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# taz.de -- Verhalten von Bahnpersonal: Wertvoll wie Goldstaub
> Freundlichkeit ist in Zügen der Deutschen Bahn seltenes Gut. Unser Autor
> war mit einer Privatbahn unterwegs, in der er das Gegenteil erlebte.
Bild: Was machen die da anders?
Ulm Hauptbahnhof zur Mittagszeit, der Nahverkehrszug nach Regensburg steht
auf Gleis 27 bereit. Der Triebwagen ist nur mäßig besetzt. Pünktlich geht
es los.
Aber dann, schon in der nächsten Station Neu-Ulm, steht eine Mutter mit
zwei kleinen Kindern ratlos auf dem Bahnsteig. Ihre Deutschkenntnisse sind
gering, aber so viel wird klar: Sie ist mit dem Fahrkartenautomaten nicht
zurecht gekommen und hat kein Ticket. Die Familie möchte nach Chemnitz.
Ohne Fahrschein aber darf niemand in den Zug der Privatbahn Agilis
einsteigen.
Der Schaffner, neudeutsch Zugbegleiter, könnte [1][nun auf die
Beförderungsbedingungen verweisen] und die Tür verriegeln. Das wäre in
Deutschland der korrekte, übliche Weg. Der Zug würde ohne die Familie
abfahren, die schließlich selbst daran schuld ist, dass sie kein Ticket
besitzt.
Aber das macht der Schaffner, ein schon etwas älterer Herr, nicht. Er
bittet die Frau und ihre Kinder samt Kinderwagen erst einmal herzlich
herein. Fragt nach dem Reiseziel, verkauft eine Fahrkarte nach Chemnitz,
obwohl es die im Zug doch eigentlich gar nicht zu kaufen gibt. Erklärt die
Anschlusszüge nach Chemnitz, die Umsteigezeiten, weist darauf hin, wo es
knapp wird und dass der Fahrstuhl in Donauwörth gerade nicht funktioniert.
Wiederholt das alles mindestens drei Mal, weil die Mutter nicht alles auf
Anhieb versteht. Und dann sorgt er noch dafür, dass die Familie einen guten
Platz neben dem Stellplatz für den Kinderwagen bekommt.
## Bestimmt ein Einzelfall
Diese Freundlichkeit, gar einer Migrantin mit Kopftuch gegenüber, ist
gewiss ein Einzelfall, denke ich mir. Menschen wie dieser Zugbegleiter sind
so wertvoll wie Goldstaub. Leider auch ähnlich selten.
Aber dann in Donauwörth ist Personalwechsel, eine jüngere Zugbegleiterin
übernimmt, die Familie hat den Zug verlassen. Kurz vor Ingolstadt sucht ein
junger Mann die Schaffnerin auf, sichtlich verzweifelt. Er spricht nur sehr
wenig Deutsch. Aber soviel wird klar: Er hat die Station, wo er aussteigen
wollte, verpasst, ist jetzt ohne gültiges Ticket im Zug.
Die Zugbegleiterin beruhigt den aufgeregten jungen Mann. Erklärt ihm, dass
das gar nicht schlimm sei. Verweist auf den Gegenzug, in den er in
Ingolstadt nur umzusteigen brauche, um nach Hause zu kommen. Verspricht,
dass er dort keine Fahrkarte benötigen werde. Zeigt ihm nach der Ankunft
das Gleis, zu dem er sich bemühen müsse. Es fehlt nur noch, dass sie ihn
persönlich dort hinbringt.
## Einstellung des Unternehmens
Diese Freundlichkeit an Bord des Zugs scheint gar kein Einzelfall zu sein,
sondern Programm. Und sie erfreut selbstverständlich nicht nur diejenigen,
die man landläufig als Migranten bezeichnet, sondern auch Schwaben,
Oberbayern, Niederbayern, Oberpfälzer und sogar Preußen.
Was machen Sie bei Agilis da anders [2][als die große Deutsche Bahn]? Anruf
bei der Pressesprecherin in Regensburg. Jennifer Raab erklärt, dass
Quereinsteiger im Servicebereich eine rund sechswöchige Schulung erhalten,
bei der es auch um den „wertfreien und hilfsbereiten Umgang gegenüber
unseren Fahrgästen“ gehe: „Jeder ist in unseren Zügen willkommen, genauso
wie in unserem Team.“ Am wichtigsten sei es, „dass man Spaß an seiner
Arbeit haben sollte“, erklärt Raab.
Alles großartig also? Nicht ganz. Denn eigentlich, ja eigentlich sollte es
doch gar keiner Erwähnung wert sein, wenn sich Dienstleister so verhalten,
dass alle Beteiligten, gleich welcher Hautfarbe, Sprache oder anderer
Merkmale, ihre Dienste gerne in Anspruch nehmen.
Bei Agilis werden übrigens gerade neue Mitarbeiter gesucht.
6 Oct 2021
## LINKS
[1] /Fahrgastrechte-bei-der-Bahn/!5769884
[2] /Aerger-mit-Servicetelefon-und-Umbuchungen/!5706458
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Deutsche Bahn
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