# taz.de -- Bericht von Amnesty International: Zwangsunterricht an der Waffe | |
> Bewaffnete Gruppen töteten im Sahelstaat Niger immer öfter Kinder und | |
> Jugendliche, so Amnesty. Andere werden für Anschläge rekrutiert. | |
Bild: SchülerInnen einer katholischen Schule in Niamey, der Hauptstadt von Nig… | |
COTONOU taz | Der [1][am Montag veröffentlichte Bericht] der | |
[2][Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI)] bringt das auf | |
den Punkt, was im Sahel und im Nordosten Nigerias seit Jahren wachsende | |
Sorge bereitet. Kinder und Jugendliche sind in besonderem Maß von der | |
Terrorgewalt betroffen, da sie bei Angriffen verletzt oder getötet sowie | |
bei Überfällen Opfer von sexueller Gewalt werden. Jungen haben zudem das | |
Risiko, von Terrorgruppen rekrutiert zu werden. | |
Besonders betroffen ist aktuell die Region Tillabéri im Südwesten des | |
Niger. Von Januar bis Juli sind alleine dort laut der | |
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) mindestens 420 | |
Zivilist*innen bei Angriffen ermordet worden. Mindestens 60 Opfer der | |
zahlreichen Angriffe seien Kinder, heißt es in dem am Montag | |
veröffentlichten AI-Bericht. | |
Verübt werden die Überfälle derzeit zumeist vom „Islamischen Staat in der | |
größeren Sahara“ (ISGS) und der mit der al-Qaida verbundenen Gruppe für die | |
Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM), die ursprünglich aus dem | |
Nachbarland Mali stammt. Allerdings breitete sie sich schon kurz nach ihrer | |
Gründung 2017 zuerst nach Burkina Faso und auch in den Niger aus. | |
Gerade JNIM, haben Augenzeug*innen Amnesty International gesagt, würde | |
Jungen im Alter von 15 bis 17 Jahren rekrutieren. Mitunter seien diese | |
sogar noch jünger. Zugenommen habe die Rekrutierung in diesem Jahr im | |
Département Torodi, das an der Grenze zu Burkina Faso liegt. JNIM-Anhänger | |
würden ihnen Essen, Geld und Kleidung bieten. Im Gegenzug würden sie an den | |
Waffen ausgebildet sowie als Spione, Kundschafter und Späher eingesetzt. | |
## Essen – das reicht | |
Das Phänomen hat auf der anderen Seite der Grenze auch Moussa Boly, | |
ehemaliger SOS-Kinderdorf-Repräsentant in Burkina Faso, beobachtet. Er | |
stammt aus dem Osten des Landes, der an Tillabéri grenzt. „Manchmal sind | |
die Kinder keine 13 Jahre alt, wenn sie rekrutiert werden“, sagte Boly im | |
Gespräch mit der taz. „Das Problem ist, dass sie auf sich alleine gestellt | |
sind. Die Terroristen bieten ihnen etwas zu essen an. Das reicht schon aus. | |
Anschließend werden sie für Anschläge ausgenutzt.“ Im Nordosten Nigerias | |
hat so auch die Terrorgruppe Boko Haram immer wieder Nachwuchs gefunden. | |
Mitunter wird Kindern auch gedroht, dass die Terroristen ihre Familien | |
ermorden. | |
Im Fall von Tillabéri fordert Amnesty International [3][die nigrische | |
Regierung] auf, alles für einen besseren Schutz der Kinder zu unternehmen. | |
Auch kritisiert sie, dass sich Sicherheitskräfte aus großen Teilen der | |
Region zurückgezogen haben. Auf Notrufe würden diese nur sehr verzögert | |
reagieren und in einigen Fällen, so Afrika-Expertin Franziska | |
Ulm-Düsterhöft, selbst willkürliche Inhaftierungen und Tötungen | |
durchführen. | |
Dass Kinder zunehmend zwangsrekrutiert werden, liegt auch an der schlechten | |
Versorgungslage. Alleine in Burkina Faso sind nach Schätzungen vom | |
Norwegischen Flüchtlingsrat 4,8 Millionen Menschen von | |
Nahrungsmittelknappheit betroffen. Durch die anhaltende Gewalt konnten | |
zahlreiche Felder nicht bestellt werden. All das sorgt für steigende | |
Flüchtlingszahlen. In Burkina Faso haben seit April im Schnitt jede Woche | |
13.000 Menschen ihre Heimatorte verlassen. Das sei ein enormer Anstieg, | |
sagt Tom Peyre-Costa, Medienbeauftragter für West- und Zentralafrika. | |
Insgesamt sind mehr als 1,4 Millionen Personen auf der Flucht. | |
Das führt dazu, dass viele Kinder keine Schule mehr besuchen können. Vor | |
dem UN-Sicherheitsrat sagte Nigers Präsident Mohamed Bazoum kürzlich: „Im | |
Sahel sind knapp 5.000 Bildungseinrichtungen geschlossen, mehr als 700.000 | |
Kinder haben keinen Unterricht, 20.000 Lehrer können nicht arbeiten.“ Das | |
erlebt auch Moussa Boly: „Viele Schulen sind zu.“ Der Staat würde zwar | |
gegensteuern. Doch die Maßnahmen reichen nicht. „Frauen und vor allem | |
Kinder leiden in dem Konflikt am meisten.“ | |
13 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.amnesty.de/sites/default/files/2021-09/Amnesty-Bericht-Niger-Ki… | |
[2] /Amnesty-International/!t5009192 | |
[3] /Nigers-Praesident-im-taz-Interview-2021/!5782261 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
## TAGS | |
Niger | |
Sahelzone | |
Sahel | |
Dschihadisten | |
Islamisten | |
Gewalt gegen Kinder | |
Sahel | |
Terrorismusbekämpfung | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Niger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gewalt bei Protesten in Niger: Wer hat in Téra geschossen? | |
Augenzeugen machen die französische Armee für mehrere Tote und Verletzte in | |
Niger verantwortlich. Deren Sprecher gibt Demonstranten die Schuld. | |
Kampf gegen Terrorismus: IS-Anführer im Sahel getötet | |
Nach Angaben von Präsident Macron haben französische Soldaten den Anführer | |
der ISGS getötet. Der IS-Ableger hat Anschläge in Mali und Niger verübt. | |
Militäreinsatz im Sahel: Das zweite Afghanistan? | |
In Sahelstaaten wie Mali und Niger ist die Regierung vielerorts abwesend. | |
Um jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen, braucht es langfristige | |
Strategien. | |
Frankreichs Strategie für die Sahelzone: Nichts wie weg hier | |
Nach 8 Jahren „Krieg gegen den Terror“ beginnt Frankreich den Rückzug aus | |
der Sahelzone. Die islamistischen Gruppen dort sind stärker denn je. | |
Nigers Präsident im taz-Interview 2021: „Die Terrorgruppen sind stark“ | |
Nigers Präsident Mohamed Bazoum ist überzeugt, dass es gegen den | |
islamistischen Terror in Afrikas Sahelzone eine internationale militärische | |
Lösung braucht. |