Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Der rote Schwarze
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Claus „Krawallsky“
> Weselsky, der streikheiße Führer aller Lokführer.
Bild: Adrett auf Krawall gebürstet: Lokführerführer Claus Weselsky
Er ist „der Mann, der Deutschland tief und weit in die Knie zwingt“ (FAZ)
und „die Interessen von Millionen lieben Reisenden in den Wind hustet“ (Die
Zeit), sich als „kleiner Boss einer noch kleineren Gewerkschaft furchtbar
mächtig dicke tut“ (Focus), ja als „Napoleon des heißen Schienenstrangs“
(Spiegel) sich gebärdet und die Züge nicht fahren lässt, wohin sie wollen:
Claus Weselsky.
Inzwischen hat sich die Meute beruhigt und sich wieder im Körbchen
eingerollt. Das hätte sie am besten gar nicht erst verlassen, denn Weselsky
ist ein Mann, an dem Kritik, Gekeife und Gekeile sowieso wie an einem
Prellbock zerschellen, zerknittern und zerplatzen. Das war schon 2007/08
so: Gerade eben als stellvertretender Bundesvorsitzender ins
Führungsgehäuse der Gewerkschaft der Lokführer geklettert, rief er sofort
einen blutigen Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn aus und führte ihn,
eisern gegen alle Medien und Mächte in der Spur bleibend, zum Sieg. Zum
Lohn durfte er sich prompt den Posten des Vorsitzenden der GDL unter seine
Erster-Klasse-breite Sitzfläche schieben.
Mehr noch, den böse mit den Bahnbossen fraternisierenden
Gewerkschaftskonkurrenten Transnet und GDBA ging prompt der Strom aus. Zwar
verschmolzen beide Verlierer zur fetten Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft
EVG – und stehen doch als träger, tumber Riese nach wie vor im
verzweifelten, aussichtslosen und hirntoten Abwehrkampf gegen die
wieselflinke, überall zustechende GDL.
## Triumphzug im Zielbahnhof
Während die EVG wie ihre Vorläufer dumm und dumpf dahindämmert und bloß die
Interessen des Bahnvorstandes gegen die eingeborenen Eisenbahner vertritt,
lehnte Weselsky schon 2007 ab, sich als Personalchef von der DB kaufen und
stilllegen zu lassen. Stattdessen pfiff er weiterhin die Kollegen nach
Belieben zum Streik, überfuhr 2014/15 sogar alle Stoppsignale, die ihm die
hohe Regierung und die hinten angehängte Journaille sandten, und lief
schließlich, nach Arbeitskampf Nummer acht, dampfend und tutend, siegreich
bewimpelt und von den Massen bejubelt, im Triumphzug im Zielbahnhof ein und
konnte sich auch persönlich feiern lassen. Als nämlich die vor Wut
übersprudelnde Bild-„Zeitung“ während des Streiks seine Telefonnummer
abdruckte, ließ der mit allen Tricks gewaschene Weselsky sein Telefon auf
das von Bahnboss Rüdiger Grube umleiten.
Ein Kämpfer wie Weselsky braucht den Krieg, der sein Blut durchschüttelt
und -rüttelt wie zuletzt im August und September dieses unseres Jahres 2021
– ältere Leser erinnern sich. Wenn aber keine Züge stillstehen, weil sein
starker Arm es nicht länger will, dann hat er Zeit, sich dem eigenen
Zugpersonal gründlich zu widmen. So kam es 2013, mitten auf der Strecke,
zum frontalen Zusammenstoß mit seinen lahmenden Stellvertretern Volker
Siewke und Dieter Kowalsky, die Weselsky nun aus dem Zug warf, desgleichen
seinen Vorgänger im Führerstand der Gewerkschaft, Manfred Schell. Niemand
weiß, wo sie sich heute befinden.
Wer nun meint, Arbeiterführer Weselsky sei ein Abkömmling der DDR und
porentiefer Roter, hat recht und unrecht. Recht, weil er sich 1959 in
Dresden zur Welt bringen ließ und ab dem 16. Lebensjahr nicht nur zum
proletarischen Schienenfahrzeugschlosser, sondern auch klassenbewusst zum
Lokführer ausgebildet wurde; diesen Beruf gibt es also wirklich. Er blieb
ihm treu, auch als er längst erwachsen war.
## Ticket der SED
Unrecht aber hat, wer wähnt, Weselsky sei auf dem Ticket der SED bequem
durch den real existierenden Osten gezuckelt. Im Gegenteil, diese billige
Fahrkarte zum Tausende Kilometer hinter der Wirklichkeit gelegenen
Endbahnhof Kommunismus löste er nie, und als 1990 die DDR ausrangiert
wurde, trat er pünktlich, auf die Minute genau – der CDU bei.
So rot Weselsky wirkt, so schwarz ist seine Seele! Er ist ein Mann voller
Widersprüche und ebendrum ein Mann des Widerspruchs, er braucht Konflikt
und Krawall wie der Fisch das Wasser zum Atmen. Der Lokführer Weselsky
rollte immer geradeaus, mit Volldampf geradeaus rollt seit 1992 auch der
Gewerkschafter Weselsky; er kann nicht anders, hat nichts anderes gelernt
und braucht auch sein Lebtag nichts anderes.
Seinem eigenen Geständnis zufolge ist er bis unter den Sattel konservativ
verschnürt. Wie alle reinrassigen Konservativen wird er ungemütlich, wenn
jemand seine gut gepolsterte Ruhe stört, ihm einer die schöne Stille
versalzt und zerkratzt und er nicht kriegt, was er von anderen will. Sind
daran die Protzen von der Deutschen Bahn schuld, dann zieht er eben auch
als schwarzer Christdemokrat zügig in den Kampf Unten gegen Oben, Arbeiter
gegen Manager, Blaumann gegen Nadelstreifen, Eisenbahner gegen alle.
Für die einen ist Claus Weselsky deshalb ein Schurke, der die Welt
beherrschen will. Für alle anderen guten, sauberen und braven Menschen aber
ist er ein Held für alle Jahreszeiten!
22 Sep 2021
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Schwerpunkt Bahnstreik
GDL
Claus Weselsky
Die Wahrheit
Die Wahrheit
Elon Musk
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Frank-Walter Steinmeier
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Der wirklich wahre Fantomas
In unserer losen Reihe „Schurken, die die Welt beherrschen wollen“ – heut…
der allseits beliebte William Bill „der Saurier“ Gates.
Die Wahrheit: Der Seelenverkäufer
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Jeff „Bumm“ Bezos,
Wohltäter, Beglücker und Krempelpapst der gesamt globalen Menschheit.
Die Wahrheit: Der tüftelige Konfettikiffer
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: Elon „Maximus“ Musk,
Weltraumausstatter im Rausch der Zukunft.
Die Wahrheit: Lockprämien wider Lockdown!
Die deutsche Impfkampagne stockt endlich nicht mehr, seit die
Bundesregierung jetzt äußerst attraktive Angebote macht.
Die Wahrheit: Die Lunte brennt!
Bundestagswahl 2021: 44 faszinierende Mini-Parteien dürfen am Urnengang
teilnehmen, 43 hat der Bundeswahlleiter nicht zugelassen.
Die Wahrheit: Ein Prickel von einem Kerl
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Frank-Walter „Steini“
Steinmeier, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.