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# taz.de -- Sondierungen für Ampel-Koalition: Lindner hat plötzlich Fantasie
> Im Wahlkampf betonte FDP-Chef Lindner stets, ihm fehle die Fantasie für
> ein Ampelbündnis. Nun könnte er die FDP darin als Finanzkorrektiv
> inszenieren.
Bild: Pressauftritt nach den Beratungen am Freitag in Berlin
Plötzlich war sie da, die Fantasie. Im Wahlkampf hat FDP-Chef Christian
Lindner in Dauerschleife wiederholt, dass ihm die Fantasie fehle für ein
Ampelbündnis – und nun hat er sie. Das erste Sondierungsgespräch soll
zwischen SPD, Grünen und FDP am Donnerstag stattfinden.
Lindner ist natürlich klug genug, um ein [1][Jamaikabündnis] nicht gänzlich
auszuschließen, die Argumente sind bekannt, die Schnittmengen zur Union
bleiben vor allem im Kernbereich der Finanz- und Steuerpolitik viel größer.
Aber die Reihenfolge – es werden parallel keine Gespräche mit der Union
stattfinden – kann dennoch als Priorisierung verstanden werden: Ampel
first, Jamaika second.
Eine erste Ampelkoalition im Bund wäre nicht nur historisch bedeutend in
der Postvolksparteienära, es ist für alle beteiligten Parteien ein Wagnis
mit unbekanntem Ausgang – vor allem für die FDP, die dafür das politische
Lager wechseln müsste. Aber trotz aller offensichtlichen Unterschiede: Sich
an eine sich selbst zerlegende Union zu ketten, mit einem Kanzler [2][Armin
Laschet], den niemand mehr möchte, könnte für die Freidemokraten ebenso gut
politischer Selbstmord sein.
Die FDP kann so gesehen froh sein, dass sich die Union offenbar nicht mal
an die Verschwiegenheitsvereinbarungen während der Vorsondierungen hielt.
Es vereinfacht die Argumentation gegenüber den traditionellen
FDP-Wähler:innen, die Ampel als Vernunftslösung darzustellen. Im besten
Fall kann sich die FDP in einem solchen Bündnis auch als finanzpolitisches
Korrektiv inszenieren und das eigene Profil noch weiter stärken. Zumal die
letzte schwarz-gelbe Koalition alles andere als gewinnbringend war für die
Liberalen – 2013 flogen sie aus dem Bundestag.
Das Schlüsselwort einer [3][Ampelkoalition] lautet nun: Fortschritt. Ein
Blick auf die jüngeren Wähler:innen zeigt ja auch, dass Veränderung
erwünscht ist. Grüne und FDP schnitten beide bei den unter 30-Jährigen gut
ab. Und mehr Klimaschutz, Bürokratieabbau und ein Digitalisierungsschub ist
mit der Union schwerlich zu verkaufen. Ob eine Ampelkoalition aber
tatsächlich ein „fortschrittsfreundliches Zentrum“ werden könnte, wie es
Lindner formuliert, kommt auf die Art der Zusammenarbeit an. Denn die
grundlegenden Unterschiede bei der Frage, ob es mehr Markt oder mehr Staat
braucht, bleiben ja bestehen – darüber kann auch kein Selfie
hinwegtäuschen.
Wenn sich keine gemeinsame Vision entwickelt, hat das Ampelbündnis ein
großes Potenzial, sich selbst zu blockieren. Wäre etwa eine
Kindergrundsicherung in einem solchen Bündnis möglich? Ein wirklicher
Abschied von Hartz IV? Der SPD wird nun die Rolle zufallen, darauf zu
achten, dass die soziale Spaltung nicht weiter voranschreitet und die
Ärmeren in der Gesellschaft die Kosten der Energiewende tragen.
6 Oct 2021
## LINKS
[1] /Sondierungen-zur-Regierungsbildung/!5801560
[2] /Gruene-und-Union-beraten-ueber-Koalition/!5801550
[3] /Moegliches-Buendnis-aus-SPD-Gruenen-FDP/!5794253
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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Ampel-Koalition
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