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# taz.de -- Serie „Reservation Dogs“ bei Disney+: Mitten im Nirgendwo
> „Reservation Dogs“ ist die erste Serie, die komplett von Native Americans
> geschrieben und inszeniert wurde. Sie porträtiert charmant vier Teenager.
Bild: Wie alle Teenager: In „Reservation Dogs“ wollen sie möglichst schnel…
Eigentlich sind Bear (D’Pharaoh Woon-A-Tai), Elora ([1][Devery Jacobs]),
Cheese (Lane Factor) und Willie Jack (Paulina Alexis) ziemlich normale
US-amerikanische Kleinstadt-Teenager. Der Alltag besteht aus
Kleinkriminalität und viel Langeweile, man lotet die eigene Identität
ebenso aus wie das Verhältnis zu den Erziehungsberechtigten, und letztlich
ist das einzige Ziel, möglichst schnell alles hinter sich zu lassen und
anderswo neu anzufangen. So weit, so gewöhnlich.
Und doch ist die Serie „Reservation Dogs“, die die Geschichte dieses
jugendlichen Quartetts erzählt, eine höchst ungewöhnliche. Schon weil sie
die erste ist, die ausschließlich von Native Americans geschrieben und
inszeniert wurde.
Dass die Geschichte der US-amerikanischen Indigenen in Film und Fernsehen
eine weitestgehend unrühmliche ist, ist kein Geheimnis. In früheren Western
waren „die Indianer“ meist die brutalen Bösewichte, in späteren eher „d…
edlen Wilden“.
Im Zentrum standen trotzdem selten sie, sondern die Weißen, die mit ihnen
zu tun hatten. Eine Abbildung modernen autochthonen Lebens muss man in
Hollywood eigentlich bis heute mit der Lupe suchen. Der Alltag in den
Reservaten etwa dient, wenn überhaupt, bevorzugt als schmückendes Beiwerk
in Krimiplots (siehe „Wind River“ oder „Stumptown“).
## In erster Linie Komödie
Alltag gibt es nun in „Reservation Dogs“, erdacht von Filmemacher und
Komiker Sterlin Harjo, mit Unterstützung durch den neuseeländischen
Oscar-Gewinner Taika Waititi, reichlich zu sehen. Der auf [2][Tarantinos
Debüt „Resevoir Dogs“] verweisende Titel und vor allem der Auftakt der
ersten Episode, in der die vier jungen Protagonist*innen ein wenig
unbeholfen einen mit Chips-Tüten gefüllten Lieferwagen stehlen und
verhökern, weckt kurz die Erwartungen an eine temporeiche Heist-Geschichte.
Doch im Verlauf geht es eigentlich vor allem um geruhsames Beobachten.
Der Plot spielt in dieser Serie eine eher untergeordnete Rolle, das Setting
dafür eine umso größere. Das heruntergekommene, dünn besiedelte Örtchen
Okern mag fiktiv sein, doch der Drehort wurde mit Bedacht gewählt. Okmulgee
in Oklahoma – ziemlich buchstäblich „in the middle of nowhere“, wenn man
auf eine Karte der USA blickt – ist seit dem Ende des Sezessionskriegs die
Hauptstadt der Nation der Muskogee, erlebte seine kurze Boom-Zeit vor über
100 Jahren und verzeichnet heute mehr als ein Viertel seiner
Einwohner*innen unterhalb der Armutsgrenze.
Sehr eindrücklich fängt „Reservation Dogs“ die Trostlosigkeit dieser Welt
ein, die Bear und Elora so gerne gegen das Unendliche weit weg und
Kalifornien eintauschen wollen.
Sosehr sich der selbst aus Oklahoma stammende Harjo und sein Team
vordergründig auf allerlei universelle Erfahrungen des Erwachsenwerdens
konzentrieren, so geschickt erzählen sie nebenbei aus der Alltagsrealität
amerikanischer Indigener. Das Wissen um die hohe Suizidrate und
grassierenden Alkoholismus unter Native Americans unterfüttern die
Geschichte ebenso wie Bräuche, der Glaube an Geister oder das Misstrauen in
die Medizin der Weißen.
Bei alldem ist „Reservation Dogs“ trotzdem nie Sozial- oder Milieustudie,
sondern immer in erster Linie Komödie. Der Humor ist oft albern und schräg,
aber zurückgenommener, als man angesichts der Beteiligung Waititis erwarten
könnte, der ja in „Thor: Tag der Entscheidung“ oder „[3][Jojo Rabbit]“
nicht unbedingt subtil war.
Beiläufige Lakonie und Running Gags sowie sehr viel entspannter Charme
machen den Reiz dieser Serie aus, und je besser man die vier einnehmend
verkörperten Protagonist*innen und ihre Umgebung kennenlernt, desto
mehr Spaß macht sie von Folge zu Folge. Auch deswegen ist die Meldung, dass
eine zweite Staffel bereits bestellt ist, so erfreulich.
12 Oct 2021
## LINKS
[1] https://fashionmagazine.com/wellness/my-story-kawennahere-devery-jacobs/
[2] /Radikales-Koerpertheater/!5666431
[3] /Rezension-zu-Nazi-Satire-Jojo-Rabbit/!5656019
## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Streaming
Native Americans
Oklahoma
Serie
Spielfilm
Schwerpunkt Rassismus
Kino
Hitler
Superhelden
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