# taz.de -- Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: Virtueller G7-Gipfel am Dienst… | |
> Großbritanniens Premier beruft die Staats- und Regierungschefs der | |
> G7-Staaten zu einem Sondergipfel ein. Die GIZ zahlt eine „Bleibeprämie“ | |
> an Ortskräfte. | |
Bild: Hat eine G7-Sitzung für kommenden Dienstag einberufen: Boris Johnson | |
## GIZ zahlt „Bleibeprämie“ an afghanische Ortskräfte | |
Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bietet | |
afghanischen Ortskräften, die im Land bleiben wollen, eine finanzielle | |
Unterstützung an. Es handle sich um ein Jahresgehalt zur Überbrückung der | |
schwierigen Lage, sagte am Sonntag ein Sprecher des Bundesministeriums für | |
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Zunächst hatte der | |
Spiegel darüber berichtet. | |
Höchste Priorität habe die Sicherheit der afghanischen Ortskräfte und ihrer | |
Familien, betonte der Ministeriumssprecher. Jede Ortskraft, die evakuiert | |
werden möchte, könne sich und ihre Familie auf den entsprechenden Listen | |
registrieren lassen. | |
Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich drastisch verschlechtert und | |
bleibe sehr dynamisch, erklärte der Sprecher weiter. Die staatliche | |
Entwicklungszusammenarbeit sei daher ausgesetzt. In dieser Situation würden | |
alle Ortskräfte der GIZ unbürokratisch unterstützt – finanziell und | |
nicht-finanziell. Dazu zählten auch Hilfen bei Unterbringung und Ausreise. | |
Das Angebot der finanziellen Unterstützung sei „ausdrücklich durch die | |
afghanischen Beschäftigten begrüßt“ worden. Das BMZ ist Hauptauftraggeber | |
für die GIZ. | |
## US-Regierung bestätigt Gefahr möglicher IS-Anschläge | |
Die US-Regierung hat Medienberichte über die Gefahr eines Anschlags der | |
Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul oder in der Umgebung | |
bestätigt. „Die Bedrohung ist real, sie ist akut, sie ist anhaltend“, sagte | |
der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, | |
am Sonntag im Sender CNN. „Wir arbeiten intensiv mit unseren Geheimdiensten | |
zusammen, um herauszufinden, woher ein Angriff kommen könnte.“ Man nehme | |
die Warnungen „absolut todernst“. Die Taliban und der regional aktive Zweig | |
des IS sind verfeindet und haben in der Vergangenheit gegeneinander | |
gekämpft. | |
## G7-Sondergipfel am Dienstag | |
Der angekündigte Sondergipfel der G7-Staaten zur brisanten Lage in | |
Afghanistan soll an diesem Dienstag stattfinden. „Ich werde die Staats- und | |
Regierungschefs der G7 am Dienstag zu dringenden Gesprächen über die Lage | |
in Afghanistan einberufen“, twitterte der britische Premierminister Boris | |
Johnson am Sonntag. Großbritannien hat derzeit den Vorsitz in der Runde der | |
führenden westlichen Industrienationen inne. Neben Deutschland und | |
Großbritannien gehören auch Frankreich, Italien, Kanada, Japan und die USA | |
dazu. | |
Angesichts der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in | |
Afghanistan wollen die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten in der | |
kommenden Woche bei einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen beraten. | |
Es sei entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft zusammenarbeite, | |
um sichere Evakuierungen zu gewährleisten und eine humanitäre Katastrophe | |
zu verhindern, schrieb Johnson. | |
## Afghanin bringt Baby auf Landebahn in Ramstein zur Welt | |
Eine Afghanin auf der Flucht vor den Taliban hat auf der Landebahn der | |
US-Luftwaffenbasis Ramstein ein Baby zur Welt gebracht. Die Frau befand | |
sich in einer Maschine aus Nahost nach Deutschland, als ihre Wehen | |
einsetzten, wie ein Sprecher des Stützpunktes am Sonntag sagte. Zudem gab | |
es Komplikationen wegen niedrigen Blutdrucks – daher habe der Pilot die | |
Flughöhe gesenkt, so den Luftdruck in der Maschine erhöht und damit | |
geholfen, der werdenden Mutter das Leben zu retten. | |
Sie gebar ihr Baby demnach am Samstagnachmittag kurz nach der Landung noch | |
im Flugzeug, mit der Hilfe von herbeigeeilten Sanitätern. Mutter und Kind | |
seien wohlauf. | |
## Taliban: „Arbeitsbeziehung“ mit Amerikanern am Flughafen | |
Die militant-islamistischen Taliban haben eigenen Angaben zufolge eine | |
„Arbeitsbeziehung“ mit den USA bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen am | |
Flughafen in Kabul. Das sagte ein Mitglied der Kulturkommission der | |
Taliban, Abdul Kahar Balchi, dem TV-Sender Al-Dschasira am Sonntag. Demnach | |
seien die Posten außerhalb des Flughafengeländes, wo sich seit Tagen | |
Tausende verzweifelte Menschen drängen, unter Kontrolle der Islamisten, | |
jene innerhalb kontrollierten die US-Streitkräfte. „Sie stehen in ständigem | |
Kontakt miteinander“, sagte der Sprecher weiter. | |
Es sei sehr „bedauerlich“, dass die Menschen nun derart zum Flughafen | |
eilen, sagte er. Die Angst vor den Taliban und möglichen Repressionen sei | |
unbegründet, weil die Islamisten eine Generalamnestie erlassen hätten, auch | |
für die Sicherheitskräfte. Allerdings hieß es jüngst in einem für die UN | |
erstellten Bericht, dass die Taliban gezielt auf der Suche nach bestimmten | |
Personen seien, vor allem jenen, die wichtige Positionen im Militär, der | |
Polizei oder anderen Ermittlungsbehörden hatten. Sie drohten offen auch mit | |
Repressalien gegen deren Familien. | |
Balchi sagte weiter, die Taliban hätten nicht vorgehabt, Kabul zu betreten. | |
Sie hatten vielmehr geplant, davor eine politische Lösung zu finden und | |
eine Regierung auch mit anderen Kräften aufzustellen. Er sagte zudem, alle | |
Menschen seien von dem Tempo der Entwicklungen überrascht gewesen. | |
## Den Menschen geht das Bargeld aus | |
Nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan | |
geht den Menschen zunehmend das Bargeld aus. Einwohner Kabuls berichteten | |
der Deutschen Presse-Agentur, die Geldautomaten in der Stadt seien | |
praktisch leer. Banken und auch der Geldwechslermarkt seien seit einer | |
Woche geschlossen. „Alle in der Stadt beschweren sich mittlerweile, dass | |
sie kein Geld abheben können“, sagte ein Bewohner. | |
Ein Mann sagte dem lokalen TV-Sender ToloNews, seine Bank habe zudem eine | |
Obergrenze für Abhebungen eingeführt. Wenn denn ein Geldautomat doch noch | |
befüllt sei, könne man nur 10.000 Afghani (rund 100 Euro) abheben. Viele | |
drücke die Sorge, dass sie angesichts der aktuellen Krise überhaupt nicht | |
mehr an ihr Geld kommen. | |
Auf der Facebook-Seite des Finanzministeriums hieß es in der Nacht zu | |
Sonntag, die Zentralbank, private Banken und andere Finanzinstutionen | |
nähmen bald wieder ihren Betrieb auf. Gleichzeitig wurde das „technische | |
Personal“ des Ministeriums aufgerufen, zur Arbeit zurückzukehren. | |
## Sieben Tote bei Massenpanik am Kabuler Flughafen | |
Bei einer Massenpanik [1][am internationalen Flughafen von Kabul] sind nach | |
Angaben des britischen Militärs sieben afghanische Zivilisten getötet | |
worden. „Die Bedingungen am Boden bleiben äußerst schwierig“, teilte das | |
britische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Es hat schon zuvor | |
Massenpaniken gegeben, weil Menschen versuchen, wegen der Übernahme | |
Afghanistans durch die Taliban zu fliehen. | |
[2][Die Bundeswehr] hat mittlerweile mehr als 2.130 Menschen aus Kabul | |
evakuiert. Insgesamt seien bislang 2.134 schutzbedürftige Personen von der | |
Bundeswehr aus Afghanistan ausgeflogen worden, twitterte das | |
Einsatzführungskommando der Bundeswehr am späten Samstagabend. | |
Zuvor war eine in Kabul gestartete Militärmaschine vom Typ A400M mit 20 | |
Menschen an Bord in der usbekischen Hauptstadt Taschkent gelandet. Mehrere | |
Militärtransporter der Bundeswehr pendeln zwischen Kabul und Taschkent, von | |
wo aus die Evakuierten ihren Weiterflug nach Deutschland antreten sollen. | |
Die Regierung von US-Präsident Joe Biden erwägt, kommerzielle | |
Fluggesellschaften in den USA dazu aufzurufen, ihre Flugzeuge für den | |
Transport von afghanischen Flüchtlingen nach dem Ausflug aus Afghanistan | |
bereitzustellen. Das US-Verkehrskommando teilte am Samstag mit, es habe die | |
Fluggesellschaften am Freitag benachrichtigt, dass das Programm aktiviert | |
werden könnte. | |
## EU-Kommission ruft zur Aufnahme von Geflüchteten auf | |
Dabei würden die Fluggesellschaften Flüchtlinge von Stationen außerhalb | |
Afghanistans in andere Länder fliegen oder vom internationalen Flughafen | |
Dulles in Virginia zu US-Militärstützpunkten bringen. | |
Die EU-Kommission hat alle EU-Länder aufgerufen, über das | |
Umsiedlungsprogramm des UN-Flüchtlingshilfswerks mehr Menschen aus | |
Afghanistan aufzunehmen. „Neben den früheren Diplomaten vor Ort und den | |
Ortskräften mit ihren Familien gibt es noch weitere Gruppen, die dringend | |
der Hilfe bedürfen, wie beispielsweise Menschenrechtsaktivisten und | |
Journalisten“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson der Welt am | |
Sonntag. „Es geht auch darum, Mädchen und Frauen zu beschützen.“ Sie rufe | |
alle EU-Länder auf, „ihre Quoten für Umsiedlungen von Flüchtlingen | |
innerhalb des UNHCR-Programms zu erhöhen“. | |
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte am Samstag bereits bei | |
einem Besuch in Spanien einen ähnlichen Appell an alle Staaten gerichtet, | |
die an der Afghanistanmission beteiligt waren. Sie stellte finanzielle | |
Hilfe für EU-Mitglieder in Aussicht, die Flüchtlinge aufnehmen. | |
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ist gegen die Aufnahme von | |
Flüchtlingen aus Afghanistan in seinem Land. Dazu werde es in seiner | |
Amtszeit nicht kommen, sagt er dem TV-Sender Puls 24. Österreich habe | |
bereits früher einen unverhältnismäßig großen Beitrag zur Aufnahme von | |
Flüchtlingen aus Afghanistan geleistet. In einer Statistik des | |
UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR werden Österreich mehr als 40.000 | |
afghanische Flüchtlinge zugerechnet. Das ist die zweithöchste Zahl in | |
Europa nach Deutschland mit 148.000. | |
Kurz fordert laut vorab veröffentlichten Interview-Auszügen, dass die aus | |
Afghanistan fliehenden Menschen in der Region bleiben sollten. So hätten | |
Turkmenistan und Usbekistan bislang nur ganz wenige aufgenommen. | |
## Deutsche Kriegswaffen in Händen der Taliban? | |
Die Bundesregierung hat seit Beginn des internationalen Militäreinsatzes in | |
Afghanistan vor knapp 20 Jahren den Export von Kriegswaffen und anderen | |
Rüstungsgütern für mehr als 400 Millionen Euro in das Land genehmigt. Der | |
weitaus größte Teil wurde an die Streitkräfte der Nato-Verbündeten, an | |
Botschaften oder an die Vereinten Nationen geliefert, darunter Panzer, | |
gepanzerte Fahrzeuge sowie Handfeuerwaffen wie Gewehre und | |
Maschinenpistolen. | |
An afghanische Sicherheitskräfte ging nur ein geringer Teil. Das geht aus | |
den jährlichen Rüstungsexportberichten der Regierung und einer aktuellen | |
Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die der Deutschen | |
Presse-Agentur vorliegt. | |
Völlig unklar ist, in welchem Umfang deutsche Rüstungsgüter in die Hände | |
der Taliban gefallen sind. | |
Die Linken-Außenpolitikerin Dagdelen forderte die Bundesregierung zu | |
Konsequenzen auf. „Eine Lehre aus dem Fiasko in Afghanistan muss sein, die | |
Waffenexporte in den Vorderen und Mittleren Osten sofort zu stoppen“, sagte | |
sie. Nur so könne verhindert werden, dass Waffen in die Hände von | |
Islamisten gerieten. | |
## Welt am Sonntag: Humanitäre Helfer setzen Arbeit fort | |
Die meisten humanitären Helfer in Afghanistan setzen laut Welt am Sonntag | |
ihre Arbeit fort. Alle Organisationen der Vereinten Nationen (UN) – wie das | |
Flüchtlingswerk UNHCR und die Welthungerhilfe – bleiben mit der großen | |
Mehrheit ihrer 300 ausländischen und rund 3.000 einheimischen Mitarbeiter | |
vor Ort, wie das Blatt unter Berufung auf das UN-Informationsbüro in Genf | |
berichtet. | |
Das UN-Büro in Kabul habe die Einschätzung geäußert, dass die meisten der | |
über 150 nichtstaatlichen Hilfsorganisationen mit mehreren Tausend | |
Mitarbeitern ebenfalls weiter in Afghanistan tätig sein werden. „In vielen | |
Provinzen wurden wir von den Taliban gebeten, dass wir bleiben und unsere | |
nachweislich erfolgreiche Arbeit für Kinder fortsetzen“, wird das | |
Kinderhilfswerk Unicef zitiert. | |
Mit Material von dpa, afp, ap und reuters | |
22 Aug 2021 | |
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