Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahl für Sexarbeiter:innen: Fast vergessen
> Nur drei der großen Parteien gehen in ihren Wahlprogrammen auf Sexarbeit
> ein. Dabei ist die Gruppe der möglichen Wähler:innen groß.
Bild: Protest von Sexarbeiterinnen im Juni 2021 vor dem Berliner Hauptbahnhof
Berlin taz | Dass Sexarbeit im Wahlkampf keine Rolle spielen würde, war
absehbar. Mit Sex, noch dazu mit gekauftem Sex, machen sich
Kanzlerkandidat:innen in der Öffentlichkeit ungern die Finger
schmutzig. Dass das Thema allerdings insgesamt nur bei drei der größeren
Parteien in den Wahlprogrammen auftaucht, verwundert dann schon.
Schließlich führen die verschiedenen Herangehensweisen an Rechte,
verpflichtende Gesundheitsberatungen oder den Umgang mit Zwangsprostitution
regelmäßig zu Unmut zwischen den Parteien.
Aber [1][die geschätzt 200.000 bis 400.000 Sexarbeitenden hierzulande], von
denen die weitaus größte Mehrheit Frauen sind, haben traditionell kaum
Lobby. Und ganz offensichtlich sind sie keine Klientel, der als
Wähler:innengruppe größere Bedeutung beigemessen wird.
Während SPD, FDP und AfD das Thema ignorieren, geben die Wahlprogramme
zumindest bei Union, Grünen und Linkspartei etwas her. Dabei spricht schon
die Stelle, an der Sexarbeit jeweils einsortiert wird, Bände. Bei der Union
versteckt sich Prostitution zwischen „Mehr Sicherheit“ und „Kein Raum für
organisierte Kriminalität“. Die Grünen beschreiben ihre Vorstellungen
hingegen unter dem Label „Feminismus, Queerpolitik und
Geschlechtergerechtigkeit“. Das weniger stigmatisierende Wort Sexarbeit
nimmt allerdings nur die Linkspartei in den Mund. Bei ihr wird Sexarbeit
unter dem Stichwort „Arbeit“ verhandelt.
## Union will stärker kontrollieren, Linke entstigmatisieren
Um diejenigen, die Sexarbeit als Arbeit sehen, geht es bei der Union kaum.
Ihr Fokus liegt auf Zwangsprostitution und Menschenhandel. Dass beides
existiere, sei inakzeptabel, schreibt die Partei, und nennt als Gegenmittel
vor allem Verbote und Strafen. So solle Prostitution von Schwangeren
verboten und der Straßenstrich stärker reguliert werden. Das
Prostitutionsgewerbe solle „deutlich schärfer“ kontrolliert, wer sich der
Zuhälterei schuldig mache, härter bestraft werden.
Auch die Grünen wollen vor Zwang und Ausbeutung schützen, Prostituierten
aber gleichzeitig Selbstbestimmung ermöglichen. Zum einen soll es dafür
einen Aktionsplan gegen Menschenhandel geben. Opfer sollen nicht einfach
abgeschoben werden. Ein dauerhaftes Bleiberecht erhöhe die
Aussagebereitschaft und erleichtere die Strafverfolgung der Täter.
Menschen, die in der Prostitution arbeiten, bräuchten Rechte und Schutz,
auch vor Stigmatisierung und Kriminalisierung. Die Arbeitsbedingungen in
der legalen Prostitution sollen sicherer und besser werden.
[2][Die Linkspartei] will Sexarbeit entstigmatisieren und
Selbstorganisation sowie Beratungs- und Fortbildungsangebote fördern. Sie
fordert einen Anspruch auf Sozialleistungen und sozialversicherte
Beschäftigung. Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung findet
sich bei der Linkspartei anders als bei Union und Grünen gar nicht erst in
einem Atemzug mit der Sexarbeit. Bekämpfen will sie ihn trotzdem – und wie
die Grünen auch den Betroffenen einen Aufenthaltstitel zuerkennen.
Die SPD, in der es in den vergangenen Jahren [3][brodelte, was Sexarbeit
betrifft], tut im Wahlprogramm zwar so, als gebe es das Thema gar nicht.
Allerdings hatte sich der Vorstand schon im November 2020 gezwungen
gesehen, den Streit in Partei und Fraktion mit einem Positionspapier zu
deckeln. Zwar taucht die Sexarbeit auf 66 Seiten Wahlprogramm also kein
einziges Mal auf – die Position der Partei aber ist damit am
ausführlichsten dokumentiert.
Im Positionspapier nutzt auch sie das Wort Sexarbeit, spricht sich für
deren Entstigmatisierung sowie Sicherheit im Arbeits-, Sozial- und
Strafrecht aus. Ein bundesweiter Runder Tisch – eine Forderung der
Berufsverbände selbst – soll eingerichtet, Zwangsprostitution bekämpft, die
Istanbulkonvention gegen Gewalt gegen Frauen auch in dieser Hinsicht
umgesetzt werden. Ein Sexkaufverbot, um das sich der Streit innerhalb der
Partei drehte, lehne man zumindest „derzeit“ ab.
16 Sep 2021
## LINKS
[1] /Feministische-Positionen-zu-Sexarbeit/!5644563
[2] /Verbot-von-Prostitution/!5691410
[3] /Anzeige-gegen-Bundestagsabgeordnete/!5738266
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Sexarbeiterinnen
Prostitution
GNS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Sexarbeit
Sexarbeit
Sexarbeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antiprostitutionsgesetz in Frankreich: Unter Freiern
In Frankreich ist Prostitution strafbar, aber nur für Kunden. Warum das so
ist, erfahren die Männer in verpflichtenden Workshops. Zu Besuch bei einer
Unterrichtseinheit.
Aktivistinnen über Feminismus im Wahlkampf: „Es geht nicht um die weiße cis…
Wie positionieren sich demokratischen Parteien zum Feminismus? Sally Lisa
Starken und Cordelia Röders-Arnold haben dafür einen Wahl-O-Maten
entworfen.
Sexarbeiterin über Feminismus und Rechte: „Wer hat hier die Kontrolle?“
Die 61-jährige Janet Mérida arbeitet als Prostituierte in Barcelona. Dort
hat sie das Kollektiv der „empörten Prostituierten“ gegründet.
Sexarbeiter*innen in Hamburg: Die Vergessenen
In drei Bundesländern können Prostituierte bereits wieder ihrem Gewerbe
nachgehen. In Hamburg gibt es noch keine Öffnungsperspektive.
Anzeige gegen Bundestagsabgeordnete: Bordellbetreibende gegen MdB
Mehr als 50 Bordellbetreibende stellen Strafanzeige gegen die
SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier. Der Vorwurf: Verleumdung und üble
Nachrede.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.