# taz.de -- Interpretationen des Wahlergebnisses: Die hatten wohl andere Stimmz… | |
> Die Linkspartei sieht einen klaren Auftrag, die R2G-Koalition | |
> fortzusetzen. Landeschefin Schubert verglich Rot-Schwarz-Gelb bereits mit | |
> „Wahlbetrug“ | |
Bild: Linkspartei-Landeschefin Katina Schubert hielte eine Deutschland-Koalitio… | |
In diesen Nach-Wahl-Tagen und unmittelbar vor den Sondierungsgesprächen | |
meinen manche, genau zu wissen, für welche Koalition die Wählerinnen und | |
Wähler am Sonntag gestimmt haben. Interessanterweise sind sie weitgehend | |
auf der linken Seite des politischen Spektrums zu finden. | |
Naheliegenderweise besteht deren Exegese darin, in dem Wahlergebnis ein | |
klares Votum für eine fortzusetzende rot-rot-grüne Koalition zu sehen. | |
Diese Menschen müssen am Sonntag im Wahllokal aber andere Stimmzettel vor | |
sich gehabt haben – welche, auf denen „R2G“, „Ampel“ und | |
„Deutschland-Koalition“ standen. Denn auf den offiziellen Zetteln waren nur | |
Parteien und Kandidaten anzukreuzen, keine Koalitionen. Und selbst gemessen | |
an bloßen Umfragen liegen die Wahldeuter falsch: Da gibt es nämlich kein | |
eindeutiges Ergebnis, sondern annähernd ein Patt. In einer ZDF-Umfrage vom | |
Wahlabend, an die jetzt dankenswerterweise der Tagesspiegel erinnerte, | |
wünschen sich je 27 Prozent der Befragten eine Ampel- und eine | |
Deutschland-Koalition und 33 Prozent eine Fortsetzung des rot-rot-grünen | |
Bündnisses. Von klarem Wählerauftrag lässt sich da nicht reden. | |
Für den Tiefpunkt der Ergebnisdeutelei hat Katina Schubert gesorgt, die | |
Landeschefin der Linkspartei. Sie setzte es bereits am Montag [1][gegenüber | |
der Deutschen Presse-Agentur mit „Wahlbetrug“ gleich,] wenn die SPD mit CDU | |
und FDP zusammengehen, also eine Deutschland-Koalition bilden würde. | |
Schubert hatte schon im Wahlkampf mit Äußerungen wie „allgemeines Blabla“ | |
und „Populistin“ in Bezug auf SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey das | |
Niveau der Auseinandersetzung nach unten gezogen. Mit diesem Begriff aber – | |
auch wenn sie der taz am Donnerstag sagen ließ, sie würde das „so nicht | |
wiederholen“ – hat sie eine Grenze des Zumutbaren überschritten. | |
Denn „Wahlbetrug“ steht für eine massive Beeinflussung von Wahlergebnissen, | |
etwa durch Stimmen- oder Ergebnisfälschung. Jeder halbwegs | |
geschichtsbewusste Mensch in Berlin muss sich bei diesem Begriff | |
zwangsläufig sofort an die [2][DDR-Kommunalwahl im Mai 1989] erinnert | |
fühlen – der Protest gegen den dortigen Betrug trug nicht unmaßgeblich zum | |
Fall der Mauer bei. | |
## Die SPD hatte sich vorher nicht festgelegt | |
Solchen Rechtsbruch setzt Katina Schubert also gleich mit dem | |
urdemokratischen Vorgang, dass die SPD sich als Wahlsiegerin frei überlegen | |
kann, mit wem sie koaliert? Höchstens Wortbruch könnte man einer Partei | |
vorhalten, die sich vorher auf ein Bündnis festgelegt hat und nun auf | |
andere zugeht – wenn nun etwa die auf Rot-Rot-Grün eingeschworene | |
Linkspartei der FDP Avancen machte. Doch die SPD mit Giffey hat sich in | |
keiner Weise vorher auf Rot-Rot-Grün festgelegt, sondern allein für so viel | |
„SPD pur“ wie möglich geworben. | |
Fälschlicherweise und mutmaßlich allein aus parteipolitischen Gründen – | |
ohne Rot-Rot-Grün muss die Linkspartei in die Opposition – von Wahlbetrug | |
zu sprechen, entwertet den Begriff und ist eine Klatsche für all jene, die | |
tatsächlich unter solchem Betrug zu leiden hatten. So zu reden ist generell | |
unwürdig, aber besonders bei der Landeschefin einer demokratischen Partei | |
und Noch-Regierungspartnerin. | |
30 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.greenpeace-magazin.de/ticker/koalitionspoker-berlin-giffey-laes… | |
[2] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/290562/1989-wahlbetrug-in-de… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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