# taz.de -- Neue Foodcoop in Bremen: Der Super-Supermarkt | |
> Eine Initiative will das Modell Foodcoop auf ein neues Level heben. Der | |
> Laden von Mitgliedern für Mitglieder soll größer und regelmäßig geöffnet | |
> sein. | |
Bild: In New York klappts schon: Die Park Slope Food Coop | |
Bremen taz | Montag: Milch beim lokalen Biobauern bestellen. Dienstag: | |
Gemeinsam entscheiden, was die Milch kosten soll. Mittwoch: sich im eigenen | |
Supermarkt mit Milch, frischem Obst und einer Flasche Spülmittel versorgen. | |
So könnte der Alltag in der neuen Bremer „SuperCoop“ aussehen, die eine | |
Initiative nach dem Vorbild großer kooperativer Supermärkte in New York, | |
Paris oder Berlin gründen will. | |
Ähnliches gibt es bereits in der Stadt: Kleinere Foodcoops | |
(Einkaufsgemeinschaften) wie der KörnerKlub im Buntentor, der Maiskolben in | |
der Neustadt oder die Erzeuger Verbraucher Genossenschaft (EVG) mit ihrem | |
Bauernladen. Die Verantwortung für den selbstorganisierten Ladenbetrieb ist | |
dort jedoch oft auf wenigen Schultern verteilt. | |
„Von 9 Uhr bis 11 Uhr ist jetzt geöffnet. Damit hat der Ladendienst etwas | |
mehr vom Wochenende …“ heißt es auf der Website des KörnerKlubs. Dort | |
engagiert sich auch Klaus-Peter Land, der einer der Initiator:innen des | |
neuen Supermarkt-Projektes ist. „Wenn in einer kleinen Foodcoop jemand | |
krank wird, bleibt der Laden zu, wenn niemand schnell noch einspringt“, | |
erzählt er. | |
Ein weiterer Aspekt, der laut Land eine größere Struktur mit mehr | |
Konsument:innen wünschenswert mache, ist, dass man kleinen, regionalen | |
Betrieben so vollständiger die Ernte abnehmen könne. | |
Den Supermarkt sollen alle Kund:innen als Mitglieder besitzen. Wer | |
Mitglied wird, zahlt einen einmaligen Beitrag von 50-100 Euro und | |
verpflichtet sich für drei Stunden im Monat unbezahlt im Markt zu arbeiten. | |
Diese Arbeit hat keinen direkten Gegenwert. | |
Durch die Mitarbeit könne man die Preise allerdings zirka 25 Prozent | |
niedriger halten als in herkömmlichen Bio-Supermärkten, erklärt Claire | |
Klindt, Mitinitiatorin des Projektes. Ob Menschen, die zum Beispiel | |
alleinerziehend sind und Schichtarbeit machen, das leisten können, ist | |
fraglich. Die Mitarbeit müsse aber sein. „Man muss sich als Eigentümer | |
fühlen und ist nicht zu Besuch“, so Klindt. | |
Das ist keine Utopie. Es gibt Vorbilder in New York, Paris und Brüssel. Vor | |
Kurzem sind ihnen Berlin, München und Hamburg mit ähnlichen Konzepten | |
gefolgt. Die New Yorker „Park Slope Food Coop“ ist das große Vorbild der | |
Initiative. Der kooperative Supermarkt im Stadtteil Brooklyn existiert | |
immerhin schon seit 50 Jahren und zählt ganze 17.000 Mitglieder. | |
Auch die 2016 in Paris gegründete „Coop La Louve“, hat bereits 8.000 | |
Mitglieder. Einen der Gründer:innen des Pariser Supermarktes hat die | |
Initiative zu einer ersten Besprechung des Bremer Projekts mit allen | |
Interessierten an diesem Mittwoch eingeladen. | |
Initiatorin Claire Klindt ist Mitinhaberin einer kleinen Manufaktur für | |
Bio-Frühlingsrollen. Gerade ihre Erfahrungen als Kleinstunternehmerin zu | |
Lockdown-Zeiten haben Klindt motiviert, ein solidarisches und auf vielen | |
Schultern getragenes Projekt zu starten. Die Verkaufseinbrüche seien sehr | |
hart für sie gewesen. | |
Verschärft wurden dadurch Probleme kleiner Produzent:innen wie | |
Mindestabnahmeregelungen beim Großhändler. Auch deren Situation, möchte sie | |
durch die „SuperCoop“ daher verbessern. So könnte Kindt zukünftig die | |
Karotten, die sie für ihre Frühlingsrollen verwendet, in kleinen Mengen | |
beim Markt einkaufen, und das fertige Produkt tags darauf dort wieder | |
verkaufen. | |
## Das Bedürfnis nach Gemeingütern steigt | |
Die Initiative liegt im Trend. Silke Helfrich beschäftigt sich als | |
Sozialwissenschaftlerin [1][mit „Commons“] (deutsch: Gemeingütern), zu | |
denen auch kooperative Supermärkte zählen. Sie hat den Eindruck, dass die | |
Corona-Zeit das Bedürfnis nach gemeinschaftlichen und kollektiven Projekten | |
verstärkt hat. Diese seien eine Alternative zur Einsamkeit und | |
Vereinzelung, die viele während der Pandemie erlebt haben. | |
Beispiele für solche Alternativen sieht sie in generationenübergreifendem | |
Wohnen, kooperativen Landwirtschaftsbetrieben oder eben auch | |
Mitmachsupermärkten. Dadurch, dass Menschen aus unterschiedlichen Berufen | |
im kooperativen Supermarkt mitarbeiten, erfahren Werktätigkeit und Fürsorge | |
eine wünschenswerte Gleichwertigkeit, so Helfrich. So ein Modell sei aber | |
auch „keine Kuschelökonomie“. Auch in gemeinschaftlichen Projekten gebe es | |
immer Probleme. | |
„Commons gab es schon immer und es gibt sie überall“, erklärt Helfrich. S… | |
würden sich durch eine Transformation der Beziehungs- und Arbeitsmuster | |
auszeichnen, so die Forscherin. „Menschen organisieren sich auf Augenhöhe, | |
um miteinander gut auszukommen sowie selbstbestimmt Nützliches für sich und | |
andere herzustellen“, beschreibt sie Ziele von Commons. Zur | |
Organisationsform führt sie weiter aus: „Die Beteiligten entscheiden | |
gemeinverantwortlich darüber, was sie brauchen und wie sie Vermögenswerte | |
wie Ressourcen, Zeit und Räume bewirtschaften, gestalten und verteilen.“ | |
## Erfolg ist abhängig vom Interesse der Bremer:innen | |
Ob dem Bremer „SuperCoop“ das gelingt, hängt vom Interesse und Engagement | |
der Bremer:innen ab, sind sich Klaus-Peter Land und Claire Klindt einig. | |
„Wir brauchen mindestens 400 Leute, die einen einmaligen Mitgliedsbeitrag | |
von 50-100 Euro zahlen, um starten zu können“, so Klindt. | |
Die beiden sind jedoch hoffnungsvoll: Ein solches gemeinschaftliches | |
Projekt liege im Trend der Zeit. Es sei professionell und organisiert aber | |
zeichne sich auch klar durch Mitbestimmung aus. Es sei nicht rein gewinn- | |
sondern eben auch gemeinwohlorientiert. | |
7 Oct 2021 | |
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[1] /Florian-Schmidt-ueber-Gentrifizierung/!5798269 | |
## AUTOREN | |
Liz Mathy | |
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