollte völlig umgekrempelt | |
werden. Heute dürfen 8 Prozent der anfallenden Investitionskosten auf die | |
Jahreskaltmiete aufgeschlagen werden. Dazu gibt es nun noch eine | |
Kappungsgrenze: Wenn die Miete unter 7 Euro pro Quadratmeter liegt, dann | |
darf man in 6 Jahren nur 2 Euro pro Quadratmeter erhöhen. Und wenn sie über | |
7 Euro lag, drei Euro pro Quadratmeter. Damit wurde in der auslaufenden | |
Legislaturperiode übrigens auch erreicht, dass Mietervertreibung durch | |
angekündigte Luxusmodernisierungen deutlich erschwert ist. Aber das System | |
führt immer noch dazu, dass im Ergebnis der Mieter alles bezahlt. | |
Wie meinen Sie das? | |
Wenn ich 8 Prozent der Modernisierungskosten pro Jahr auf die Miete | |
aufschlagen darf, dann hätte ich normalerweise nach zwölfeinhalb Jahren 100 | |
Prozent bezahlt. Im Ergebnis bezahlt der Vermieter gar nichts, er schießt | |
nur etwas vor, was er hinterher vom Mieter wieder zurückbekommt. Und wenn | |
die Modernisierungskosten ausgeglichen sind, wird die Miete nicht wieder | |
abgesenkt, sondern die bleibt so. Das ist ein vollkommen falsches System. | |
Wie ginge es anders? | |
Wir möchten ein System, das sich im Rahmen der sogenannten | |
Warmmietenneutralität bewegt. Das heißt: Ich kann auf die Kaltmiete nur so | |
viel draufschlagen, wie der Mieter auf der anderen Seite an Heizkosten | |
einspart. Das geht natürlich nicht ohne massive staatliche Zuschüsse. Aber | |
Klimaschutz ist ein Ziel der Gesamtgesellschaft, da kann der Staat ruhig | |
unterstützen. | |
22 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
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