# taz.de -- Wirtschaftsbehörde startet Bürgerdialog: Wie weiter mit dem Hambu… | |
> Die Hamburger Senat befragt die Bürger, wie sich der Hamburger Hafen | |
> entwickeln sollte. Umschlagswachstum allein scheint keine Lösung mehr zu | |
> sein. | |
Bild: Das Maß der Dinge im Hamburger Hafen: Containerschiff | |
Hamburg taz | Die Hamburger Wirtschaftsbehörde will wissen, wie der Hafen | |
in Zukunft aussehen soll. Mit einem Online-Dialog wendet sie sich nicht nur | |
an Fachpublikum, Hafenwirtschaft und Umweltverbände, sondern an die ganze | |
Stadtgesellschaft. Bis zum 10. November werden unter | |
[1][www.hafen2040.hamburg] „Anregungen, Ideen und Vorschläge“ für einen | |
[2][neuen Hafenentwicklungsplan] gesammelt. | |
„Der Hafen ist für uns von enormer wirtschaftlicher Bedeutung, aber eben | |
auch Lebensraum und Identität“, sagt Wirtschaftssenator Michael | |
Westhagemann (parteilos). „Der Hafen geht uns alle etwas an.“ Er ist | |
geografisch und ökonomisch das Herz Hamburgs; steht der Wind entsprechend, | |
ist er überall zu hören; seine Abgase verteilen sich, wenn auch unmerklich, | |
in der ganzen Stadt. Er frisst ganze Dörfer, bietet seit einiger Zeit aber | |
auch Raum für stadtplanerische Fantasie. | |
„Ideen einzusammeln finde ich richtig“, sagt Henning Vöpel, ehemaliger | |
Leiter des [3][Hamburger Weltwirtschafts-Instituts (HWWI)] und Direktor des | |
[4][Zentrums für Europäische Politik in Berlin]. Bürgerbeteiligung sei | |
mittlerweile ein Standardverfahren. Sie dürfe nur kein Feigenblatt sein. | |
Norman Zurke vom Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH), fragt sich, ob | |
es einen Input gibt, „den ein Bürger geben kann, den jemand aus Fachkreisen | |
nicht leisten kann“, ist im Übrigen aber gespannt auf die Ergebnisse. | |
Klar ist, dass sich die [5][Rahmenbedingungen seit 2012, als der geltende | |
Hafenentwicklungsplan verabschiedet wurde, stark verändert haben]. Vöpel | |
sieht die Notwendigkeit, Klimaneutralität herzustellen. Wenn das gelinge, | |
könnte das dem Hamburger Hafen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. „Das | |
hat das Potenzial, ein Gamechanger zu sein“, sagt Vöpel. | |
Der Wirtschaftsprofessor verweist auch auf geopolitische Veränderungen wie | |
die chinesische Seidenstraßen-Initiative, die eine große Wucht entfalte. | |
Sie verändere den Wettbewerb, indem sich chinesische Unternehmen in | |
europäischen Häfen einkaufen. Dazu komme der Wunsch der Reedereien, sich an | |
Hafenterminals zu beteiligen – so wie die chinesische Reederei Cosco an dem | |
Hamburger Terminal Tollerort. | |
Norbert Hackbusch von der Linken in der Bürgerschaft findet die Beteiligung | |
richtig, weil auf diese Weise Schifffahrtslinien an Hamburg gebunden wird. | |
Zugleich hat sich aber die zu Teilen Hamburg gehörende Reederei Hapag Lloyd | |
beim Tiefseehafen Wilhelmshaven eingekauft. | |
Die Macht der Reeder sei durch die von der Schifffahrtskrise erzwungene | |
Konsolidierung der Branche gewachsen, sagt Vöpel. Gegen diesen Zuwachs an | |
Marktmacht müsse ein Gegengewicht geschaffen werden. Die Häfen sollten | |
vermeiden, in einen sehr teuren Wettbewerb gegeneinander einzutreten. „Wie | |
können wir verhindern, zum Spielball zu werden?“, fragt Vöpel. | |
Hamburg sieht der Forscher in diesem Wettbewerb eher in einer schwachen | |
Position. „Im Grunde hat Hamburg mit jeder Krise Marktanteile verloren“, | |
sagt er. Der neue Hafenentwicklungsplan müsse das berücksichtigen. | |
Prognostizierte der alte Plan trotz der Verwerfungen durch die Wirtschafts- | |
und Finanzkrise von 2008/2009 ein Umschlagswachstum von neun auf 25 | |
Millionen Standardcontainer (TEU) bis 2025, rechnet eine 2020er-Studie der | |
Hafenbehörde HPA mit elf bis 14 Millionen bis 2035. Im Vor-Corona-Jahr | |
waren es 9,3 Millionen. | |
Für den Linken-Abgeordneten Hackbusch ergibt sich daraus die Frage, ob der | |
Hafen tatsächlich so viel Fläche benötigt, wie er heute beansprucht, und ob | |
sich damit nichts Besseres anfangen ließe. „Wir geben als Stadt viel Fläche | |
her“, sagt Hackbusch, „das muss einen Sinn ergeben“. Das heißt, der Hafen | |
müsste trotz der abzusehenden Automatisierung eine hohe Anzahl guter | |
Arbeitsplätze bereitstellen. | |
## Große Unwägbarkeiten im Umschlagsgeschäft | |
Unternehmervertreter Zurke mahnt, dass an die Flächeneffizienz im Hafen | |
keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Das Umschlagsgeschäft | |
sei mit großen Unwägbarkeiten behaftet, sodass Kapazitätsreserven | |
vorgehalten werden müssten. Auch Zurke räumt ein, dass der Hafen sich der | |
ökologischen Transformation stellen müsse. Um den Hafen wettbewerbsfähig zu | |
halten, müssten Mieten, Pachten, Entgelte und Energiepreise gesenkt werden. | |
Wirtschaftsprofessor Vöpel vermutet, dass das nicht reichen werde. Er wirbt | |
dafür, 30 Jahre in die Zukunft zu schauen. „Man muss den neuen | |
Hafenentwicklungsplan groß genug denken im Sinne des Nachdenkens über ein | |
neues Modell“, rät er. Nur so könne Hamburg wieder „vor die Kurve kommen�… | |
Was die Hamburger darüber denken, will die Wirtschaftsbehörde auswerten | |
lassen und veröffentlichen. Die Ergebnisse des Online-Dialogs flössen | |
ebenso wie die Ergebnisse aus Gesprächen und Workshops mit der | |
Hafenwirtschaft, Gewerkschaften und Naturschutzverbänden in den neuen | |
Hafenentwicklungsplan ein. | |
19 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hafen2040.hamburg/dialoge | |
[2] /Plaene-zur-Hamburger-Hafenentwicklung/!5741904 | |
[3] https://update.hwwi.org/einzelseiten-ausgabe-sommer-2020/hafen-studie.html | |
[4] https://www.cep.eu/cep/vorstand.html | |
[5] /Zukunft-des-Hamburger-Hafens/!5068016 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Bürgerdialog | |
Schifffahrt | |
Bürgerbeteiligung | |
Hamburger Hafen | |
Lübeck | |
Wald | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Lübeck kauft Hafenanteile zurück: Das bessere Team | |
Lübecks Hafen ist defizitär. Nun hat die Stadt Hafenanteile von einem | |
privaten Investor für wenig Geld zurückgekauft. Das ist ein guter | |
Schachzug. | |
Bezirksversammlung für Naturschutz: Stauden statt Container | |
Die Harburger Bezirksversammlung beantragt, die Vollhöfner Weiden vom Hafen | |
zu verschonen: In der Nähe gebe es leer stehende Ausweichflächen. | |
Hafenwirtschaft: Senator in der Zwickmühle | |
Streit um Finanzierung der Hafen-Infrastruktur: Wirtschaftssenator Ian | |
Karan will Geld vom Bund - und muss Kritik von der Hafenwirtschaft | |
einstecken. | |
Infrastruktur am Hafen: Container mit Garnierung | |
Ein Ideenwettbewerb zum Hafenausbau in Hamburg zeigt: Die Zukunft gehört | |
wohl doch den Blechkisten, allerdings mit Öko-Energie. Pfiffige Ideen am | |
Rande. |