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# taz.de -- Clubkultur und Nahost-Konflikt: About Antisemitismus
> Unter dem Vorwurf mangelnder Solidarität mit Palästinenser*innen
> verließ eine Partyreihe einen Berliner Club. Der lud nun zur Diskussion.
Bild: Der Nahost-Konflikt hinterlässt seine Spuren – auch in der Berliner Cl…
BERLIN taz | Wird der Nahostkonflikt auf Berlins Tanzflächen gelöst? Wohl
kaum. Doch das Bedürfnis nach unbedingter Solidarität mit der einen oder
anderen Seite, nach Positionierungen und nach Antworten ist groß. Das
zeigte sich zuletzt am Dienstagabend, als die feieraffine Community
regelrecht hinströmte zu einem Austausch über Clubkultur und den
Israel-Palästina-Konflikt. „Na, da haben sie ja einen Nerv getroffen“, sagt
denn auch eine Besucherin beim Anblick der langen Schlange vor dem Club
About Blank am Ostkreuz.
Denn die Frage, wer im Nahostkonflikt Solidarität verdient, hat längst das
linke, queere Nachtleben der Stadt erreicht. Letztes Beispiel ist die
[1][Absage der Buttons-Partyreihe an das About Blank] Ende Juni: Das
Buttons-Kollektiv, das nach eigener Aussage rund zehn Jahre eng mit dem
About Blank zusammengearbeitet hat, sehe sich dazu nicht mehr in der Lage.
Weiße Deutsche hätten das Sagen in diesem und vielen anderen Clubs. Es sei
Zeit, progressive arabische und jüdische Stimmen zu Wort kommen zu lassen.
Man wolle klare Position gegen Apartheid beziehen, die palästinensische
Sache brauche endlich umfassende antirassistische und antikoloniale
Solidarität.
Die Absage reihte sich ein in eine größere Kampagne: Zusammen mit ihrer –
ziemlich langen – Erklärung bei Facebook rief das Kollektiv dazu auf, den
[2][offenen Brief der „Arbeiter*innen aus dem Berliner Nachtleben gegen
Apartheid“] zu unterzeichnen. Dieser fordert angesichts etwa [3][von
Zwangsräumungen in Sheikh Jarrah] und [4][Gazakrieg] das „erdrückende
Schweigen“ der Berliner Kulturszene zu brechen und klare Haltung zu
beziehen, unter anderem gegen das „koloniale Projekt der Vertreibung“.
Knapp 500 Namen stehen inzwischen unter diesem Brief. Viele davon
bezeichnen sich als DJs.
## Fortschritt Betroffenenperspektive
„Wir haben ein Kompassproblem“, sagt dann auch Meron Mendel, Leiter der
Bildungsstätte Anne Frank aus Frankfurt am Main am Mittwochabend auf dem
Podium im About Blank. „Die Betroffenenperspektive hat inzwischen
Deutungshoheit. Und das ist auch gut, es ist ein Fortschritt, dass den
Betroffenen endlich zugehört wird“, sagt er. „Aber wenn zwei Betroffene
aufeinanderprallen, kommen weiße Deutsche oft ins Taumeln: Wer hat denn nun
recht? Und wer soll den Richter spielen?“ Daher dürfe es nicht bei den
Betroffenenperspektiven enden, es dürfe nicht nur um Verletzungen gehen.
„Wir müssen über Inhalte sprechen und wir brauchen die Perspektive der
Menschenrechte, um das zu bewerten“, sagte er. Ein Problem sei außerdem,
dass es gerade beim Nahostkonflikt den Drang zu einem klaren
Freund-Feind-Bild gäbe.
Anliegen der Veranstalter*innen der Diskussion war es, wieder
miteinander ins Gespräch zu kommen – auch nach heftigen Beschimpfungen und
Diffamierungen über diverse Online-Kanäle. Vom Buttons-Kollektiv saß
niemand auf dem Podium.
Hengameh Yaghoobifarah, Journalist*in, Schriftsteller*in und DJ,
prangerte die Doppelmoral an, wenn es um Israel gehe. „Dass Frankreich mal
das Existenzrecht abgesprochen wird oder französischer Käse boykottiert
wird – das sehe ich nicht.“ Es werde auch häufiger hingenommen, wenn jemand
sage, jüdische Freund*innen „finden das aber nicht antisemitisch“. Bei
rassistischen Praktiken oder Äußerungen sei das Bewusstsein stärker.
Mendel betont, wie wichtig es sei, im Dialog zu bleiben. „Mein Wissen über
den Nahostkonflikt dient mir auch dazu, um Festlegungen auf der einen oder
der anderen Seite zu irritieren“, sagt er. Schüler*innen wüssten oft
erstaunlich wenig, sagt Mohamed Ibrahim, der an [5][Schulen Workshops zum
Nahostkonflikt macht]. Trotzdem würden sie sich sehr klar positionieren.
Mehr Wissen könne sensibilisieren.
## Praktische Solidarität
Am Ende, in der Publikumsdiskussion, kam dann doch noch die Frage: „Aber
was kann man tun?“ Weniger Parolen, mehr Praxis, sagt Yaghoobifarah. Wem
wirklich an antirassistischer Praxis gelegen sei, der*die könne etwa an
der Türpolitik etwas ändern und sich fragen, welche Körper auf Partys
zugelassen und gefeiert würden. Oder die Kämpfe um Bleiberecht oder
Wohnraum von Palästinenser*innen in Berlin unterstützen. Denn: „Ob
die Buttons-Party nun im Blank oder in der Grießmühle stattfindet – das
wird in der Westbank nichts ändern.“
Mendel betont noch mal, wie wichtig es sei, im Dialog zu bleiben. Wenn er
höre, dass Menschen „etwas bewirken“ wollten, frage er immer erst danach,
was sie bereit wären zu tun. „Wenn du nur einen harten politischen
Insta-Post absetzen willst – dann lass es einfach“, sagt er. Viel eher
solle man sich fragen, welche Kräfte in der palästinensischen oder
israelischen Gesellschaft man stärken wolle. „Dafür braucht es Zeit.
Deshalb endet die Bereitschaft, sich zu engagieren auch oft, wenn es um
wirkliche Handlungen geht.“
15 Sep 2021
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/buttonsberlin/posts/1633254593539881?__tn__=K-R
[2] https://docs.google.com/spreadsheets/d/1vCQNmIVL42ufsSnZgWWTdYuY3h5LjgZES5g…
[3] /Ausschreitungen-in-Israel/Palaestina/!5770722
[4] /Nach-dem-Gazakrieg/!5769691
[5] /Nahostkonflikt-und-Holocaust-an-Schulen/!5033577
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Clubkultur
Antisemitismus
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Queer
Hamburg
Clubkultur
Club Commission
Drogen
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