# taz.de -- Raubkunst im Berliner Humboldt Forum: Klingelnde Ohren | |
> Prominente Gäste fanden bei der feierlichen Eröffnung der Ethnologischen | |
> Ausstellung im Humboldt Forum deutliche Worte der Kritik. | |
Bild: Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie und Bundespräsident Frank-Walt… | |
So hatten sich die Macher des Humboldt Forums ihre feierliche [1][Eröffnung | |
der Ethnologischen Ausstellung] gewiss nicht vorgestellt. Zwar hatten sie | |
mit der [2][nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie] eine | |
prominente „afrikanische Stimme“ eingeladen, von der kritische Töne zu | |
erwarten waren. | |
Und es überraschte wohl niemanden, dass Adichie am Mittwoch erfrischend | |
offene Worte fand zur zögerlichen Haltung der Stiftung Preußischer | |
Kulturbesitz (SPK) bei der Frage der Rückgabe von Raubkunst. Wenn Europa | |
seine propagierten Werte von Freiheit, Toleranz und der Herrschaft des | |
Rechts ernst nehme, mahnte sie, könne „eine Nation, die dies hochhält, | |
nicht diskutieren, ob sie gestohlene Güter zurückgibt“. Und es sei auch | |
nichts anderes als „Paternalismus und Arroganz“, wenn man Rückgaben mit dem | |
Argument verweigere, Afrikaner könnten nicht richtig auf ihre Kunstwerke | |
aufpassen. | |
Aber auch ihr Vorredner Frank-Walter Steinmeier übte in seiner | |
diplomatischen Art unüberhörbare Kritik an diesem „Ort von nationaler | |
Bedeutung“, der bisher mehr Fragen aufwerfe als Antworten gebe. Wie Adichie | |
verwies der Bundespräsident auf die Werte der Aufklärung, die erforderten, | |
dass man auch „die politische Geschichte der westlichen Moderne“ kritisch | |
hinterfrage. Sprich: Auf wessen Schultern sie gebaut wurde, auf wessen | |
Kosten und mit welchen Folgen? | |
Diese Fragen würden heute mit „großer Wucht und Dringlichkeit“ gestellt, | |
vor allem von jenen, so Steinmeier, die „in westlichen Diskursen lange | |
keine Stimme hatten“. Und es war nicht nur ein Hieb gegen die | |
Museumsmacher, sondern überhaupt gegen konservative Weltbildbewahrer, die | |
das rekonstruierte Schloss nur zu gerne zur nationalen Neubestimmung nutzen | |
würden, als er fortfuhr: „Black Lives Matter, Rassismus, Diskriminierung, | |
globale Gerechtigkeit, koloniale Raubkunst“ seien notwendige globale | |
Debatten – es sei „politisch gefährlich“, sie als „identity politics“ | |
abzutun. | |
Eindringlich war auch, wie Steinmeier über die Verdrängung der | |
Kolonialvergangenheit im Kollektivgedächtnis der Deutschen und deren Folgen | |
sprach. Das damals begangene Unrecht „geht uns als Gesellschaft als Ganze | |
an“. Denn die Wurzeln von Diskriminierung und Alltagsrassismus heute | |
„werden wir nur überwinden können, wenn wir die blinden Flecken unserer | |
Erinnerung ausleuchten“. | |
Aufgabe des Humboldt Forums sei nun, all diese verdrängten Geschichten zu | |
erzählen – und zwar auch aus der Perspektive der „Anderen“, etwa der | |
afrikanischen Staaten, „die einen immensen Teil ihrer Kunst verloren haben | |
durch die Raubzüge der Europäer“. Denn hinter „nicht wenigen“ Objekten | |
unserer Museen, so Steinmeier, stehe „eine Geschichte von Unterwerfung, | |
Plünderung, Raub und Mord“. | |
Das Humboldt Forum, darin waren sich beide RednerInnen einig, muss also in | |
einen echten Dialog mit den Nachfahren ehemals kolonisierter Länder kommen, | |
wenn es seine „Sinnhaftigkeit“ (Steinmeier) beweisen will. Wobei das | |
Zuhören alleine nicht genüge, so Adichie, es müssten „Taten“, sprich: die | |
Rückgabe aller gestohlenen, mit Gewalt genommenen und „heiligen“ Dinge | |
folgen. | |
Den [3][Machern eines Museums], das bislang trotz ihres ständigen Blablas | |
von „Dialog auf Augenhöhe“ höchst traditionell daherkommt, müssen die Oh… | |
geklingelt haben. | |
25 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Ethnologische-Ausstellung-im-Schloss/!5798137 | |
[2] https://www.chimamanda.com/ | |
[3] /Humboldt-Forum-Berlin-eroeffnet/!5787899 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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