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# taz.de -- Die Union nach dem Wahldebakel: Letzte Chance Jamaika
> Noch hat Armin Laschet die Rückendeckung der Unionsspitze für
> Verhandlungen mit Grünen und FDP. Geht das schief, droht wohl das
> Karriereende.
Bild: Armin Laschet und Paul Ziemiak auf dem zu einer Pressekonferenz am Montag
Berlin taz | Am Montag rudert Armin Laschet etwas zurück. Einen
„Regierungsauftrag“ könne die CDU [1][aus dem Wahlergebnis] nicht ableiten,
sagte der CDU-Chef nach der Sitzung der Parteigremien – und davon habe er
auch am Wahlabend nicht gesprochen. Das stimmt aber nur halb, denn Laschet
hatte zwar das Wort nicht verwendet, den Auftrag aber durchaus formuliert.
Das Zurückweichen soll nun etwas mehr Demut signalisieren und jene in den
eigenen Reihen einfangen, die jetzt zu bedenken geben, ob denn wirklich
eine Regierung mit Laschet an der Spitze die richtige Konsequenz aus dem
Wahldebakel am Sonntag sei.
Besonders im Osten ist das Entsetzen groß. Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer ist der Erste, der sich am Montag aus der Deckung wagt.
Das Wahlergebnis sei ein Erdbeben gewesen und habe eine ganz klare
Wechselstimmung gegen die CDU gezeigt, sagte Kretschmer dem MDR. Ihm
erschließe sich deshalb die Haltung nicht, von einem Regierungsauftrag zu
sprechen. Diese Linie liege genau auf dem bisherigen Kurs, der zum Absturz
der Union geführt habe, und sei nicht zukunftsfähig. In Sachsen ist die
AfD bei der Bundestagswahl stärkste Kraft geworden, die CDU landete
hinter der SPD nur auf Platz drei.
Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze pflichtete Kretschmer bei. Das
Wahlergebnis sei eine „Katastrophe“, an der nichts schönzureden sei,
schrieb Schulze auf Twitter. Carsten Linnemann, Chef der
Mittelstandsvereinigung der Union, nannte das Wahlergebnis in der Welt
„einen Schlag in die Magengrube“ und forderte, der nächste CDU-Vorsitzende
müsse von den Mitgliedern gewählt werden.
„Wenn das so bleibt, sind wir nicht mehr Volkspartei“, konstatierte
Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen. Die Lage sei derzeit so, dass die SPD
vorne liege. Das gelte es zu respektieren. Die Regierungsbildung sei ein
offener Prozess.
Röttgen hatte am Vorabend noch mit Laschet auf der Bühne im
Konrad-Adenauer-Haus gestanden, als dieser – nach Absprache mit CSU-Chef
Markus Söder – verkündet hatte, dass man nun versuchen wolle, eine
Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP zu bilden. Absturz ins Kanzleramt, so
hatte daraufhin Der Spiegel getitelt.
Und man kann es in der Tat – je nach Blickwinkel Chuzpe oder auch
Realitätsverweigerung nennen, das Wahldebakel von CDU und CSU als eine Art
Regierungsauftrag zu deuten: Die Union hat noch einmal fast 9 Prozentpunkte
verloren, dabei war das Ergebnis 2017 auch schon mies. Und nun hat man das
schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik eingefahren. Die SPD
liegt mit anderthalb Prozentpunken vorne. Und, auch das zeigen alle
Umfragen klar: Die große Mehrheit der Wähler:innen will Laschet als
Kanzler nicht.
Doch all das ist jetzt nicht entscheidend. Was letztlich zählen wird:
Schafft Laschet es, Grüne und FDP auf seine Seite zu ziehen. Er habe
bereits mit [2][FDP-Chef Lindner] geredet, sagte Laschet am Montagmittag,
später wolle er mit [3][Annalena Baerbock] sprechen, der Grünen-Chefin.
Auch im Präsidium, so ist zu hören, musste sich Laschet harsche Kritik
anhören. Es werde eine breite Aufarbeitung des Wahlergebnisses geben, sagte
denn auch Generalsekretär Paul Ziemiak im Anschluss an die Sitzung auf
einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Laschet. In der Sitzung sei es um
Selbstkritik gegangen, aber auch um „staatspolitische Verantwortung für
dieses Land“. In der Lesart der Union heißt das: Dass man eine
vermeintliche Linksregierung verhindern muss.
## Die ersten Rücktrittsforderungen gibt es schon
Noch scheint die vorherrschende Meinung in der CDU-Spitze zu sein: Laschet
soll es mit Jamaika versuchen. Denn natürlich hängt die Union an der Macht,
zudem graut es ihr vor den innerparteilichen Auseinandersetzungen beim Gang
in die Opposition. „Bundesvorstand und Präsidium sind sich einig, dass wir
zu Gesprächen für eine Jamaika-Koalition bereitstehen“, sagte denn auch der
CDU-Chef. Wenn das allerdings schiefgeht, dürfte es das mit seiner
politischen Karriere gewesen sein.
Am Nachmittag kam die erste Rücktrittsforderung via Twitter. „Nach der
bedenklichen PK aben bleibt mir leider nur zu sagen: Armin Laschet, Sie
haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von
der CDU ab und treten Sie zurück“, schrieb die rheinland-pfälzische
Landtagsabgeordnete Ellen Demuth auf dem Kurznachrichtendsienst. Demuth war
als „Chefstrategin“ von Norbert Röttgen während dessen Kandidatur für den
Parteivorsitz auch bundesweit bekannter geworden. Der Tweet bekam innerhalb
der ersten Stunde über 4.400 Likes.
Laschet muss nun alles auf diese eine Karte setzen. Nach
Nordrhein-Westfalen zurück kann er nicht. Und am Sonntagabend hatte er
bereits angekündigt, nicht für den Fraktionsvorsitz kandidieren zu wollen,
das einflussreichste Amt, sollte die Union in der Opposition landen. Ralph
Brinkhaus, der Amtsinhaber, hat bereits angekündigt, erneut antreten zu
wollen. Auch anderen, darunter Jens Spahn, werden Ambitionen nachgesagt.
Im Präsidium allerdings soll es Auseinandersetzungen darüber gegeben haben,
ob der Vorsitz am Dienstag für ein Jahr gewählt oder zunächst kommissarisch
bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen weitergeführt werden soll.
Für Laschet hängt also alles daran, ob es Jamaika geben wird. Gelingt es
ihm nicht, eine Koalition zu schmieden, wird er den Parteivorsitz
verlieren. Statt Kanzleramt droht ihm dann eine der Hinterbänke im
Bundestag. Was ihn dazu führen könnte, Grünen und FDP sehr weit
entgegenzukommen – was er selbst naturgemäß weit von sich weist.
Er betonte, es gebe zwei Schlüsselbegriffe bei den Verhandlungen:
„Zukunftskoalition und Nachhaltigkeit“. Das eine stehe für Modernisierung,
das andere für Klimaschutz, aber auch für eine nachhaltige Finanzpolitik.
Das korrespondiere zum Teil mit den Vorstellungen der FDP, zum Teil mit
denen der Grünen. Die Sondierungen will Laschet möglichst schnell führen,
durchaus auch parallel zu denen der SPD. Dabei solle es nicht ums
„Klein-Klein“ gehen, sondern darum, ob sich die Parteien ein gemeinsames
Bündnis zutrauen. Doch zuerst sind ohnehin die FDP und die Grünen am Zug,
die angekündigt haben, erst einmal miteinander zu sprechen.
27 Sep 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Sabine am Orde
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