# taz.de -- Kunsttipps der Woche: Alles eine Frage der Form | |
> Elsa Sahal lässt bei Setareh Keramik glänzen, Kasia Fudakowski | |
> präsentiert für Klosterfelde Edition ihr eigenes Werk in Reisegröße. | |
Bild: Elsa Sahal, „Female Factory“, Ausstellungsansicht | |
Auf den ersten Blick käme man oft nicht darauf, dass es sich bei dem | |
Material, aus dem die Skulpturen Elsa Sahals bestehen, die zurzeit in der | |
Galerie Setareh ausgestellt sind, tatsächlich um Keramik handelt. Mit | |
seiner Emaillierung, seiner Farbe oder Glasur, mal matt, mal glänzend, | |
erinnert es mal eher an Stein, mal an Metall oder Kunststoff. Zu grotesk | |
überzeichneten Körperteilen hat die Künstlerin ihren bevorzugten Werkstoff | |
verarbeitet, Körperteilen, die sich in sich selbst verheddert zu haben | |
scheinen, die so aussehen, als seien sie entgegen der Schwerkraft in alle | |
Windrichtungen geschleudert worden und durch den Schwung aus der Form | |
geraten. | |
Da ist zum Beispiel Sahals Serie „Pole Dance“, die zwar auf eben diese | |
Körperkunst verweist, gleichsam jedoch damit verbundene Erwartungen | |
unterwandert. Weniger erotisch gefällig, dafür umso eher komisch verzerrt | |
sehen die Brüste und Schenkel aus, die Sahal dafür um Stangen windet und | |
drüber hängen lässt. | |
Seit 20 Jahren schon arbeitet Sahal mit Keramik. Wie sie das tut, das lässt | |
sich im Hinterraum der Galerie besichtigen. Ein [1][arte-Interview] mit der | |
Künstlerin läuft dort in Dauerschleife, zeigt sie, wie sie Lehmblöcke auf | |
den Studioboden knallt, damit sie weich und knetbar werden, wie sie darauf | |
herumklopft, Werkzeug hineinstößt oder es geschmeidig in Form streicht. | |
Dazu erzählt Sahal, wie sie sich in ihrer Arbeit mit der von Männern | |
dominierten Kunstgeschichte auseinandersetzt, mit der Geschichte der | |
Skulptur vor allem. Sehen kann man das auch an den ausgestellten Werken | |
ihrer „Female Factory“, den Bezug auf Rodin etwa oder den Futuristen | |
Boccioni – und überhaupt an ihrem Spiel mit dem Blick des Künstlers auf den | |
weiblichen Körper. | |
So auch in ihrer neuesten, extra für die Galerieräume entstandenen | |
Wandarbeit „Dancing Twins“, zusammengesetzt aus deformierten Brüsten, | |
Schenkeln und Hintern. Köpfe sind hingegen offenbar nicht Teil ihres | |
Formenrepertoires. Auch draußen im Hof fehlt er. Da steht ein vor sich hin | |
plätschernder Brunnen, ein rosafarbener weiblicher Unterleib, der ganz | |
männlich ins Becken pinkelt, phallisch und feminin zugleich. „Fontaine“ | |
(2012) ist Sahals ironisch-selbstbewusste Antwort auf all die Brunnen im | |
öffentlichen Raum, die traditionell zu Ehren irgendeines Mannes errichtet | |
wurden. | |
## Stereotypen des Alltags mit Kasia Fudakowski | |
Einen eigenwilligen Zugang zum Thema Skulptur zeichnet auch Kasia | |
Fudakowski aus. Ihr Langzeitprojekt „Continuouslessness“ ist ein mit jeder | |
neuen Arbeit anwachsender Paravent, eine Forsetzungserzählung in | |
Wandmodulen sozusagen. Seit dem Gallery Weekend präsentiert Fudakowski | |
dieses Oeuvre bei [2][Klosterfelde] in der Reisegrößenversion, als kleine, | |
leicht transportierbare, mit Magneten aneinander zu befestigende Editionen. | |
43 Filigrane Plexiglaspaneele sind das, detailgetreu adaptiert, | |
chronologisch sortiert (was natürlich auch anders angeordnet werden kann). | |
Auch wie die Großen aussehen, wie Fudakowski darin kunsthandwerkliche | |
Techniken benutzt, und mit Charme und Witz und Selbstironie Stereotypen des | |
Alltags und ihres Künstlerinnendaseins, [3][Genderrollen und | |
Sehgewohnheiten verbildlicht], ist beispielhaft ausgestellt. Zwei | |
Metallrahmen mit floralem Ornament in Feigenblattform („Kasia Fudakowski, | |
Climate Changing Room I & II (Panel 30 & 31)“) stehen als Prototypen da | |
oder auch „Anything that has eye-holes, can be a mask, The Date (Panel 21)“ | |
– objektgewordenes Sinnbild eines nicht sehr erfreulich verlaufenden Dates. | |
28 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.arte.tv/fr/videos/094929-022-A/elsa-sahal/ | |
[2] https://www.klosterfeldeedition.de/en/ | |
[3] /Kolumne-Berliner-Galerien/!5405944 | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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