# taz.de -- Kanzlerin Merkels Balkanreise: Eine Perspektive bieten | |
> Mit Kanzlerin Merkel verliert der Westbalkan eine wichtige | |
> Unterstützerin. Der EU-Beitritt muss für diese Länder als Perspektive | |
> erhalten werden. | |
Bild: Albanien, Tirana: Merkel befindet sich auf einer Abschiedsreise durch den… | |
Wenn Angela Merkel nach 16 Jahren ihr Amt abgibt, verliert der Westbalkan | |
eine seiner wichtigsten Unterstützerinnen – vor allem, wenn es um den | |
EU-Beitritt geht, den Serbien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien, Kosovo | |
sowie Bosnien und Herzegowina anstreben. Dafür hat Merkel 2014 den | |
„[1][Berliner Prozess]“ ins Leben gerufen. | |
Kein Wunder also, dass Merkel bei ihrer Abschiedstour in Belgrad und Tirana | |
mit wehenden deutschen Flaggen und lobenden Worten begrüßt wurde. Dass sie | |
kurz vor ihrem Abtreten in die Region reist, will sie auch als mahnende | |
Geste für die Zeit danach verstanden wissen: Schaut auf diese Region! Denn | |
zu lange hat die EU weggeschaut, war zu sehr mit sich selbst beschäftigt – | |
und dann kam die Pandemie. Die EU-Erweiterung ist mittlerweile nicht nur | |
ins Stottern geraten, sondern zum Erliegen gekommen. | |
Doch dieses Desinteresse kann sich die EU nicht leisten. Nicht nur, weil | |
Mächte wie Russland und China ihren Einfluss stetig ausbauen. Auf dem | |
Balkan brodelt es unentwegt, überall ist der [2][Autoritarismus] auf dem | |
Vormarsch. In Bosnien und Herzegowina schüren nationalistische Scharfmacher | |
Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen. Die Anerkennung des Kosovo | |
durch Serbien, für die sich Merkel eingesetzt hat, stagniert. Korruption | |
grassiert, junge Menschen suchen eine bessere Zukunft in Westeuropa oder | |
den USA. | |
Baustellen gäbe es also genug. Doch wenn Merkel geht – und wer weiß, wer | |
ihr als Kanzler*in nachfolgt –, könnten in der EU die Bremser einer | |
Osterweiterung Oberwasser bekommen, allen voran Frankreich. Dann rückt die | |
EU-Perspektive in noch weitere Ferne und die Gefahr, dass sich das | |
Pulverfass Balkan tatsächlich wieder entzündet, näher. Sichtbar wurde das | |
zuletzt in [3][Montenegro], als vor gut einer Woche die Weihe des neuen | |
Kirchenoberhaupts Gewalt auf den Straßen provozierte. | |
Kritiker*innen sagen, Merkels Strategie des Dauerdialogs sei | |
gescheitert. Alternativen nennen sie aber nicht. Und es gab ja auch | |
Erfolge, etwa den Plan eines gemeinsamen Marktes, abgeschafftes Roaming, | |
badende Serb*innen in der albanischen Riviera – für viele lange | |
undenkbar. | |
Der Berliner Prozess muss bleiben. Der bescheidene Fortschritt und der | |
Frust in den Balkanländern zeigen aber auch: Den routinierten Bekundungen | |
einer „EU-Perspektive“ müssen politische Taten folgen. Ein Problem bleibt, | |
dass einzelne Mitgliedstaaten einen Beitritt blockieren können, im Fall | |
Nordmazedonien Griechenland und Bulgarien. Die Änderung solcher Mechanismen | |
muss die Union jetzt angehen. | |
14 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Westbalkangipfel-mit-Merkel/!5780614 | |
[2] /EU-Ratspraesidentschaft-Sloweniens/!5779254 | |
[3] /Konflikt-in-Montenegro/!5799127 | |
## AUTOREN | |
Jana Lapper | |
## TAGS | |
Westbalkan-Staaten | |
Merkel-Nachfolge | |
EU-Osterweiterung | |
GNS | |
Nordmazedonien | |
EU-Osterweiterung | |
Bosnien und Herzegowina | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nordmazedoniens Reform-Regierungschef: Vorerst gescheitert | |
Zoran Zaev befriedete den Konflikt mit Griechenland und schwenkte auf | |
EU-Kurs. Doch er hatte in den Nachbarländern zu viele Gegner. | |
Kein Ergebnis auf EU-Gipfeltreffen: Stillstand auf dem Westbalkan | |
Der Gipfel in Slowenien ist ohne konkrete Zusagen für den Westbalkan zu | |
Ende gegangen. Nur Uneinigkeit über den Erweiterungsprozess wurde sichtbar. | |
Bosnien und Herzegowina vor EU-Gipfel: Ruhe vor dem Sturm | |
Serbische und kroatische nationalistische Politiker arbeiten eifrig an | |
einer Auflösung des Staates. Bislang hat die EU darauf keine klaren | |
Antworten. | |
Letzter Balkan-Besuch der Kanzlerin: Wehmütiger Abschied ins Ungewisse | |
Die Perspektive des Westbalkans und die Ambitionen auf die EU drohen nach | |
der Ära Merkel aus dem Blick zu geraten. |