# taz.de -- Hamburger Musikklub in der Krise: Zwischen Pleite und Prinzipien | |
> Keine Kohle und dann auch noch den Nahostkonflikt auf dem Tisch: Für das | |
> Hafenklang lief das vergangene Jahr schlecht. Die Aussicht ist kaum | |
> besser. | |
Bild: Hat ein hartes Jahr hinter sich: der Hamburger Club Hafenklang | |
Hamburg taz | Schlechte Zeiten hat wohl jeder Subkultur-Club schon mal | |
durchgemacht. Kein Geld, unsicheres Mietverhältnis, interner Streit, Kritik | |
und kaum Unterstützung von außen. „Auch bei uns war es nie langweilig, aber | |
das war schon ein besonders komisches Jahr“, sagt Thomas Lengefeld fast | |
lakonisch, als er an einem grauen Dezembernachmittag während der | |
Vorbereitung aufs abendliche Konzert am großen Holztisch Platz nimmt. | |
Lengefeld gehört zum Betreiber:innen-Team des Hamburger Musikclubs | |
Hafenklang, nur einen Steinwurf von der Elbe entfernt. Erst zeigte sich im | |
Spätsommer, dass seit Corona die Geldsorgen so weit zugenommen hatten, dass | |
eine Insolvenz der Clubs im Raum stand. Dann geriet die dezidiert linke, | |
kollektiv betriebene Konzertlocation auch noch ins Visier von – ebenso | |
dezidiert linken – [1][israelfeindlichen Boykott-Aufrufen]. „Vor allem | |
seit dem Herbst haben dann die Konzertabsagen massiv zugenommen“, sagt | |
Lengefeld. | |
Es hat ein paar Monate gedauert, bis nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. | |
Oktober vergangenen Jahres und dem darauffolgenden Krieg der in Teilen | |
rechtsextremen israelischen Regierung in Palästina wegen des | |
Nahostkonflikts alte Gräben in lokalen linken Bewegungen wieder aufrissen. | |
Nun werden sie immer tiefer: In Hamburg wird auch die Rote Flora | |
angefeindet. Ihr wird Rassismus vorgeworfen – nur weil sie etwa auf | |
Wandbildern darauf hinwies, dass Jüd:innen zu töten, nicht bedeute, für | |
Freiheit zu kämpfen. Palästinasolidarische Gruppen verstanden das, zu | |
Recht, als Kritik an ihren Positionen. [2][Auch Musikclubs in anderen | |
Städten sind von Boykott-Aufrufen betroffen.] | |
## Bands folgen Boykott-Aufrufen | |
Im Sommer erreichte der Konflikt das Hafenklang. „Wir hatten mitbekommen, | |
dass wir auf einer Liste von Läden stehen, bei denen Bands nicht mehr | |
spielen sollen“, sagt Lengefeld. Wer die Liste verfasst hat, ist unklar. | |
Die Stoßrichtung ist: Wer dort aufgelistet ist, stehe auf der Seite der | |
israelischen Unterdrückung und müsse boykottiert werden. Der Aufruf zeigte | |
Wirkung: „Innerhalb von zwei Wochen haben acht Bands ihre geplanten | |
Konzerte abgesagt“, sagt Lengefeld. Die Folge für den Club: Tickets mussten | |
zurückerstattet werden, Umsätze blieben aus, die Konzertplanungen waren | |
umsonst. „Das hat uns 12.000 Euro gekostet“, sagt Lengefeld. | |
Den Vorwurf, dass pro-palästinensische Acts im Hafenklang nicht auftreten | |
dürfen, wies der 60-köpfige Trägerverein des Clubs [3][in einer Mitteilung | |
im Oktober] zurück. „Nur in einem einzigen Fall wurde im Planungsprozess | |
entschieden, eine noch nicht bestätigte, geschweige denn öffentlich | |
angekündigte Band aufgrund inhaltlicher Differenzen doch nicht zu buchen.“ | |
Natürlich könnten sich Bands auch Palästina-solidarisch bei Konzerten | |
äußern, nur stehe für den Verein das Existenzrechts Israels nicht zur | |
Debatte. Und: „Einem Act im Vorfeld auf Nachfrage mitzuteilen, dass wir | |
weder Antisemitismus, undifferenzierten Israel-Hass, Nationalflaggen oder | |
Hamas-Propaganda auf unserer Bühne haben wollen, empfinden wir nicht als | |
Zensur.“ | |
Die drohende Insolvenz konnte zwar durch eine Spendensammlung vorerst | |
abgewendet werden. Mehr als 200.000 Euro kamen zusammen. Doch das | |
postpandemische Ausgehverhalten habe sich massiv verändert, sagt Lengefeld. | |
„Allein die Getränkeumsätze liegen ein Drittel unter dem | |
Vor-Corona-Niveau.“ Zugleich seien die Produktionskosten gestiegen, sodass | |
es sich eigentlich betriebswirtschaftlich nicht mehr lohne, kleine | |
Künstler:innen zu buchen. Gerade jenen aber will das Hafenklang eine | |
Bühne bieten – und nicht nur bereits etablierten, großen Acts. | |
## Senat erhöht Club-Förderung | |
Deshalb brauchen Subkulturstätten wie das Hafenklang [4][eine auskömmliche | |
und verlässliche Förderung.] „Die Stadt gibt viel Geld zur Förderung groß… | |
Events und Stätten aus“, sagt Lengefeld. Die kleinen Clubs mit | |
subkulturellem Anspruch dagegen müssten sich einen kleinen Fördertopf | |
teilen. | |
Sollte sich daran nichts ändern, könne das Hafenklang nicht mehr lange | |
überstehen. Das Spendenpolster werde in den kommenden Monaten aufgebraucht | |
sein, so Lengefeld. „Wir machen jeden Monat Verlust, aber wir können an | |
keiner Stelle mehr sparen“, sagt er. „Wir sind noch ratlos, wie es | |
weitergeht. Aber wir wollen hierbleiben.“ | |
Etwas Hoffnung gibt es nun: Der Senat hat im Haushalt den Fördertopf für | |
kleine Clubs deutlich vergrößert. „Dies ist ein Schritt in die richtige | |
Richtung und der Einstieg in eine solide Clubförderung“, sagt Anna | |
Lafrentz vom Clubkombinat Hamburg, das die Hamburger Musikclubs vertritt. | |
6 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Nahostkonflikt-in-der-Clubszene/!6046931 | |
[2] /Antiimperialisten-gegen-Antideutsche/!6038266 | |
[3] https://www.hafenklang.com/2024/10/17/anmerkungen-des-hafenklang-zu-konzert… | |
[4] /Konzertclub-kaempft-gegen-die-Pleite/!6025612 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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