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# taz.de -- Deutsch-griechisches Verhältnis: Krach an allen Ecken
> Um die Beziehungen zwischen Berlin und Athen steht es nicht gut. Das
> liegt vor allem am mangelnden Fingerspitzengefühl Deutschlands.
Bild: Als „Strafe Gottes“ bezeichnete der griechische Abgeordnete Babbis Pa…
Athen im Sommer 2021. Es kracht an verschiedenen Ecken und Kanten im
deutsch-griechischen Verhältnis. Ende Juni kam es zu einem öffentlichen
diplomatischen Disput zwischen den Außenministerien in Berlin und Athen.
Der Anlass war die [1][zweite Berlin-Konferenz zu Libyen]. Die Türkei war
eingeladen, Vertreter der Afrikanischen Union, der Arabischen Union, der
Republik Kongo sowie Delegationen aus Algerien, Ägypten und den Vereinigten
Arabischen Emiraten.
Nur Athen erhielt keine Einladung und fühlte sich durch Berlin brüskiert.
Drei Wochen später werden Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen von einer
[2][Flutkatastrophe] getroffen. Zahlreiche Länder bieten ihre Hilfe an. Und
wie sieht es mit der Solidarität in Griechenland aus? Die „Flutkatastrophe
ist eine Strafe Gottes für jene, die uns in der Vergangenheit belehrend den
Zeigefinger entgegenhielten und uns als Dritte-Welt-Land bezeichneten.“
Diese [3][empörende Aussage] trifft der Abgeordnete der regierenden
konservativen Nea Dimokratia (ND), Babbis Papadimitriou. Der ehemalige
Journalist des Fernsehsenders Skai und der Tageszeitung Kathimerini ist
seit Juli 2019 Abgeordneter im griechischen Parlament. Es kann
vorausgesetzt werden, dass er mit den Regeln der öffentlichen Rede
hinreichend vertraut ist. Papadimitriou wurde in Athen umgehend und
[4][scharf kritisiert]. Zahlreiche griechische Journalisten wiesen seine
Äußerung als unverantwortlich zurück.
Trotzdem gewinnt man einen Eindruck davon, warum es zwischen Berlin und
Athen kracht. Papadimitrious Äußerung steht sinnbildlich für die
deutsch-griechischen Beziehungen, die im Sommer 2021 von
Missverständnissen, Anschuldigungen und vermeidbaren Fehlern geprägt sind.
Abermals ist zu beobachten, wie es griechischen Politikern und Journalisten
nicht gelingt, der Versuchung zu widerstehen, unnötig zu polarisieren.
Gleichwohl ist ein unaufgeregter Blick auf das bilaterale Verhältnis
notwendig.
## Die Ursachen liegen tiefer
Eine nüchterne Ansicht auf die deutsch-griechischen Beziehungen legt nahe,
dass die jüngsten Unstimmigkeiten tiefere Ursachen haben. Aus den Worten
Papadimitrious spricht neben Dummheit und Beleidigung auch ein in
Griechenland weit verbreitetes Ressentiment. Der „belehrende Zeigefinger“
und die „Dritte-Welt“-Kategorisierung spielen auf die europäische
Rettungspolitik der vergangenen Dekade an.
Viele Menschen in Griechenland empfinden auch heute noch die damalige
Rettungspolitik als demütigend, die primär von „Berlin“ und „Merkel-Lan…
vorangetrieben worden sei. Ein aktuellerer Hintergrund betrifft die
[5][griechisch-türkischen Auseinandersetzungen] in der Ägäis, die
Zypern-Frage und Energievorkommen in umstrittenen Seegrenzen. Berlins
Bereitschaft, in diesen Konfliktzonen zwischen Athen und Ankara zu
vermitteln, ist begrenzt.
Dagegen werden Frankreich und die USA als glaubwürdigere Nato-Partner in
Athen angesehen, die dem türkischen Autokraten-Präsidenten Recep Tayyip
Erdoğan entgegentreten und diese Haltung auch mit handfesten militärischen
Mitteln unter Beweis stellen. Die deutsche Diplomatie wird hingegen in
Athen als der wenig überzeugende Versuch wahrgenommen, es beiden Seiten in
den mediterranen Konfliktzonen möglichst recht zu machen.
Dabei werden die fortgesetzten deutschen [6][U-Boot-Lieferungen an die
Türkei] als Affront gegenüber Griechenland angesehen. Sehr oft fragen sich
griechische Regierungs- und Medienvertreter, warum sich die
Verantwortlichen in Berlin so opportunistisch gegenüber Erdoğan verhalten.
Der griechische Verteidigungsminister Nikolaos Panagiotopoulos forderte von
seiner deutschen Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer einen Stopp der
deutschen U-Boot-Exporte für die Türkei und bekam eine klare Absage.
## Irritationen und Schuldzuweisungen
Schließlich führten die weiträumigen Brände der vergangenen Wochen in
Griechenland zu weiteren Irritationen im bilateralen Verhältnis. 22 Länder,
darunter Zypern, Moldawien und Bulgarien, beteiligten sich umgehend an
verschiedenen Maßnahmen des Katastrophen- und Zivilschutzes. Sie standen
mit aktiver Unterstützung und Ausrüstung bereit, während die Hilfe aus
Deutschland zunächst auf sich warten ließ.
Dies führte zu manch scharfer Kritik in griechischen Medien und auch bei
einzelnen Oppositionsparteien. Am Ende schickte Berlin mehrere Löschmodule.
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bedankte sich
insbesondere bei Russland, welches das Löschflugzeug Beriev Be-200 zur
Verfügung gestellt hatte. Die Bundesregierung bekommt gegenwärtig
schonungslos vor Augen geführt, wie rasch die Schattenseiten des
deutsch-griechischen Verhältnisses abermals zum Vorschein kommen können.
Ob es rhetorische Entgleisungen eines griechischen Parlamentsabgeordneten
sind, diplomatische Noten seitens des Athener Außenministeriums wegen der
Libyen-Konferenz, Waffenexporte in die Türkei oder verspätete Hilfestellung
zur Bewältigung der Brände – die Summierung solcher Ereignisse
unterstreicht, wie labil die deutsch-griechischen Beziehungen sind, wie
schnell Verbesserungen aus den vergangenen Jahren umschlagen können in
Ressentiment und stereotype Meinungsbilder.
Die Stimmungslage im Sommer 2021 ist geprägt von Irritationen und
reflexartigen Schuldzuweisungen. Während das in Athen niemanden überrascht,
reagiert Berlin auf solche Entwicklungen mit Erstaunen. Das lässt den
Schluss zu, dass Empfindlichkeiten in der griechischen Politik, historische
Hinterlassenschaften vor 1945 und regional-strategische Konstellationen in
Berlin immer noch ungenügend verstanden werden. In Athen ist deshalb die
Hoffnung gering, dass sich nach der Bundestagswahl an dieser Ausgangslage
substanziell etwas ändern wird.
7 Sep 2021
## LINKS
[1] /Libyen-Konferenz-in-Berlin/!5780231
[2] /Katastrophale-Lage-in-Flutgebieten/!5790378
[3] https://www.youtube.com/watch?v=IthXYv_Rbqs
[4] https://thepressproject.gr/chydaios-antigermanismos-epano-apo-tis-germanike…
[5] /Tuerkisch-griechischer-Konflikt-um-Erdgas/!5709704
[6] https://www.heise.de/tp/features/Deutsche-U-Boote-Waffenhilfe-fuer-Erdogan-…
## AUTOREN
Jens Bastian
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