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# taz.de -- Innenstadtbelebung ohne Konsum: Vom Kaufhaus zum Schulhaus
> Seit die Karstadt-Filialen leer stehen, fragen sich viele Städte, was mit
> ihnen passieren soll. In Lübeck werden nun unter anderem zwei zu Schulen.
Bild: Längst weg: Vom Kaufhaus-Namen sind nur Spuren geblieben
Hinter den verdreckten hohen Fensterscheiben thronen noch rote Schilder mit
„Sale“-Aufschrift. Doch reduzierte Waren gibt es im leer stehenden
Karstadt-Sports-Gebäude mitten in Lübecks historischer Altstadt nicht mehr
zu kaufen. Einzig das ganze Gebäude ist zu erwerben. Dafür ist nun ein
Käufer gefunden: Es ist die Stadt. Und die forciert damit die Abkehr der
Dogmatik, dass [1][Innenstadt gleich Einkaufszone] bedeutet.
Seit einem Jahr sind das Erdgeschoss sowie die vier weiteren Etagen des
Gebäudes verwaist. Da schloss Karstadt Sports, keine 50 Meter vom Rathaus
mit seiner historischen rotverklinkerten Fassade entfernt, seine Türen.
Über der Rolltreppe drinnen, die ins Untergeschoss führt, informieren noch
die aufgeklebten Buchstaben, wohin es dort zum Shoppen ging – zu den
Spielwaren, zu den Schreibwaren und, ja, zur „INDER-MODE“. Das K ist
abgefallen, dabei sollen gerade sie, die Kinder, bald das Haus mit Leben
füllen.
Die Lübecker Bürgerschaft hat nun den Weg frei gemacht für die Idee ihres
Bürgermeisters Jan Lindenau (SPD): Er hatte vorgeschlagen, dass die Stadt
doch die Immobilie kaufen könne. Die Lübecker Schulen brauchen dringend
mehr Klassenräume. In den obersten drei Etagen sollen die
Oberstufenschüler:innen zweier Gymnasien um die Ecke künftig ihre
Klassenräume haben.
Darunter wollen sich die Lübecker Hochschulen mit einem „Schaufenster der
Wissenschaft“ präsentieren, die Musikhochschule will dazu noch einen
Lernort für ihre Studierenden bekommen. Das Untergeschoss soll für
Start-up-Unternehmen und Pop-up-Stores bereitstehen. Und die Dachterrasse
mit Panoramablick über die Stadt wird zum Pausenhof der Schüler:innen.
„Auch wir haben hier in Lübeck zu lange der Entwicklung zugeschaut“, sagt
Lindenau. Er glaubt nicht, dass sich der Einzelhandel langfristig noch
einmal erholen wird. „Erst mit Corona hat man sich [2][den sterbenden
Städten] zugewandt, dabei war diese Entwicklung auch vorher schon am
Gange“, sagt er. Doch während sich der Deutsche Städtetag kürzlich für ei…
Paketsteuer für den Onlinehandel ausgesprochen hat, um die lokalen
Geschäfte zu unterstützen, will Lübeck seine Innenstadt lieber aktiv selbst
umgestalten: weg von großen Einkaufshäusern, hin zur gemischten Nutzung der
innerstädtischen Räume und Flächen.
## Ratlosigkeit nach Karstadt-Schließung
Die Schließung von rund 50 Karstadt-Filialen hat im vorigen Jahr [3][viele
Städte kalt erwischt]. Sie fragen sich derzeit verzweifelt, was mit den
leer stehenden Gebäuden in ihren Innenstädten geschehen soll.
Die Antworten vieler Städte zeugen bislang von Rat- und Ideenlosigkeit: Die
Stadt Bremerhaven hat nun ebenfalls ein leer stehendes Karstadt-Gebäude in
der Innenstadt gekauft – um es abzureißen. Doch danach will die Stadt dort
nichts errichten, was in kommunaler Hand bleibt. Stattdessen soll ein
Investor eine „multifunktionale Bebauung und Nutzung“ realisieren. Was
genau das bedeutet, ist noch unklar – Einkaufsmöglichkeiten sollen aber in
jedem Fall wieder entstehen.
Und in Hamburg freut sich das Bezirksamt Bergedorf, dass es in den
Fensterscheiben des leer stehenden Karstadt-Gebäudes für den örtlichen
Tourismus werben darf. Ideen zur alternativen Nutzung des ganzen Gebäudes?
Fehlanzeige.
In Lübeck laufen dagegen die finalen Verhandlungen mit dem bisherigen
Eigentümer zum Kauf. Rund 13 Millionen Euro dürfte die Stadt dafür blechen.
Hinzu kommen wohl noch 25 Millionen Euro für die Sanierung. Viel Geld?
„Teuer ist das vergleichsweise nicht“, sagt Lindenau. Allein ein Anbau an
den zwei Schulen für die benötigten Klassenräume hätte mindestens dieselbe
Summe gekostet.
17 Oct 2021
## LINKS
[1] /Die-These/!5760489
[2] /Corona-und-die-Stadt-der-Zukunft/!5748505
[3] /Einzelhandel-steht-vor-zweitem-Lockdown/!5737306
## AUTOREN
André Zuschlag
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