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# taz.de -- Debatte um Denkmal in Hamburg: Albtraum aus Granit
> Lange stand das Hamburger Bismarck-Denkmal fast unbeachtet am Elbhang.
> Nun wird es teuer saniert. Und es wird debattiert, was da eigentlich
> steht.
Bild: Auch eine Möglichkeit, mit dem umstrittenen Bismarck-Kopf umzugehen: in …
Wo ist er bloß? Irgendwo da hinten auf dem Hügel muss er doch stehen, in
dem Park, der sich rechts hinter der Reeperbahn erstreckt, dort, wo es zum
Hafen runtergeht. Unter hohen Bäumen rennen Hunde, ein schmaler Streifen
Asphalt führt zwischen Herbstlaub den Hügel hoch und endet an einem
Bauzaun: „Bismarck-Denkmal“ steht auf einer Tafel, „Instandsetzung“.
„Bismarck du Otto!!!“, hat jemand mit Edding auf die Tafel geschrieben.
Lange war es um Otto von Bismarck und sein Denkmal am Hamburger Elbhang
sehr still gewesen. Kaum mal eine Burschenschaft, die hier noch
aufmarschierte, die Bäume um das Denkmal herum wuchsen in die Höhe, so dass
von Bismarck immer weniger zu sehen war, Junkies und Obdachlose trafen sich
am Denkmalsfuß.
[1][Das änderte sich] mit einem Schlag, als im Sommer vergangenen Jahres
die Black-Lives-Matter-Demos auch Hamburg erreichten. Dass Bismarck noch
immer auf diesem Sockel stehe, nach allem, was er angerichtet habe, sei
eine „widerliche Schande“, sagte ein Sprecher der Black Community auf einer
Demonstration in Sichtweite der Statue. Und er erinnerte daran, das
Bismarck Gastgeber der Kongokonferenz war, an deren Ende die Aufteilung des
afrikanischen Kontinents unter die europäischen Mächte stand.
## Ein Rundgang
Doch so schnell wird das Bismarck-Denkmal nicht weichen. Neun Millionen
Euro kostet die Sanierung, die sich bis ins nächste Jahr hinziehen wird.
Der Bauzaun ist mit Stacheldraht bewehrt wie eine Gefängnismauer, nur dass
er nach außen übersteht, damit niemand rein kann. Von innen riecht es
feucht nach Beton oder Mörtel, eine Schaufel kratzt leise.
Hinter dem Bauzaun ist ein Kran zu sehen und ein Baugerüst, und dahinter
steht, frisch gekärchert, der granitene Bismarck, gestützt auf sein
Schwert, neben sich zwei Greife, um „für das deutsche Volk die Wacht nach
dem Weltmeer zu halten“, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt.
Bismarcks Augen sind seltsam leer, sie schauen gar nicht, so wie die ganze
Figur weniger einen Menschen darstellt als – das deutsche Imperium
vielleicht?
Über 34 Meter ist das Denkmal insgesamt hoch, aber nur 15 davon sind die
Statue. Der Rest ist der gigantische Sockel, der derzeit verhüllt ist. In
der Nazizeit war der ein Luftschutzbunker, in seiner Kuppel sind ein
Reichsadler und ein Hakenkreuz angebracht. Nach der Sanierung soll der
Sockel begehbar sein, er soll ein Museum werden, es wird interessant, was
dann mit dem Hakenkreuz passiert.
Der Bauzaun ist mit Graffiti bedeckt, aber es ist kein Hindurchsehen,
nirgends. Fest geschlossen umgibt er das Denkmal, ein kleiner Fußweg führt
einmal herum. Wer ihn geht, sieht Bismarck von allen Seiten, aber kann
dieser Ort so bleiben? Soll er so bleiben? In seiner monumentalen
Trostlosigkeit?
## Und jetzt?
Vom Hamburger Pastor Ulrich Henschel kommt der Vorschlag, Bismarck zu
enthaupten und den Kopf auf den Boden daneben zu legen. Dass irgendetwas
mit dem Denkmal passieren muss, meint inzwischen auch der Hamburger
Kultursenator. Es reiche nicht, nach der Sanierung eine Erklärtafel
aufzustellen, man müsse das Denkmal „neu kontextualisieren“.
Die Kulturbehörde hat darum [2][Workshops mit Künstler:innen und
Kritiker:innen des Denkmals] anberaumt, die sich Gedanken über solche
Eingriffe gemacht haben. Wenn das Denkmal schon nicht gesprengt oder in die
Elbe gestürzt werden kann, wie wäre es dann, es zu verpacken? Oder es
zuwuchern zu lassen, bis nichts mehr davon zu sehen ist? Nach den Workshops
gibt es einen Wettbewerb. Vielleicht gelingt es ja, Hamburg von dem Stein
gewordenen Bismarck-Albtraum zu befreien.
12 Oct 2021
## LINKS
[1] /Zukunft-des-Hamburger-Bismarck-Denkmals/!5774629
[2] /Bismarck-Denkmal-in-Hamburg/!5789255
## AUTOREN
Daniel Wiese
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Denkmal
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