| # taz.de -- Linken-Spitzenkandidat im Wahlkampf: Lederers Schiff fehlt der Dampf | |
| > Berlins Kultursenator erhält viel Lob; bei einer Schiffstour stellt er | |
| > neue Projekte vor. Als Spitzenkandidat ist er von einem Erfolg aber | |
| > weiter entfernt denn je. | |
| Bild: Kulturpolitik ist untrennbar verbunden mit der sozialen Frage: Klaus Lede… | |
| Berlin taz | An der Inselbrücke in Mitte flattert die rote Fahne der | |
| Linkspartei im Wind. Befestigt ist sie am Schlepperschiff „Volldampf“, | |
| gebaut 1896, das die Partei gechartert hat. [1][Klaus Lederer, | |
| Kultursenator und Spitzenkandidat der Berliner Linken], hat | |
| Vertreter:innen der Kulturszene am Montagnachmittag zur Bootstour | |
| geladen. Er will das Neustartprogramm seiner Partei für die Kultur nach der | |
| Coronakrise vorzustellen – und damit auch Wahlkampf machen. | |
| Sichtlich gut gelaunt klettert Lederer über einige vorgelagerte Boote zur | |
| Volldampf. Ein „Ahoi!“ wirft er in die Runde, begrüßt umsichtig alle und | |
| jeden, die meisten per Du, man kennt sich aus den letzten Jahren. Neben der | |
| Presse befinden sich Vertreter:innen der freien Kunstszene, | |
| Clubbetreibende und Intendanten großer Theaterhäuser an Bord. | |
| Für Klaus Lederer geht es um viel bei dieser Wahl, wenn nicht um (fast) | |
| alles. Der 47-Jährige hängt an seinem Job als Kultursenator; das macht sich | |
| auch auf der Volldampf schnell bemerkbar. „Du kannst eine Stadt wie Berlin | |
| ohne Kunst und Kultur gar nicht denken“, sagt er. | |
| Derweil pustet der Schornstein des Schleppers – nicht wirklich CO2-konform | |
| – unter lautem Getöse die ersten großen Wolken aus. Beeindrucken lässt | |
| Lederer sich davon nicht, er ist im Rederausch. Gerade spricht er davon, | |
| dass die Kunst von ökonomischen Zwängen befreit werden sollte. Gekonnt | |
| verbindet der Linken-Politiker Kulturthemen mit dem Markenkern seiner | |
| Partei. | |
| Seine [2][Bilanz als Kultursenator kann sich sehen lassen] in der Szene, | |
| gerade auch in der Coronakrise, die die Branche besonders hart getroffen | |
| hat. Lederer ist es vor allem zu verdanken, dass das Land in den ersten | |
| Coronamonaten schnell und unbürokratisch Geld lockergemacht hat, zum | |
| Beispiel für Soloselbstständige, lange bevor der Bund diese Klientel | |
| überhaupt erkannt hat. | |
| Das sicherte ihm den Rückhalt aus guten Teilen der Szene. Für einen | |
| Polittermin untypisch hat auf der Volldampf niemand ernsthafte Kritik an | |
| Lederers Politik vorzutragen. Berndt Schmidt, Intendant des | |
| Friedrichstadtpalasts, bezeichnete die Lederer-Zeit sogar als „goldene | |
| Jahre für die Kultur“. Vor einigen Wochen schalteten hundert | |
| Kulturschaffende im weitesten Sinne eine Anzeige. Darin lobten sie Lederer | |
| als den „besten Kultursenator, den wir je hatten“, und dennoch | |
| unterstützten sie seine Ambition, Regierender Bürgermeister zu werden. | |
| Lederer war gerührt von der öffentlichen Unterstützung. | |
| ## Lederer galt lange als beliebtester Politiker der Stadt | |
| Anfang 2021 hat ihn seine Partei zum Spitzenkandidaten gewählt – ernsthafte | |
| Konkurrenz für diesen Job gab es in der Linken nicht. Damals noch schien | |
| auch ein Einzug ins Rote Rathaus gar nicht so unrealistisch: Noch 2019, | |
| also vor der Pandemie, war die Linke kontinuierlich zweitstärkste Partei in | |
| Umfragen; Lederer galt lange als beliebtester Politiker des Landes. Und | |
| noch heute ist Lederer, der sich sein arg schnelles Sprechen für den | |
| Wahlkampf mühsam abtrainiert hat, wesentlich bekannter als die grüne | |
| Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. | |
| Zuletzt aber trübten sich die Aussichten: Bei gerade noch 13 Prozent sehen | |
| viele Institute die Linke inzwischen; der Absturz im Bund schlägt wohl auch | |
| in Berlin durch. Und damit schwindet auch die Chance, Kultursenator zu | |
| bleiben: Denn dass die SPD unter Franziska Giffey, der derzeit die größten | |
| Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt werden, Rot-Rot-Grün fortsetzt, ist | |
| doch eher linkes Wunschdenken. Und eine andere Machtoption hat die Partei | |
| nicht. | |
| Dementsprechend will Lederer mit dem Aktionsprogramm, das er an Bord | |
| vorstellt, auch daran erinnern, wer sich in den letzten fünf Jahren um | |
| Kunst und Kultur gekümmert hat. Die dreifache Anzahl Stipendien soll es für | |
| Künstler:innen in den Jahren 2022 und 2023 geben; zudem soll das Land | |
| jene Künstler:innen und Kulturorte bei der Rückzahlung ihrer Kredite aus | |
| Pandemiezeiten unterstützen. | |
| Mit 3-Euro-Tickets für Menschen mit geringem Einkommen und Schülertickets | |
| möchte Lederer zudem eine „Besucher:innen-Offensive“ für Theater und | |
| Konzerthallen starten. Grundsätzlich gelte es, gerade jetzt weiter in den | |
| Kulturbereich zu investieren, statt den Etat zu kürzen. Immer wieder wird | |
| deutlich: Kulturpolitik ist für ihn nicht zu trennen von Themen wie | |
| Stadtentwicklung und der sozialen Frage; auch Mindesthonorare, der Kampf | |
| gegen Verdrängung sowie ein Atelier-Neubauprogramm gehören für ihn zur | |
| Kulturpolitik dazu. | |
| ## Spezifisch linker Ansatz | |
| Ist es gerade dieser spezifisch linke Ansatz, der Lederer in der Szene so | |
| beliebt macht? Die Kulturschaffenden an Bord betonen, es gebe in allen | |
| demokratischen Parteien fähige und engagierte Kulturpolitiker:innen. Doch | |
| das Verständnis dafür, dass sich durch den Markt eben nicht | |
| notwendigerweise die beste Kunst herauskristallisiert, dass nicht nur die | |
| Exzellenzorte wie die Staatsoper, sondern auch Subkulturen wie die Berliner | |
| Clublandschaft schützenswert sind, das sei etwas Besonderes. | |
| Tatsächlich hat Lederer der Kultur einen anderen Stellenwert eingeräumt: | |
| Zuvor hatte der Regierende Bürgermeister das Amt in Personalunion ausgeübt | |
| oder vielmehr: verwalten lassen von seinem Staatssekretär. Eine neue | |
| Regierung könnte wieder in dieses System zurückkehren. | |
| „So was ist doch klasse!“, sagt Lederer und zeigt auf ein alternativ | |
| anmutendes Hausboot am Ufer der Spree. Auf der anderen Seite ziehen derweil | |
| Symbolbilder der Gentrifizierung vorbei; Mercedes-Benz-Arena, Verti Music | |
| Hall, der Zalando-Hauptsitz. Lederer rümpft die Nase: „Wenn wir davon die | |
| Hälfte nicht hätten, würde die Welt auch nicht untergehen.“ | |
| 23 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
| Timm Kühn | |
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