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# taz.de -- Lübeck kauft Hafenanteile zurück: Das bessere Team
> Lübecks Hafen ist defizitär. Nun hat die Stadt Hafenanteile von einem
> privaten Investor für wenig Geld zurückgekauft. Das ist ein guter
> Schachzug.
Bild: Jetzt wieder unter den Fittichen der Stadt: der Skandinavien-Fährtermina…
Lübeck taz | Das sieht nach einem Bombengeschäft aus: Für 50 Millionen Euro
hat die Hansestadt Lübeck vor 13 Jahren Minderheitenanteile ihrer
Hafenbetriebsgesellschaft LHG [1][an den US-Finanzinvestor Rreef verkauft],
ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank. Ohne viel Aufsehen zu erregen
hat die Bürgerschaft nun im November beschlossen, die Anteile zurück zu
kaufen – für nur rund 4,2 Millionen Euro. Das macht ein sattes Plus von 46
Millionen Euro für die Stadt.
Dass das Geschäft so ausgeht, damit konnten die 80 HafenarbeiterInnen nicht
rechnen, die 2008 mit Trillerpfeifen und Transparenten den Lübecker
Bürgerschaftssaal stürmten. Sie demonstrierten gegen den Verkauf von 25,1
Prozent der städtischen Anteile. Trotzdem hat die Bürgerschaft damals den
Verkauf beschlossen.
Die Lübecker Hafengesellschaft (LHG) betreibt das operative Geschäft, das
sich auf den Kais abspielt. Dazu gehören vier Terminals, an denen direkt
700 und indirekt zehnmal so viele Menschen arbeiten. Der Lübecker Hafen ist
neben den Häfen in Rostock und Kiel der wichtigste deutsche Ostseehafen und
der größte mit Roll-on-Roll-off-Betrieb – sowohl für Fähren als auch für
den Handel mit Fahrzeugen. Zweiter Schwerpunkt ist der Umschlag von
Forstprodukten und Papier.
Die Beteiligung an dieser Logistikdrehscheibe hat sich für den Investor
offenbar nicht gelohnt. „Nach zehn Jahren hatte er nun die Möglichkeit,
seine Anteile wieder zu verkaufen“, sagt Michael Siemensen,
Verantwortlicher für die strategische Hafenentwicklung bei der Lübeck Port
Authority (LPA), der die städtischen Hafenanlagen gehören. Sie vermietet
einen großen Teil ihrer Flächen an die LHG als Betreiber. Die Flächen
selbst waren, bis auf die kleineren, privaten Lehmann-Terminals, stets in
städtischer Hand.
In den 2000er-Jahren erschien eine Investition in Infrastruktur wie bei der
LHG eine sichere Sache. „Doch dann kam 2008 die Wirtschaftskrise“, erinnert
sich Siemensen. „Damals hatte der Hafen 32 Millionen Tonnen Rekordumschlag,
wir sind jetzt bei 25 und schaffen es derzeit nicht grundsätzlich
zuzulegen.“
Das reiche bei weitem nicht, um profitabel zu sein, sagt Axel Flasbarth,
der für die Grünen im Wirtschaftsausschuss den Rückkauf beobachtet hat:
„Der Hafen ist defizitär und schreibt nur deswegen eine schwarze Null, weil
die Stadt auf Mieteinnahmen und die Mitarbeiter auf einen Teil ihrer
Lohnsteigerung verzichten.“
Ein weiterer Grund für die Misere ist Kennern des Betriebs zufolge, dass
2015 ein großer Kunde abgesprungen ist. Trotzdem hat Rreef 2017 weitere
12,1 Prozent von der Stadt gekauft. Insgesamt hielt der Investor damit 35,7
Prozent der Anteile an der Hafengesellschaft. Der Nachkauf sei von Anfang
an vereinbart gewesen – ebenso wie die Verkaufsoption. Im Rückblick sei es
für Rreef ein schlechtes Geschäft gewesen, sich bei der LHG einzukaufen,
sagt der Insider: „Die haben die Notbremse gezogen, um nicht noch mehr
Miese zu machen.“
Aufgrund des laufenden Restrukturierungsprogramms sei das Jahresergebnis,
„trotz der Coronadelle 2020 mit 430.000 Euro im Plus“, sagt die
Pressespecherin der Stadt, Nicole Dorel. Das Programm sieht vor, dass die
Beschäftigten noch bis Anfang 2022 auf insgesamt 17 Millionen Euro Gehalt
und die Stadt auf ebenso viel an Pacht verzichtet.
Es heißt, die MitarbeiterInnen mit alten Verträgen hätten trotzdem noch
teils deutlich höhere Löhne als ihre KollegInnen in Rostock oder Kiel. Der
CDU-Vorsitzende Oliver Prieur forderte deshalb in den Lübecker Nachrichten
eine neue Strategie für den Hafen. Vor der Teilprivatisierung habe die LHG
als „Selbstbedienungsladen“ gegolten, dadurch sei der Hafen „nicht
konkurrenzfähig“. Mit anderen Worten: Die Löhne müssten angeglichen werden.
Der Grünen-Abgeordnete Flasbarth sieht den Rückkauf als Teil eines Trends,
dass Kommunen frühere Privatisierungen rückgängig machen. „Früher hat man
geglaubt, Investoren könnten sehr viel besser wirtschaften als Kommunen“,
sagt Flasbarth. Das habe sich aber nicht bestätigt. Jetzt kann die Stadt
wieder selbst entscheiden, wie sie ihre Tochtergesellschaft entwickelt.
Und: Als Eigentümer können Städte schneller handeln, etwa [2][beim
ökologischen Umbau ihrer Infrastruktur.]
## Die Konkurrenz wird härter
Gerade hat die Hafenbehörde LPA einen Hafenentwicklungsplan für die Jahre
bis 2030 vorgestellt. Darin festgelegt sind vor allem der Ausbau für noch
größere Schiffe, mehr Digitalisierung für den Güterverkehr und eine bessere
Erreichbarkeit der Terminals, die teilweise am Rand der Innenstadt,
teilweise am offenen Meer liegen.
Allerdings wird die Konkurrenzsituation nicht einfacher: Vor Kurzem haben
in Dänemark die unterseeischen Arbeiten für die feste
[3][Fehmarnbeltquerung] begonnen, also für den Tunnel zwischen Fehmarn und
Dänemark, der als Alternative zu den Fährverbindungen nach Südschweden
dienen soll. Ob er dem Hafen Aufträge wegschnappt, hänge „davon ab, was die
Durchfahrt durch den Tunnel im Abgleich mit der Fährfahrt kosten wird“,
sagt Michael Siemensen. Die Stadt gibt sich optimistisch, sie sieht „keine
nachhaltige negative Entwicklung für den Standort“.
Teil des Hafenentwicklungsplans soll auch ein „Klima- und Naturraumkonzept“
sein. Die Betreiber denken dabei sicherlich an die Landstromanschlüsse für
die Schiffe, die auf Anregung eines großen Kunden schon gelegt wurden. Aber
hier ist noch viel Luft nach oben. Gerade hat die LHG eine riesige Halle
gebaut – mit einer wie üblich blanken, gigantischen Dachfläche. Sie mit
Photovoltaik zu belegen, scheint ihr bisher nicht in den Sinn gekommen zu
sein.
4 Jan 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Friederike Grabitz
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Lübeck
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