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# taz.de -- Ökonomie der Mobilitätsplattformen: Kommt ein Rad zum Zug
> Die Plattformisierung der Mobilität nimmt zu. Kann das nachhaltig werden?
> Eine Podiumsdiskussion und eine Studie suchen Antworten.
Bild: Tja, sind E-Tretroller nachhaltig? Jedenfalls mehr als Autofahren – abe…
Berlin taz | Sie heißen Google Maps, Moovit oder FreeNow – Plattformen,
über die Menschen Mobilitätsdienstleistungen buchen oder suchen können:
Wege von A nach B, Mietautos oder -räder oder E-Roller. Die
Plattformisierung der Mobilität nimmt auch in Deutschland zu. Das Problem
dabei, so der Tenor einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Protests gegen
die IAA: Die dominanten Plattformen sind privat und gewinnorientiert.
Statt um Nachhaltigkeit und die Reduktion von Verkehren gehe es um
Marktbeherrschung, das Sammeln und Verarbeiten persönlicher Daten – und
darum, tendenziell mehr Verkehr zu verursachen. „Mancherorts kommt man
schon heute an Google Maps kaum mehr vorbei, wenn man sich komfortabel im
Verkehr bewegen will“, kritisiert Dominik Piétron, Soziologe von der
Berliner Humboldt-Universität.
Der Verkehrssektor ist einer der größten CO2-Verursacher: Um das
1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten laut Piétron die durch den
Verkehrssektor verursachten Emissionen innerhalb von 8 Jahren um die Hälfte
reduziert werden. „Dafür brauchen wir radikale Maßnahmen.“ Zum einen
Push-Faktoren wie [1][Tempolimits] oder [2][autofreie Innenstädte]. Zum
anderen Pull-Faktoren, die einladend wirken, um Mobilität nachhaltiger zu
gestalten. Dazu könnten auch Mobilitätsplattformen beitragen – wenn sie
richtig gestaltet und eingesetzt werden.
Piétron ist einer der Autor:innen einer Studie von Attac und der
Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Mobilitätsplattformen, an die die
Podiumsdikussion knüpft. Die Chancen seien groß, ist das Fazit der
Autor:innen: „Digitale Plattformen zur Vermittlung von
Mobilitätsdienstleistungen haben das Potenzial, den Personennahverkehr
grundsätzlich neu zu strukturieren“, schreiben sie.
Besonders weil sie es einfacher machen könnten, unterschiedliche
Fortbewegungsmittel zu kombinieren: etwa mit dem E-Roller zum Bahnhof, mit
dem Zug zum Zielort und dann mit dem Fahrrad weiter, statt die ganze
Strecke mit dem Auto zu fahren, weil allein der Fußweg zum Bahnhof eine
Stunde dauern würde und Busse zu selten fahren.
Um dieses Ziel zu erreichen und nicht einfach noch mehr Autos auf die
Straße zu bringen, fordern die Autor:innen der Studie öffentlich
organisierte Mobilitätsplattformen als Alternative zu den privaten
Anbietern. Diese müssten bestimmte Bedingungen erfüllen: Unter anderem
solle die Software Open Source sein und von kommunalen Firmen
bereitgestellt werden. Als Positivbeispiel gilt etwa Wien, [3][wo ein
Tochterunternehmen von Wiener Linien und Wiener Stadtwerken
Softwarelösungen für öffentliche Verkehrsunternehmen anbietet].
## Datenschutz und Bürger:innenbeteiligung
Darüber hinaus sollten alternative Sharing-Modelle mitgedacht werden, etwa
genossenschaftlicher Art. Und ganz besonders sollten die kommunalen
Plattformen Gruppen berücksichtigen, die sonst bei öffentlicher Mobilität
eher benachteiligt werden. Zum Beispiel Menschen, die in Bus und Bahn
rassistische Angriffe fürchten müssen, oder Menschen, denen Mobilität aus
körperlichen oder finanziellen Gründen schwerer zugänglich ist. „Die
Plattformen eignen sich dafür, sie als digitalen Stadtraum zu verstehen“,
so Piétron. Partizipative Ansätze, Datenschutz,
Bürger:innenbeteiligung – all das müsse von Anfang an mitgedacht
werden.
Doch über die Einrichtung öffentlicher Plattformen hinaus gebe es noch
einen zweiten zentralen Faktor, um Mobilität nachhaltiger zu gestalten:
„Bisher haben Kommunen nur eine geringe rechtliche Handhabe gegenüber dem
schnell wachsenden Angebot an Sharing-Diensten“, heißt es in der Studie.
Das führt zum Beispiel dazu, dass Metropolen – je nach Trend – mit
Leihrädern oder E-Rollern verschiedener Anbieter überschwemmt werden,
[4][die mitunter Wege anderer Verkehrsteilnehmer:innen blockieren]
und für zusätzliche Konflikte sorgen. [5][Kommunen benötigten daher eine
gesetzliche Grundlage], um auch diese Anbieter regulieren zu können – und
im Sinne der Bürger:innen zu steuern, welche Fahrzeuge in welcher Menge
an welchen Standorten nötig, sinnvoll und erlaubt sind.
Mark Herterich von Attac forderte bei der Diskussion außerdem auch eine
grundsätzliche Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs – zum Beispiel durch
eine schnellere Taktung. „Es nützt nichts, am Ende einen ÖPNV zu haben, der
zu einem Zulieferer von privater Mobilität wird.“
9 Sep 2021
## LINKS
[1] /Debatte-ueber-Geschwindigkeitsbegrenzung/!5780771
[2] /Platzverteilung-auf-der-Strasse/!5790512
[3] https://www.upstream-mobility.at/impressum
[4] /Debatte-um-Elektro-Tretroller/!5754824
[5] /Sharing-Angebote-in-Berlin/!5743794
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Öffentlicher Nahverkehr
Nachhaltigkeit
Digitalisierung
Mobilität
Kostenloser Nahverkehr
ÖPNV
Auto-Branche
Schwerpunkt Klimawandel
Sharing Economy
Mobilität
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