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# taz.de -- Prozess gegen Hamburger Antifa-Aktivist: Rechtswidrige Ermittlung?
> Ein Aktivist ist angeklagt, weil er Bilder eines NPD-Kaders verbreitete.
> Sein Anwalt erhebt Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft und
> Verfassungsschutz.
Bild: Antifa geht in Hamburg voran: „Dem rechten Mob entgegen treten“
Hamburg taz | Ein Nazi wird in seiner Nachbarschaft geoutet, ein
[1][Antifa-Aktivist] steht dafür vor Gericht. Am Mittwoch begann vor dem
Amtsgericht Hamburg ein Prozess dieser Art. Allerdings mutete der Fall
schon vor Prozessbeginn seltsam an – verhandelt wurde wegen des möglichen
Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz. Nach den ersten Einlassungen des
Verteidigers stehen massive Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft und den
Hamburger Verfassungsschutz im Raum. Haben sie ausgerechnet bei der Anzeige
eines [2][NPD-Kaders] Rechtsverstöße begangen – zulasten eines linken
Aktivisten?
An einem Sonntagabend im Juni vergangenen Jahres soll sich laut Anklage der
Staatsanwaltschaft der 31-jährige Beschuldigte mit 14 weiteren Personen auf
einem Spielplatz in der Nähe der Wohnung von Karel Haunschild verabredet
haben und dann zu dessen Wohnhaus gegangen sein.
Haunschild ist aktives [3][NPD-Mitglied], bei der Wahl zum EU-Parlament
2019 war er Kandidat auf der Bundesliste der Partei. Vor dem Mietshaus
sollen die Aktivist:innen dann Zettel ausgelegt haben. Deren
Überschrift: „Vorsicht Neonazi!“. Darunter waren zwei Fotos von Haunschild
abgedruckt und der Hinweis an die Nachbar:innen, in welchem politischen
Spektrum Haunschild aktiv ist.
Gegen den beschuldigten Aktivisten war deshalb im März auf Antrag der
Staatsanwaltschaft Hamburg ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 60
Tagessätzen erlassen worden. Er soll wegen der veröffentlichten Fotos von
Haunschild auf den Flyern gegen das Kunsturhebergesetz verstoßen haben –
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder
öffentlich zur Schau gestellt werden.
## Person des öffentlichen Lebens?
Der Verteidiger des 31-Jährigen, Gerrit Onken, hält den Vorwurf für nicht
haltbar: „Mir ist schleierhaft, wie daraus eine Strafsache gemacht werden
kann“, sagte er zum Auftakt der Verhandlung mit verärgerter Miene.
Haunschild sei eine Personen des öffentlichen Lebens – dort gelte dieses
Recht am eigenen Bild nicht. Hinzu hatte Haunschild selbst eines der beiden
abgedruckten Fotos zu Wahlkampfzwecken veröffentlicht. „Was soll das?“,
fragte er vor Gericht mehrfach die Staatsanwaltschaft.
Und zum Stellen dieser Frage sah er einen weiteren Anlass: Ein Zeuge hatte
ein Foto von der Aktivist:innengruppe gemacht, bevor diese mutmaßlich
zum Haus des NPD-Politikers gezogen war. Nach Ansicht der
Staatsanwaltschaft sei der Beschuldigte darauf zu erkennen.
Der Verteidiger bezweifelt das mit Verweis auf die Bildqualität. Doch
selbst wenn er auf dem aus mehreren Metern entfernt geschossenen Foto zu
erkennen sei – woher wisse die Staatsanwaltschaft, dass es sich dabei um
den Beschuldigten handelt? Der Beschuldigte ist laut seinem Rechtsanwalt
nicht vorbestraft, sodass die Ermittler:innen eigentlich keine eigenen
Informationen über ihn haben könnten.
Offenbar, so stellte es Onken dar, habe der Hamburger Verfassungsschutz der
Staatsanwaltschaft den Namen genannt. Dabei herrscht ein grundsätzliches
Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten.
## Übermittlung rechtswidrig?
Um eine Ausnahme vom Übermittlungsverbot von Daten und Erkenntnissen des
Verfassungsschutzes an die Ermittler:innen der Polizei und der
Staatsanwaltschaft zu machen, müssen hohe Hürden überschritten werden –
etwa wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder ein Mensch in
Gefahr ist. Oder wenn es sich um Staatsschutzdelikte handelt. In diesem
Fall geht es jedoch um das Kunsturheberrecht.
Onken hält sowohl die Übermittlung des Verfassungsschutzes als auch die
Verwendung der Informationen durch die Staatsanwaltschaft für rechtswidrig.
Sowohl das Gericht als auch die Staatsanwaltschaft wirkten nach diesen
Vorwürfen überrascht. Zwar wolle die Staatsanwaltschaft dazu Stellung
beziehen, müsse diese Vorwürfe jedoch zunächst prüfen. Danach müsse das
Gericht entscheiden, wie mit diesen Informationen weiter umzugehen ist.
Vor dem Strafjustizgebäude hielten derweil rund drei Dutzend
Unterstützer*innen des Angeklagten trotz Regens eine
Solidaritäts-Kundgebung ab. Den nächsten Termin setzte das Gericht auf den
23. September an.
15 Sep 2021
## LINKS
[1] /Bussgeld-gegen-Demonstrantinnen/!5795674
[2] /NPD-Kandidaten-in-Norddeutschland/!5786584
[3] /Kommunalwahl-in-Niedersachsen/!5800215
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Schwerpunkt Antifa
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NPD
Prozess
Schwerpunkt AfD
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Bezirksamt
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